Tilman Fichter

Tilman Fichter

Tilman P. Fichter (* 1. August 1937 in Berlin-Wilmersdorf) ist ein deutscher Politikwissenschaftler. Er war von 1986 bis 2001 Referent für Schulung und Bildung im SPD-Parteivorstand. Im Sommer 1992 geriet er in den Reihen der Jusos in die Kritik, nachdem er zusammen mit dem Leipziger Juso-Vorsitzenden und Junge-Freiheit-Autor Sascha Jung ein Seminar für die Leipziger Jusos über die „Hofgeismarer Jungsozialisten“ während der Weimarer Republik veranstaltet hatte.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Fichter besuchte nach der Mittleren Reife 1953/54 die Hamburger Seemannsschule und arbeitete danach als Schiffsjunge. Nach einer Lehre bei einer Versicherungsfirma schloss sich von 1959 bis 1961 eine Tätigkeit bei einer Londoner Rückversicherung an. Sein Abitur machte er 1964 auf dem Zweiten Bildungsweg und studierte danach Politische Wissenschaft und Soziologie an der Freien Universität Berlin. Von 1963 bis 1970 war er Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und zeitweise dessen Landesvorsitzender in Berlin.[2] Von 1971 bis 1981 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stammer-Institut für sozialwissenschaftliche Forschung der FU Berlin. 1986 promovierte er zum Dr. rer.pol. über das Verhältnis der deutschen Sozialdemokratie zur bürgerlich-linken Intelligenz. Fichter ist seit 1996 Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland.

Seit 1982 Mitglied der SPD, in deren Parteivorstand er von 1986 bis 2001 als Referent für Schulung und Bildung tätig war. 1992 wurde er aus Kreisen seiner Partei, aber auch von dritter Seite kritisiert, nachdem er zusammen mit dem Leipziger Juso-Vorsitzenden und Junge-Freiheit-Autor Sascha Jung in eine parteiinterne Debatte über die Jugendpolitik der SPD eingetreten war.

Fichters jüngerer Bruder Albert Fichter war Ende der 1960er Jahre Mitglied der Untergrundorganisation Tupamaros West-Berlin. Tilman Fichter verhalf ihm 1970 zur Flucht nach Schweden, als Albert irrtümlich auf einem RAF-Fahndungsplakat dargestellt und polizeilich gesucht wurde. Zu diesem Zeitpunkt wusste Fichter noch nicht, dass sein Bruder 1969 an einem fehlgeschlagenen Terroranschlag der Tupamaros auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin beteiligt gewesen war.[3]

Veröffentlichungen

  • mit Siegward Lönnendonker: Dutschkes Deutschland. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund, die nationale Frage und die DDR-Kritik von links. Klartext, 1. und 2. Auflage, Essen 2011, ISBN 978-3-8375-0481-1.
  • mit Siegward Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS: Der Sozialistische Deutsche Studentenbund von 1946 bis zur Selbstauflösung. Rotbuch, Berlin 1979 (4. Auflage mit Bildteil: Tilman P. Fichter, Siegward Lönnendonker und Wolfgang Kraushaar: Kleine Geschichte des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes von Helmut Schmidt bis Rudi Dutschke. Klartext, Essen 2007, ISBN )
  • mit Siegward Lönnendonker: Berlin: Hauptstadt der Revolte. 1980.
  • mit Jochen Boberg und Eckhart Gillen (Hrsg.): Exerzierfeld der Moderne – Industriekultur in Berlin im 19. Jahrhundert. Beck, München 1984, ISBN 3406302017.
  • SDS und SPD: Parteilichkeit jenseits der Partei. Westdeutscher Verlag, Opladen 1988.
  • Die SPD und die Nation. Ullstein, 1993, ISBN 3550071868.
  • Der Freund: Für Peter Glotz. In: Ästhetik & Kommunikation. H. 131, 36. Jg, 2005, ISSN 0341-7212, S. 5–9.
  • Meine Uni war der SDS. In: Ästhetik & Kommunikation. H. 140/141, 39. Jg. 2008, ISSN 0341-7212, S. 17–26.
  • Berlin und Deutschland. Hauptstadt der bösen Deutschen? In: Ästhetik & Kommunikation. H. 137, 38. Jg., 2007, ISSN 0341-7212, S. 101–112.
  • mit Siegward Lönnendonker: Dutschkes Deutschland. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund, die nationale Frage und die DDR-Kritik von links. Klartext, Essen 2011 (ISBN 978-3-8375-0481-1).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Tilman Fichter: "Fascho-Jusos" in Sachsen? In: Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, H. 8, 1993, S. 691 f.
  2. Tilman P. Fichter: Meine Uni war der SDS. In: Ästhetik & Kommunikation, H. 140/141, 39. Jg., 2008, S. 17–26
  3. Philipp Gessler und Stefan Reinecke: „Wir haben das nicht ernst genommen“ – Interview mit Tilman Fichter. In: taz, 25. Oktober 2005, S. 15–17

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