Theater am Neumarkt

Theater am Neumarkt

Das Theater am Neumarkt Zürich ist ein Theater am gleichnamigen Platz in der Altstadt von Zürich und besteht seit 40 Jahren. Das kleine Ensembletheater hat insgesamt rund 40 Mitarbeiter und zeigt vorwiegend eigene Produktionen.
Sein flexibel nutzbarer Theatersaal bietet, je nach Raumsituation, bis zu 160 Zuschauern Platz. Eine kleine Nebenspielstätte, nach ihrer Lage Chorgasse genannt, verfügt über bis zu 40 Plätze.
Rechtsträger des Theaters ist die Theater am Neumarkt AG, die sich mehrheitlich im Besitz von Stadt und Kanton Zürich befindet.
Gemessen an seiner Grösse hat das Theater am Neumarkt eine überproportionale Ausstrahlung im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus.

Geschichte

Das an den Bilgeriturm angebaute Haus Neumarkt 5 in Zürich, in dem sich heute das Theater befindet, wurde 1742 von David Morf für die Zunft der Schumacher errichtet beziehungsweise umgebaut, die es aber nur etwa 50 Jahre als Gesellschaftshaus nutzte. Nach der Französischen Revolution wurde das Haus verkauft, beherbergte bis 1877 eine Töchterschule und ging 1888 in den Besitz des Deutschen Arbeiterbildungsvereins über, bis es unter dem Namen Eintracht Gewerkschaftslokal und Treffpunkt linker Gruppierungen wurde. Unter anderem hielt sich Wladimir I. Lenin, der während seines Zürcher Exils in der nahe gelegenen Spiegelgasse wohnte, immer wieder hier auf.

Im März 1921 wurde im ehemaligen Zunfthaus die Kommunistische Partei der Schweiz gegründet. 1933 kam das Haus in den Besitz der Stadt Zürich und wird seither als eine Art Mehrzweckgebäude genutzt. Heute befindet sich neben dem Theater auch ein Restaurantbetrieb in dem Gebäude, das zudem seit 1956 Sitz der Hottingerzunft ist; für Zunftanlässe muss der Theatersaal zweimal im Jahr geräumt werden.

In den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts kam Bewegung in die Zürcher Theaterszene. Das Interesse am Modernen, die Lust am Experimentieren war erwacht. 1965 wurde unter der Leitung der Verwaltungsabteilung des Zürcher Stadtpräsidenten im Zunfthaus der Hottinger ein Gastspielbetrieb für verschiedene Gruppen eingerichtet, am 12. Januar 1966 wurde das Theater am Neumarkt unter der künstlerischen Direktion von Felix Rellstab offiziell gegründet. Eröffnet wurde mit Das Gartenfest, dem Erstlingswerk des damals jungen tschechischen Autors und späteren Staatspräsidenten Václav Havel. Auf der Bühne agierten Siliva Mey, Nelly Rademacher, Irmgard Paulis, Martin Kempf, Mathias Gnädinger, Peter Oehme, Giovanni Früh, Hermann Brand, Paul Lohr und Meinhard Zanger. Unter Rellstabs Leitung wurde die Professionalität an der jungen Bühne ständig verbessert, Schweizer Autoren sowie Werke von Sławomir Mrożek, Harold Pinter, Samuel Beckett, Eugène Ionesco u.a. wurden aufgeführt. Ionesco inszenierte sogar selbst.

1971 trat Rellstab die Direktion an den jungen österreichischen Regisseur Horst Zankl ab. Die Einführung eines Selbst- und Mitbestimmungssystems, bei dem alle Mitarbeiter und Künstler des Theaters über den Spielplan und die Belange des Theaters abstimmen durften, war zu dieser Zeit revolutionär und machte das Haus im ganzen deutschsprachigen Raum bekannt. Zankl eröffnete seine Saison mit Peter Handkes Ritt über den Bodensee und brachte Fleisser, Kroetz, Valentin, Horváth, Walser und Weiss auf die Bühne.

