Tiefdruckgebiet

Tiefdruckgebiet
Tiefdruckgebiet an der Südwestküste von Island (Islandtief)

Ein Tiefdruckgebiet (kurz das Tief, Mehrzahl Tiefs, auch die Störung) ist ein Gebiet mit niedrigerem Luftdruck gegenüber dessen großräumiger Umgebung. Ihm steht begrifflich das Hochdruckgebiet gegenüber. Der typische Druckunterschied beträgt ca. 10 hPa, es kommen aber auch weit größere Druckunterschiede vor. Von einem Tiefdruckgebiet spricht man nur dann, wenn ein Kern ausgemacht werden kann, von dem aus gesehen der Druck in jede Richtung außer der Höhe zunimmt. Sonst ist die Rede von einem Tiefdruckgraben oder Hochdruckwall. Unterschieden werden thermische Tiefdruckgebiete und dynamische Tiefdruckgebiete (Zyklonen).

Inhaltsverzeichnis

Typen von Tiefs

Thermisches Tief: Bodentief, Höhentief

Ein thermisches Tiefdruckgebiet bildet sich durch Unterschiede in der Luftdichte, die durch Erwärmung (Sonneneinstrahlung) oder durch Abkühlung hervorgerufen werden. Je nach betroffener Luftschicht unterscheidet man zwischen Bodentief und Höhentief.

Ein Bodentief entsteht, wenn die Dichte der Luft in Bodennähe durch Erwärmung (Sonneneinstrahlung) abnimmt. Die erwärmte Luft löst sich vom Boden und steigt auf (Thermik), was zu einem Druckabfall in Bodennähe führt (in höheren Schichten steigt der Luftdruck durch die zuströmende Warmluft dagegen leicht an). Der Druckabfall in Bodennähe führt zu einem großräumigen Zuströmen fremder Luft (Winde).

Ein Höhentief[1][2] entsteht, wenn kalte Luft aus großer Höhe absinkt, was den Luftdruck in den höheren Schichten der Luft vermindert. Am Boden nimmt der Luftdruck dagegen leicht zu. Das Höhentief liegt auf einem Niveau von 5 km, und zeichnet sich durch − im Vergleich zur Umgebung − niedrige Temperaturen aus. Es handelt sich meist um gealterte Systeme, in Form von Abschnürungen (Cut-Offs)[3] oder Kaltlufttropfen[4] aus Höhentrögen[5], mit Bildung von hochreichenden Konvektionswolken. Auf der Höhenwetterkarte (z. B. 500 hPa-Topographie) zeichnet sich das Höhentief durch einige abgeschlossene Isobaren ab, auf der Bodenwetterkarte ist es kaum erkennbar.[6]
Für Europa ist das Höhentief im Besonderen für den Mittelmeerraum im Herbst von Bedeutung.

Dynamisches Tief (Zyklone)

Dynamische Tiefdruckgebiete (auch Zyklone, plural Zyklonen, genannt) liegen vor, wenn die Luftströmung in tiefen Schichten der Atmosphäre konvergiert und in der Höhe wieder divergiert, wobei die Luft im Zentrum des Tiefs gehoben wird. Bei der Divergenz der Luftströmung verliert die Luft an Geschwindigkeit indem sie wieder mehr Raum in der Höhe einnehmen kann und es kommt zu einem Defizit oder Druckabfall in der Höhe. So entsteht eine Sogwirkung in der Höhe, welche Luft vom Boden in die Höhe saugt. Daraus resultiert ein Luftmassendefizit am Boden, also ein Druckabfall oder auch Tiefdruck. Durch die Corioliskraft erfährt die aufsteigende Luft eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn auf der Nordhalbkugel, mit dem Uhrzeigersinn auf der Südhalbkugel.

