Thea von Harbou

Thea von Harbou

Thea Gabriele von Harbou (* 27. Dezember 1888 in Tauperlitz; † 1. Juli 1954 in Berlin) war eine deutsche Theater-Schauspielerin, Drehbuchautorin und Schriftstellerin. Sie schrieb die Drehbücher zu einigen der bekanntesten deutschen Stummfilme und führte selbst auch zweimal Regie. Harbou ist nach Leni Riefenstahl eine der bedeutendsten Frauen des deutschen Films und beinahe ebenso umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Fritz Lang und Thea von Harbou in ihrer Berliner Wohnung, 1923 oder 1924. Fotografie von Waldemar Titzenthaler.
Gedenkstein im Geburtsort Tauperlitz

Thea von Harbou, die ihre ersten literarischen und schauspielerischen Gehversuche schon in früher Jugend im Luisenstift[1] in Niederlößnitz bei Dresden unternahm, wurde eine der bekanntesten Unterhaltungsschriftstellerinnen des späten Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Ihre Schauspielkarriere führte sie u. a. an Theater in Aachen, Chemnitz, Düsseldorf und München.

Sie begann ihre Arbeit beim Film als Drehbuchautorin nach dem Ersten Weltkrieg und entwickelte sich schnell zur bedeutendsten Vertreterin ihrer Branche. Sie schrieb für Joe May, Carl Theodor Dreyer, Arthur von Gerlach, Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang. Von 1914 bis 1921 war sie mit dem Schauspieler Rudolf Klein-Rogge verheiratet. Bereits 1918 trennte sie sich von ihm, unterstützte ihn jedoch weiterhin durch die Beschaffung von Engagements in ihren Filmen. Klein-Rogge übernahm die Hauptrolle in dem Zweiteiler Dr. Mabuse, der Spieler (1921), zu dem Harbou das Drehbuch verfasste. Im August 1922 heiratete Harbou Fritz Lang, den Regisseur dieses Films, den sie 1919 durch ihre Drehbuchtätigkeit kennengelernt hatte, und schrieb von nun an alle seine Drehbücher bis zu dessen Emigration 1933. Als weitere, auch heute noch bekannte, gemeinsame Filmprojekte sind der Zweiteiler Die Nibelungen (1924) oder M – Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) zu nennen. Eingeschrieben in das kollektive Gedächtnis hat sich Thea von Harbou aber vor allem mit dem – trotz der sensationellen Wiederentdeckung eines Großteils bisher fehlender Szenen in Buenos Aires – Fragment bleibenden Metropolis, des ersten in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommenen Films, für den sie parallel zu ihrem gleichnamigen Roman das Drehbuch verfasste.

Die Arbeitsgemeinschaft Fritz Lang/Thea von Harbou hielt zwar bis zum Jahr 1933, die Ehe brach aber viel früher auseinander. Ein Auslöser für die Trennung war die Liaison von Fritz Lang mit der Schauspielerin Gerda Maurus. Zudem lernte Thea von Harbou beim Schnitt des Films Das Testament des Dr. Mabuse den Inder Ayi Tendulkar kennen, mit dem sie in den folgenden Jahren zusammenlebte. Die Scheidung von Lang und Harbou erfolgte im April 1933. Harbou versuchte sich 1933 und 1934 bei zwei Filmen als Regisseurin (Hanneles Himmelfahrt und Elisabeth und der Narr), kehrte jedoch zu ihrem eigentlichen Metier zurück. In der NS-Zeit war sie eine vielbeschäftigte Autorin. 1940 wurde sie NSDAP-Mitglied.[2] Nach kurzer Internierung 1945 im Zuge der Entnazifizierung war sie ab 1948 in Deutschland wieder für den Film im Bereich Synchronisation ausländischer Filme tätig.

Ihre Schriften Gold im Feuer (1916), Adrian Drost und sein Land (1937) und Aufblühender Lotos (1941) wurden in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[3]

Bei einer Wiederaufführung eines auf ihrem Drehbuch basierenden Filmes stürzte sie im Jahr 1954 beim Verlassen des Kinos unglücklich. An den Folgen des Sturzes starb sie am 1. Juli 1954 in Berlin. Sie wurde auf dem Friedhof Heerstraße beerdigt.

