Bantuistik

Bantuistik

Afrikanistik ist die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit der Erforschung afrikanischer Sprachen und Kulturen beschäftigt. Im deutschsprachigen Raum war sie lange Zeit auf die wissenschaftliche Erforschung von Sprachen und Literaturen in Afrika beschränkt. Am Zentrum für Afrikastudien in Basel wird seit dem Wintersemester 2002/03 der interdisziplinäre Studiengang African Studies angeboten. Die African Studies in den USA sind als Teil der area studies eher sozialwissenschaftlich geprägt.

Siehe auch die ausführliche Geschichte der Klassifikation der afrikanischen Sprachen im Artikel Afrikanische Sprachen.

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Die europäische Afrikanistik beginnt mit den Missionssprachwissenschaften, an deren Anfang die Kikongo-Grammatik des Italieners Brusciotto steht. Fast gleichzeitig erschien das Wörterbuch zum Kenzi-Dialekt von Carradori da Pistoia. Etwas später folgte die Grammatik der Ge'ez-Sprache von Hiob Ludolf, der damit die Äthiopistik begründete.

Im 19. Jahrhundert fanden die großen Entdeckungsreisen in das Innere Afrikas statt. Zu den bekannten Afrikaforschern gehören Mungo Park, David Livingstone, Heinrich Barth, Adolf Overweg, Gustav Nachtigal und Georg Schweinfurth. Zur gleichen Zeit befassten sich Missionare mit den afrikanischen Sprachen. Beispielhaft sind hier Sigismund Koelle, Johann Gottlieb Christaller und Johann Ludwig Krapf zu nennen. Ein Sprachwissenschaftler, der sogar über die Bantu-Sprachen promoviert hatte, wie Wilhelm Heinrich Immanuel Bleek, war angesichts des akademischen Desintersses an afrikanischen Sprachen gezwungen, nach Kapstadt auszuwandern und seine Forschungen dort als Bibliothekar fortzusetzen. Auch die umfangreichen sprachwissenschaftlichen Forschungen von Heinrich Barth fanden erst im 20. Jahrhundert die gebührende Anerkennung.

Deutsche Afrikanistik

Es waren aber in erster Linie Carl Meinhof und Diedrich Westermann, die mit ihren Arbeiten zu den Bantu- und Sudan-Sprachen das Bild der deutschen Afrikanistik prägten. Die beiden Theologen waren auch die ersten Professoren für Afrikanistik in Hamburg und Berlin (Seminar für Orientalische Sprachen). In Wien wirkte zur gleichen Zeit der Ägyptologe und Afrikanist Wilhelm Czermak. Beeinflusst von der Ideologie des deutschen Kolonialismus widmeten sie sich auch der Entwicklung scheinwissenschaftlicher Theorien, vor allem der Hamitentheorie, die die Hegemonieansprüche von den Kolonialherren auserwählter Herrenvölker untermauerte, wenn deren Sprache über bestimmte Merkmale (z.B. ein Nominalklassensystem) verfügte.

Andere Wissenschaftler wie August Klingenheben, Johannes Lukas und insbesondere Ernst Dammann kamen erst nach ihnen zum Zug.

Heute ist die Afrikanistik ein typisches Orchideenfach, das in Deutschland an sieben Hochschulstandorten mit insgesamt 14 Lehrstühlen vertreten ist.

Die schon aus Anfangszeiten der deutschen Afrikanistik bestehende Zweiteilung - ursprünglich nicht mehr als die jeweils unterschiedlichen Forschungsansätze von Meinhof und Westermann - lässt sich in Westdeutschland bis heute als inhaltliche Strömung beobachten.