Strömungen in Tiefdruckgebieten

Anstatt von allen Seiten radial auf das Tiefdruckgebiet zuzuströmen, rotiert die zuströmende Luft um eine vertikale Achse ins Tiefdruckgebiet hinein. Dies ist durch die Erdrotation und die Kugelform der Erde bedingt (Corioliskraft). Auf der Nordhalbkugel der Erde wird eine sich bewegende Luftmasse durch den Corioliseffekt in Bewegungsrichtung nach rechts abgelenkt, was sich zur Ablenkung in Richtung des größten Druckgefälles addiert. Daher rotieren zuströmende Winde (von oben betrachtet) entgegen dem Uhrzeigersinn (siehe Bild) – also im mathematisch positiven Drehsinn. Tiefdruckgebiete werden daher auch Zyklone genannt. Winde, die aus einem Hochdruckgebiet abströmen, werden ebenfalls nach rechts abgelenkt. Sie rotieren daher im Uhrzeigersinn (Antizyklone). Die Corioliskraft ist am Äquator weniger stark ausgeprägt und nimmt zu den Polen hin stark zu.

Auf globaler Skala verlaufen Höhenwinde aufgrund der Corioliskraft in etwa entgegengesetzt zu den Bodenwinden, denn im Rahmen der Planetarischen Zirkulation strömt warme Luft aus den Tropen in Richtung der Pole. Aufgrund der Corioliskraft wird sie dabei in östlicher Richtung abgelenkt, so dass in der Höhe starke westliche Winde (Jetstream) vorherrschen. Die am Boden zurückströmende polare Kaltluft wird durch die Corioliskraft in westliche Richtung abgelenkt (polarer Ostwind).

Auf regionaler Skala bilden sich thermische Tiefdruckgebiete auch über warmen Wasserflächen, über denen feuchte warme Luft aufsteigt und sich dabei abkühlt. Es entstehen die mit heftigen Regenfällen einhergehenden tropischen Wirbelstürme, wobei man bei einer geringen Ausprägung auch von einem tropischen Tief spricht. Bei hoher Windgeschwindigkeit (ab Windstärke 12) können die Stürme schwere Verwüstungen anrichten. Je nach Kontinent spricht man dann von Hurrikanen oder Taifunen.

Dynamische Tiefdruckgebiete sind unter anderem für die polaren Ostwinde (Polarwirbel) und äquatorialen Passatwinde (Innertropische Konvergenzzone) verantwortlich.

Tiefdruckwirbel

Ein Tiefdruckwirbel wird dadurch bedingt, dass die in den mittleren Breiten entgegengesetzten Winde nicht in laminarer (wirbelfrei fließender) Strömung aneinander abgleiten, sondern in turbulenter Strömung Wirbel bilden (siehe auch Rossby-Welle). Diese Wirbel haben ihrer Natur gemäß eine eher vertikale Wirbelachse, so dass die Winde am Boden und in der Höhe in nahezu die gleiche Richtung wehen. Ein für Europa typischer Tiefdruckwirbel ist das Islandtief.

Aufbau einer klassischen außertropischen Tiefdruckzone

Wenn kalte und warme Luft aus je einem Hochdruckgebiet gemeinsam in ein Tiefdruckgebiet (meist einen Tiefdruckwirbel) einströmen, bilden sich Fronten. Neben diesen Fronten gibt es für verschiedene Bereiche eines Tiefdruckgebiets besondere Bezeichnungen.

Vorder- und Rückseite

Aufgrund der in den mittleren Breiten insgesamt vorherrschenden westlichen Winde bewegen sich Tiefdruckgebiete von Westen nach Osten. Daher bezeichnet man die somit an einem bestimmten Ort im Regelfall früher eintreffende Ostseite des Tiefs auch als Vorderseite, die Westseite als Rückseite.