Im Herbst 1975 übernahm Luis Bolliger die Neumarkt-Direktion. Obwohl mit Nestroys Nachwandlern ein guter Start gelang, machte das Theater in der Folgezeit weniger durch künstlerische Ergebnisse als durch Zerwürfnisse innerhalb des Ensembles von sich reden. Unter Bolliger gab es zwölf Schweizer Erstaufführungen und Uraufführungen.

Von 1979 bis 1983 leitete Helmut Palitsch das Theater. Sein Programm reichte von Brecht, Beckett, Horváth über Brasch zu Ulrike Meinhofs Stück Bambule. Zwischen 1983 und 1988 vermochte Peter Schweiger dem etwas konturlosen Theater wieder ein Gesicht zu geben. Autoren aus der Schweiz, aus der DDR sowie Klassiker der Moderne prägten seine Spielpläne. Besonders erfolgreich war Schweigers Idee, Sonntagsmatineen zu laufenden Produktionen sowie zu aktuellem tagespolitischem Geschehen zu veranstalten.

Gegen Ende von Schweigers Direktionszeit wurden in Zürich verschiedene andere Theater gegründet, die ein im Vergleich zum etablierten Schauspielhaus ähnlich alternatives Programm wie das Theater am Neumarkt bieten wollten, zum Beispiel die Gessnerallee oder die Rote Fabrik. Unter diesen veränderten Umständen trat 1989 die deutsche Regisseurin Gudrun Orsky ihre Direktionszeit an. Sie eröffnete programmatisch mit Clara S. von Elfriede Jelinek und führte das Haus zum Erfolg.

Im Jahr 1993 übernahmen dann Volker Hesse und Stephan Müller das Haus. Schliessungsdrohungen zum Trotz brachten sie die Neumarktbühne mit Erfolgsproduktionen wie Top Dogs von Urs Widmer oder Die Wahlverwandtschaften von Goethe zu internationalem Erfolg.

Ab der Spielzeit 1999/2000 leiteten Crescentia Dünßer und Otto Kukla das Theater am Neumarkt. Nebst einem jungen Ensemble setzte die Direktion Dünßer/Kukla auf junge Regisseure und junge Autoren. Aufsehen erregte die Einladungen der Produktionen Memory und Steinasche nach Teheran und die Aufführung von "Stabat Mater/Unscheinbare Veränderungen" in Moskau und in St. Petersburg.

Mit der Spielzeit 2004/05 übernahm Wolfgang Reiter, davor Chefdramaturg des Festivals steirischer herbst, das Haus. Auch unter seiner Leitung ist das Theater am Neumarkt dem Ensemblegedanken verpflichtet, nimmt aber auch in besonderer Weise die von der Stadt Zürich festgelegte Ausrichtung des Theaters am Neumarkt als Ort für künstlerische Experimente ernst. Neben der Pflege zeitgenössischer Dramatik setzt Reiter auf die Öffnung des Sprechtheaters für neue, insbesondere vom Musik- und Tanztheater inspirierte Formen.

Herausragende Inszenierungen unter der Leitung von Reiter waren: u.a. junk space von Kathrin Röggla (Regie: Tina Lanik, 2004, Uraufführung), Morton, Morton, Morton von Joachim Schlömer (2004, Uraufführung), Zürich 1917 von Bräm/Schwarz (Regie: Samuel Schwarz, 2005, Uraufführung), TRIKE von Christine Gaigg/Bernhard Lang (2005, Uraufführung), Wandernutten von Theresia Walser (Regie: Sandra Strunz, 2005, Schweizer Erstaufführung), Hotel Disparu von Rebekka Kricheldorf (Regie: Ingo Kerkhof, Erich Sidler, 2006, Uraufführung), Der rote Ursprung von Valère Novarina (Regie: Leopold von Verschuer, 2007, Deutschsprachige Erstaufführung).

Leitung

Weblinks

47.37258.54583333333337Koordinaten: 47° 22′ 21″ N, 8° 32′ 45″ O; CH1903: (683623 / 247441)


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