Titularbistum

Titularbistum

Ein Titularbischof ist in der römisch-katholischen Kirche ein Bischof, der keine eigene Diözese (Bistum) leitet, sondern pro forma auf den Namen einer nicht mehr existierenden Diözese geweiht ist. Analog dazu ist ein Titularerzbischof auf den Namen einer erloschenen Erzdiözese geweiht.

Inhaltsverzeichnis

Funktion

Ein Bischof der römisch-katholischen Kirche ist entweder Diözesanbischof oder Titularbischof (Can. 376 CIC). Titularbischöfe werden auf dem Namen nicht mehr existenter (untergegangener) Diözesen ernannt. Je nach Aufgabe werden Titularbischöfe (meist Weihbischöfe) oder Titularerzbischöfe (meist Apostolische Nuntien oder Kurienbischöfe) unterschieden. Ein Titularbischof (bzw. Titularerzbischof) hat keine Jurisdiktion über eine Diözese; der Titel auf eine erloschene Diözese drückt die Gleichrangigkeit aller Bischöfe aus. Ein Titularbischof hat also denselben Rang wie ein Diözesanbischof. Sie können an allgemeinen Konzilien der Kirche teilnehmen und sind für gewöhnlich auch stimmberechtigte Mitglieder der örtlichen Bischofskonferenzen.

Die Ranggleichheit bedeutet keine Gleichheit der Leitungsgewalt (Lehr- und Rechtsvollmacht). Ein Weihbischof ist einem Diözesanbischof untergeordnet. Beide können jedoch dieselben Weihehandlungen eines Bischofs ausführen. Die Stellung des Weihbischofs wurde vor dem 2. Vatikanischen Konzil besonders dadurch verdeutlicht, dass er stets nur einen Gaststatus im Bistum hatte und wie der Bischof einer anderen Diözese behandelt wurde.

Zum Großteil waren diese erloschenen Diözesen durch die Ausbreitung des Islam in Nordafrika, Kleinasien und Vorderasien und nach der Trennung zwischen Ostkirche und der römischen Westkirche untergegangen. Wegen ihrer Eroberung durch Andersgläubige wurden diese untergegangenen Diözesen von der römischen Kurie auch als in partibus infidelium (Abk.: i. p. i.), d. h. im Gebiet der Ungläubigen, oder kürzer in partibus (Abk.: i. p.) bezeichnet. Erst als durch die Orientmission des späten 19. Jahrhunderts auch in diesen Gebieten wieder Katholiken lebten, wurde diese Bezeichnung allmählich von der heute gebräuchlichen Bezeichnung „Titularbistum“ abgelöst, war jedoch vielfach noch bis weit ins 20. Jahrhundert üblich. Die römisch-katholische Kirche kennt etwa 2.000 Titularbistümer. Diese sind jedoch nicht alle vergeben.

Auch die Orthodoxe Kirche kennt Titularbischöfe. Diese Titel werden aus ökumenischer Rücksicht unter anderem an Bischöfe vergeben, die in der westeuropäischen Diaspora tätig sind; denn die Orthodoxen Kirchen weihen im allgemeinen niemanden zum Bischof einer Stadt, die zur Zeit der Kirchenspaltung katholisch war. In Übersee (vor allem in Nordamerika) werden dagegen heute meist die Namen der tatsächlichen Bischofssitze verwendet, auch wenn es dort bereits römisch-katholische Bischöfe geben sollte. Das Amt des Weihbischofs spielt in den Ostkirchen keine wesentliche Rolle, vor allem da die Firmung dort auch von Priestern gespendet werden darf und Verwaltungsposten öfter mit Laien besetzt werden, womit zwei wesentliche Aufgabenbereiche westlicher Weihbischöfe entfallen.

Historische Entwicklung

In der römisch-katholischen Kirche kann man nur Bischof werden, wenn man der Vorsteher einer Diözese ist (sogen. Prinzip der relativen Ordination). Im Mittelalter mussten viele Bischöfe aus ihren Diözesen, vor allem Kleinasiens, des Nahen Ostens und Nordafrikas fliehen, da diese durch die Eroberungszüge der Muslime in die Hände von Andersgläubigen gefallen waren. Die europäischen Bischöfe nahmen diese Exilbischöfe auf und nutzten deren Weihevollmachten und übertrugen ihnen vertretungshalber bischöfliche Funktionen in ihren Diözesen. Wenig später begann man, da man auf diese Unterstützung in der bischöflichen Amtsführung nicht mehr verzichten wollte, Bischöfe auf diese nicht mehr existenten Diözesen zu weihen. Dies wurde oft auch (insbes. in Iberien) als eine Art Anspruchstitel angesehen, der anzeigen sollte, dass die – wenn auch kaum realistisch erscheinende – Hoffnung auf eine Re-Christianisierung dieser Länder nicht aufgegeben wurde.

Lagen diese Titularbistümer bis Mitte des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich in Nordafrika, Vorderasien oder Südosteuropa, so hat man in den vergangenen Jahrzehnten auch untergegangene Bistümer aus anderen Teilen Europas (insbesondere Italiens und der Iberischen Halbinsel) und Amerikas unter die Titularbistümer aufgenommen.