Während die Schüler Meinhofs (im wesentlichen Akademiker aus dem Institut in Hamburg) sich mit Fragestellungen wie Sprachklassifikation und Nominalklassen auseinandersetzen, interessieren sich die Westermann-Schüler (die in der Nachkriegszeit vor allem aus dem Kölner Institut kamen) mehr für die afrikanischen Sprachen in einem folkloristischen oder kulturgeographischen Zusammenhang, wobei festzustellen ist, dass in dieser Strömung die ideologische Orthodoxie zwar erkennbar, aber nicht so stark ausgeprägt und stärker rückläufig ist, als im anderen Lager.

Zeitgenössische vertreter der Meinhof-Schule sind Herrmann Jungraithmayr, Wilhelm Möhlig, Ludwig Gerhardt, Gudrun Miehe, Dymitr Ibriszimov und Anne Storch.

Schüler Westermanns sind Oswin Köhler, Bernd Heine, Franz Rottland, Mechthild Reh, Rainer Voßen und Raimund Kastenholz.

Die ostdeutsche Afrikanistik (mit den Standorten Berlin und Leipzig) hat sich hiervon unbeeinflusst entwickelt, wobei deren Geschichte noch aufzuarbeiten ist.

Afrikanistik außerhalb Deutschlands

Österreich

Die Afrikanistik an der Universität Wien hat eine lange Tradition, die mit Leo Reinisch begann. Ab 1873 wurden afrikanistische Vorlesungen zu den Themen „Philologie, Alterthumskunde und Linguistik“ angeboten. 1923 wurde ein eigenes Institut für Afrikanistik und Ägyptologie eingerichtet. Mit der Habilitation von Hans G. Mukarovski im Bereich der afrikanischen Sprachwissenschaft im Jahr 1963 und der Einrichtung eines Lehrstuhls für Afrikanistik 1977 wurde das Institut für Afrikanistik im Jahr 1978 von der Ägyptologie unabhängig. Die Afrikanistik in Wien beschäftigt sich mit vier Aspekten der Afrikawissenschaften: Geschichts-, Literatur-, Sprachwissenschaft sowie Sprachvermittlung.

Charakteristisch ist die Einbeziehung Nordafrikas inkl. der Altertumskunde dieses Raumes v. a. der Meroitistik durch Inge Hofmann und der Berberologie. Heute wird dieser Bereich durch Gerhard Böhm und Michael Zach vertreten.

Außer in Österreich entwickelte sich die Afrikanistik in anderen Ländern erst nach und nach. Hier wären vor allem Clement M. Doke (Südafrika), Ernest Renan (Frankreich) und Malcolm Guthrie (Großbritannien) zu nennen.

Der für die Afrikanistik mit Abstand bedeutendste Linguist der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist der Amerikaner Joseph Greenberg. Er hat die Klassifikation der afrikanischen Sprachen von Grund auf revolutioniert, indem er sie in vier Sprachfamilien einteilte: Afroasiatisch, Nilosaharanisch, Niger-Kongo und Khoisan. Während die Khoisan-Gruppe heute eher als ein Sprachbund betrachtet wird, ist die genetische Einteilung der drei anderen Gruppierungen heute weitgehend akzeptiert. Dazu ausführlich die Artikel Afrikanische Sprachen und Joseph Greenberg.

Sachgebiete zu diesem Thema

Literatur

Siehe die chronologisch geordnete Literatur zum Artikel Afrikanische Sprachen.

  • Hilke Meyer-Bahlburg, Ekkehard Wolff: Afrikanische Sprachen in Forschung und Lehre. 75 Jahre Afrikanistik in Hamburg (1909-1984)., Dietrich Reimer, Berlin/Hamburg, 1986, ISBN 3-496-00828-8
  • Herrmann Jungraithmayr, Wilhelm J.G. Möhlig (Hrsg.): Lexikon der Afrikanistik. Dietrich Reimer, Berlin 1983, ISBN 3-496-00146-1 (linguistisch weitgehend veraltet, historisch und biographisch brauchbar)
  • Holger Stoecker: Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes. Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2008, ISBN 978-3-515-09161-9 (Rezension von F. Brahm)

Weblinks


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