Warmfront

Warmfront

An der Vorderseite des Tiefs gleitet warme, und damit relativ leichte Luft auf die vor ihr liegende kältere, schwerere Luft auf, und wird dabei gehoben. Es entsteht eine Warmfront. Die aufgleitende Luft kühlt sich dabei adiabatisch ab, es kommt zur Kondensation und es bilden sich zuerst Eiskristallwolken (Cirrus) und dann Schichtwolken (Stratus, Nimbostratus), aus denen es anhaltend regnen kann. Weil die abgekühlte Luft sich zu der kalten Luft an der Vorderseite des Tiefs zuschlägt, wandert die Warmfront (im mit dem Tief rotierenden Bezugssystem) zunehmend in Richtung der Rückseite des Tiefs. Durch die insgesamt entgegen den Uhrzeigersinn gerichtete Rotation (auf der Nordhalbkugel) des Tiefdruckgebietes entsteht der Eindruck, als ob die Warmfront sich langsam an der Vorderseite des Tiefs einrollt.

Kaltfront

Kaltfront

Bei einer Kaltfront schiebt sich kalte Luft unter die warme Luft, die sich dabei adiabatisch abkühlt. Dabei regnet es. Weil hier die abgekühlte Luft sich zur Kaltluft auf der Rückseite des Tiefs zuschlägt, wandert die Kaltfront (im mit dem Tief rotierenden Bezugssystem) zunehmend in Richtung der Vorderseite des Tiefs. Durch die insgesamt entgegen den Uhrzeigersinn gerichtete Rotation des Tiefdruckgebiets entsteht der Eindruck, als ob die Kaltfront sich schnell an der Vorderseite des Tiefs einrollt.
Die Kaltfront ist gekennzeichnet durch konvektive Bewölkung, auch bekannt als Quellwolken (Cumulus, Cumulonimbus). Es kommt zu Schauern, auch Gewitter können folgen.

Warmsektor

Zwischen der Kalt- und Warmfront befindet sich der Warmsektor. Oft lösen sich Wolken in diesem Bereich auf und es fällt kein Niederschlag. Die Luft ist jedoch auch häufig feucht- warm und labil geschichtet, so dass sich Schauer und Gewitter bilden können. Da die Kaltfront in der Regel schneller als die Warmfront vorstößt, wird der Warmsektor allmählich schmaler.

Okklusion

Als Okklusion bezeichnet man die Vereinigung einer Kalt- und Warmfront. Dabei wird warme Luft vom Boden abgehoben und es entstehen Verwirbelungen.
Zur Bildung einer Okklusion kommt es im Regelfall dadurch, dass infolge der unterschiedlichen Rotationsbewegungen in einem Tief die Kaltfront nach einigen Tagen die Warmfront einholt.

Wetterablauf beim Durchzug einer außertropischen Zyklone

Mit ihrer Unbeständigkeit beeinflussen die Zyklonen weitgehend den Wetterablauf in Mitteleuropa. Schon lange vor dem Ankommen der Warmfront ist das Annähern einer Zyklone zu sehen. Mit dem zögernden Aufgleiten der leichteren Warmluft über eine schwerere vorausgegangene Kaltluft ist Advektionsbewölkung verbunden. Hakenförmig aufgebogene Schleierwolken (Cirren) sind die Vorläufer einer nahenden Warmfront. Sie dichten sich zunächst zu hohen, später mächtigen und tieferen Schichtwolken (Stratus) ab, aus denen zunehmend ergiebiger und lang dauernder Nieselregen, so genannter Landregen fällt, wenn die Kaltluft ortsfest bleibt. Das Aufhören der Aufgleitbewegung nach dem Durchzug der Warmfront führt erst einmal zum Aussetzen der Kondensation, und es kann zum Auflösen der Wolkendecke kommen. Warmluft aus südlicher Richtung fließt in den Warmsektor ein und steigt in große Höhen auf, wo es wieder zur Wolkenbildung und evtl. zu örtlichem schauerartigen Niederschlag kommen kann. Der Warmsektor führt zu den höchsten Temperaturen des Zyklonendurchganges.

Die folgende Kaltfront ist deutlich durch einen Temperaturrückgang um einige Grad zu spüren. Die durch die Kaltluft nach oben verdrängte Warmluft kühlt sich schnell ab. Es entstehen hoch reichende Konvektionswolken (Cumulus). Starke Schauerregen mit großen Tropfen und teilweise Hagelbildung sind die Folge. Mehrfach kommt es auch zu Gewittern. Nach dem Durchzug der Kaltfront hat man eine hervorragende Fernsicht aufgrund der klaren Luft. Das Rückseitenwetter nach einem Zyklonendurchgang hängt davon ab, ob weitere Zyklonen folgen. Oft hören die Niederschläge nach dem Durchzug der Kaltfront wieder auf.