Waren die Titularbischöfe zunächst eher eine aus der Not der exilierten Bischöfe gefundene Lösung, so etablierte sich diese Institution während des Hochmittelalters zunehmend und wurde immer wichtiger, da viele Diözesanbischöfe ihrer Residenzpflicht nicht nachkamen, weil sie entweder durch Positionen an der päpstlichen Kurie oder als Berater ihrer Monarchen etc. gehindert waren, ihren eigentlichen Aufgaben als Bischof nachzukommen, oder weil sie durch Ämterkumulierung oft mehreren Diözesen gleichzeitig vorstanden. Darüber hinaus brachte der Niedergang der Kirchendisziplin im späten Mittelalter, insbesondere in den Zeiten des Großen Abendländischen Schismas, oft auch Personen in den Bischofsrang, welche nie ernstlich daran dachten, die Bischofsweihe zu empfangen, sondern diese Position eher als Grundlage für ihre Karriere betrachteten.

In all diesen Fällen war es daher naheliegend, für die faktische Leitung bzw. Verwaltung der Diözese oder auch für die Spendung des Weihesakramentes und der Firmung Titularbischöfe einzusetzen. Auch der immer größere Behördenapparat der päpstlichen Kurie erforderte für bestimmte Funktionen (z.B. die Apostolischen Nuntien) eine ständig steigende Zahl von Titularbischöfen.

Durch die Verschärfung der Residenzpflicht für Diözesanbischöfe und die Beschränkung von Ämterkumulationen, die vom Konzil von Trient verfügt wurden, kam es zwar zu einer Reduktion der Zahl von Titularbischöfen. Andererseits führte die Ausweitung der Missionen ab dem 16. Jahrhundert wieder zu einer Vermehrung derselben, da die Funktion der Apostolischen Vikare, die faktisch die Stelle von Missionsbischöfen haben, durch Titularbischöfe besetzt wird. Auch die in Missionsgebieten errichteten Prälaturen wurden von Titularbischöfen geleitet. Ebenso wurde es im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts üblich, Diözesanbischöfe, die aus Gesundheits- oder anderen Gründen auf ihr Amt verzichteten, auf einen Titularsitz zu transferieren.

Durch diese Umstände erhöhte sich die Zahl von Titularbischöfen, sodass die bisherige Praxis, nur eine begrenzte Zahl der untergegangenen Diözesen als Titularsitze zu verleihen, spätestens ab dem Anfang des 20. Jahrhunderts mehr und mehr aufgegeben wurde und schließlich zur Erstellung einer möglichst umfassenden Liste von Titularbistümern führte, um auf diese Weise genügend Titel für die benötigten Funktionen zu haben. Die starke Ausweitung der Kirchenhierarchie führte dennoch ab ca. 1960 zu zunehmenden Engpässen, insbesondere, da aus ökumenischen Rücksichten eine große Zahl von Titularsitzen, welche auch als Residenzialsitze der orthodoxen Kirchen in Verwendung stehen, nicht mehr vergeben werden sollten. Außerdem führte die Einführung einer Altersgrenze für Diözesanbischöfe (75. Lebensjahr) zu einer starken Vermehrung von Alt-Bischöfen.

Man schied daher ab 1971 einige Kategorien von Titularbischöfen aus, um so wieder freie Plätze zu schaffen. Zunächst wurden die Altbischöfe gedrängt, auf etwaig schon verliehene Titularsitze zu resignieren und ihnen der Titel Episcopus emeritus N.(sis) (Altbischof von N.) verliehen. Einige Jahre später wurden die Prälaten der Territorialprälaturen ebenfalls gleich auf ihren Prälaturtitel geweiht, nicht mehr wie bisher auf einen Titularsitz. Seit 1998 sind die Militärbischöfe keine Titularbischöfe mehr (Ausnahme Österreich). Neuerdings werden auch die Koadjutoren von Bischöfen und Erzbischöfen ebenfalls nicht mehr auf einen Titularsitz geweiht, sondern (Archi-)Episcopus Coadiutor N.(sis) ((Erz-)Bischof-Koadjutor von N.) als Weihetitel benutzt.

Das derzeit einzige deutsche Titularbistum ist das Bistum Chiemsee, in Österreich gibt es mit den Metropolitanerzbistümern Tiburnia und Lauriacum sowie den Titularbistümern Wiener Neustadt, Aguntum und Virunum fünf Titularsitze. Wiener Neustadt wird traditionell an den Österreichischen Militärbischof vergeben.

Besonderheiten

Johannes Dyba wurde während seiner Zeit im Vatikan zum Titularerzbischof von Neapolis in Proconsulari ernannt. Später leitete er als Diözesanbischof das Bistum Fulda. Früher wurde in solchen Fällen vom Titularerzbischof sein Titularerzbistum neben seinem Residentialbistum beibehalten, seit der Mitte des 20. Jahrhunderts wird in solchen Fällen jedoch der Titel „Erzbischof-Bischof von N.“ verliehen.

In Ausnahmefällen (pro hac vice) ist der vergebene Titel Erzbischof nicht mit einem Titularerzbistum (historisch erloschenes Erzbistum) verbunden. Da jeder Bischofstitel ein Titularbistum haben muss, wird der Titel mit einem schon vorhandenen Titularbistum verbunden.

Beispiele für Titular(erz)bischöfe

Siehe auch


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