Werke (Auswahl)

Drehbücher

Romane

  • Die nach uns kommen (Ein Dorfroman). Stuttgart, Berlin 1910
  • Der Krieg und die Frauen. Stuttgart, Berlin 1913
  • Von Engeln und Teufelchen. Stuttgart 1913
  • Die Masken des Todes. Stuttgart, Berlin 1915
  • Der unsterbliche Acker. Ein Kriegsroman. Stuttgart, Berlin 1915
  • Die Flucht der Beate Hoyermann. Berlin 1916
  • Der belagerte Tempel. Berlin, Wien 1917
  • Adrian Drost und sein Land. Berlin, Wien 1918
  • Das indische Grabmal. Berlin u. Wien: Ullstein 1918
    • Das indische Grabmal. Frankfurt am Main: Fischer 1986. (= Bibliothek der phantastischen Abenteuer. Fischer Taschenbuch 2705)
  • Legenden. Berlin 1919
  • Die unheilige Dreifaltigkeit. Heilbronn 1920
  • Das Haus ohne Tür und Fenster. Berlin 1920
  • Das Nibelungenbuch. Mit 24 Bildtafeln aus dem Decla-Ufa-Film "Die Nibelungen". München: Drei-Masken-Verlag 1923
  • Die Insel der Unsterblichen. Berlin 1926
  • Metropolis. Berlin 1926
    • Metropolis. Roman. Hrsg. mit einem Nachwort von Herbert W. Franke. Frankfurt/M. u.a.: Ullstein 1984. (= Ozeanische Bibliothek; UTB 20447)
  • Mann zwischen Frauen. Novellen Leipzig 1927
  • Frau im Mond. Berlin 1928
    • Frau im Mond. Hrsg. von Rainer Eisfeld. München: Heyne 1989 (= Heyne SF 4676)
  • Spione. Berlin 1928
  • Liebesbriefe aus St. Florin. Leipzig 1935
  • Aufblühender Lotus. Berlin 1941
  • Gartenstraße 64. Berlin 1952

Literatur

  • Karin Bruns: Kinomythen 1920–1945. Die Filmentwürfe der Thea von Harbou. Metzler, Stuttgart und Weimar 1995, ISBN 3-476-01278-6.
  • Karin Bruns: Talking Film. Writing Skills and Film Aesthetics in the Work of Thea von Harbou. In: Christiane Schönfeld, Carmel Finnan (Hg.): Practicing Modernity. Female Creativity in the Weimar Republic. Würzburg: Königshausen & Neumann 2006; ISBN : 978-3-8260-3241-7, S. 139-152.
  • Ernst Gortner: Schattenmund. Die kinematographischen Visionen der Thea Gabriele von Harbou. In: Bernd Flessner (Hrsg.): Visionäre aus Franken. Sechs phantastische Biographien. Schmidt, Neustadt an der Aisch 2000; ISBN 3-87707-542-8, S. 65–99.
  • Andre Kagelmann: Der Krieg und die Frau. Thea von Harbous Erzählwerk zum Ersten Weltkrieg. Kassel: Media Net-Edition 2009. (zugl. Diss. Univ. zu Köln 2008.)ISBN 978-3-939988-04-5
  • Andre Kagelmann: Thea von Harbous Erzählung „Der stumme Teich“ aus dem Sammelband Deutsche Frauen. Bilder stillen Heldentums. Eine exemplarische Erzähltextanalyse. In: www.thea-von-harbou.de vom 21. September 2006.[1].
  • Reinhold Keiner: 'Lady Kitschener' und ihr Autor. Walter Reimanns Filmmanuskripte. In: Kinematograph 11/1997: Walter Reiman. Maler und Filmarchitekt. (Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt/ M.) S. 134-143.
  • Reinhold Keiner: Vergessene Drehbucharbeiten (1944): Das Leben geht weiter. In: http://thea-von-harbou.de v. 5. April 2007.
  • Reinhold Keiner: Thea von Harbou und der deutsche Film bis 1933. Hildesheim u.a. Olms 1984, ISBN 3-487-07467-2 (=Studien zur Filmgeschichte. Bd. 2).
  • Ernst Klee: Thea von Harbou. In: Derselbe: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5.
  • Anna Maria Sigmund: Thea von Harbou. Die Königin der NS-Drehbücher. 27. Dezember 1888–2. Juli 1954. In: Dieselbe: Die Frauen der Nazis. Die drei Bestseller vollständig aktualisiert in einem Band. Heyne, München 2005, ISBN 3-453-87317-3, S. 865–924.

Weblinks

 Commons: Thea von Harbou – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eintrag beim Munzinger-Archiv
  2. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 215–216.
  3. http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-h.html

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