Namensvergabe für Europa

Seit 1954 vergibt das Meteorologische Institut der Freien Universität Berlin Namen für Tief- und Hochdruckgebiete, die das Wetter in Europa beeinflussen. Diese Praxis ging auf einen Vorschlag der damaligen Studentin Karla Wege zurück, die später Meteorologin im ZDF wurde.[7]

Außerhalb Deutschlands werden diese Namen jedoch nicht offiziell verwendet, wenn auch z.B. in Österreich der mediale Gebrauch zunimmt. Dazu eine persönliche Kommunikation aus der ZAMG in Wien:

„Die offizielle Vorgehensweise der ZAMG ist, die Namen, die die FU Berlin vergibt[, ...] nicht prinzipiell zu übernehmen, weil die Öffentlichkeit in Österreich damit nichts anfangen kann. Wenn ein Name aber bereits durch die Medien geht und auch in Österreich bekannt geworden ist (wie z.B. Sturmtief Kyrill, Emma,...), dann kann der Name auch von unseren Meteorologen verwendet werden.“

Quelle: ZAMG, persönliche Kommunikation an dapeda, 15. September 2008

Zunächst wurden den jährlich etwa 50 bis 60 Hochdruckgebieten stets männliche Vornamen gegeben, den etwa 150 Tiefdruckgebieten weibliche,[7] wobei die jeweiligen Anfangsbuchstaben der Reihenfolge des Alphabets entsprachen.

Da Hochdruckgebiete meist gutes Wetter mit sich bringen und Tiefdruckgebiete schlechtes, führte dies zu Protesten von Frauenverbänden, infolge derer ab 1998 die Namensvergabe in jährlich wechselndem Turnus erfolgt: In geraden Jahren erhalten die Tiefdruckgebiete weibliche und die Hochdruckgebiete männliche Vornamen, in ungeraden Jahren ist dies umgekehrt.

Mit der Ende 2002 ins Leben gerufenen „Aktion Wetterpate“ kann man eine Namenspatenschaft für Druckgebilde gegen Bezahlung übernehmen. Der Pate kann dann den Namen bestimmen, auf den das Tief oder Hoch von der Universität getauft werden soll und erhält ausführliches Material wie Wetterkarten, Urkunden und die „Lebensgeschichte“ des Druckgebildes. Das Geld kommt der studentischen Wetterbeobachtung am Institut zugute.[8]

Sonstiges

Vielfach werden die Bezeichnungen für ein Tiefdruckgebiet (die Zyklone, Pl. die Zyklonen) und einen tropischen Wirbelsturm des Indischen Ozeans (der Zyklon, Pl. die Zyklone) verwechselt.

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Tiefdruckgebiet – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Tiefdruckgebiet – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Quellen

Seydlitz: Geographie 11. ISBN 3-507-52325-6
  1. Höhentief. In: AgrarMeteorologie, Wetterlexikon, Dienstleistungszentren Ländlicher Raum, Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Rheinland Pfalz (Hrsg.)
  2. Höhentief. In: Lexikon, meteoschweiz.
  3. Cut-off Zyklone. In: AgrarMeteorologie, Wetterlexikon.
  4. Kaltlufttropfen. In: AgrarMeteorologie, Wetterlexikon.
  5. Höhentrog. In: Wetterlexikon, DWD.
  6. vergl. z. B. Tief Quinton Juni 2009: Prognose 20090628, DWD, met.fu-berlin.de – an diesem Tag schwere Niederschläge im Ostalpen–Karpaten-Raum
  7. a b tagesschau.de vom 18. Januar 2007 (nicht mehr online verfügbar)
  8. Offizielle Website zur Wetterpatenschaft

Weblinks


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