Transitzug

Transitzug

Als Interzonenzug wurden die Reisezüge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bzw. Berlin bezeichnet. In späteren Jahren wurde zwischen Transitzügen und den eigentlichen Interzonenzügen unterschieden. Erstgenannte dienten in erster Linie dem Transitverkehr nach West-Berlin; die eigentlichen Interzonenzüge bedienten dagegen eine Reihe von Orten in der DDR, meist auch für den DDR-Binnenverkehr. Berliner Bahnhöfe wurden von ihnen generell nicht angefahren.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnungen

Der aus der Zeit zwischen 1945 und 1949 stammende Begriff Interzonenzug war auch nach der Bildung der beiden deutschen Staaten eine Zeitlang die offizielle Bezeichnung für deutsch-deutsche Reisezüge bei beiden Bahnverwaltungen, bei der Deutschen Reichsbahn (DR) bis 1954, bei der Deutschen Bundesbahn (DB) bis in die 1960er Jahre. Umgangssprachlich hat sich Interzonenzug bis zum Ende der DDR gehalten. Erst mit der Wiedervereinigung entfiel der Begriff. Im offiziellen Sprachgebrauch änderte sich die Bezeichnungen als Folge der jeweiligen politischen Situation mehrfach. Bei der DR war beispielsweise 1960 von Zügen DDR−Westdeutschland die Rede, in den 1970ern und 1980ern von Zügen DDR−BRD. Die Züge galten als Internationale Reisezüge und standen daher im Internationalen Kursbuch der DR. Bei der DB sprach man von Zügen DB−DR (1970), in den 1980er Jahren ebenfalls von Zügen Bundesrepublik Deutschland − Deutsche Demokratische Republik bzw. Berlin (West). Auf Fachebene war auch der Ausdruck Wechselverkehrszüge üblich.

Interzonenverkehr nach 1945

Abfahrt des ersten Interzonenzuges am 12. Mai 1949 um 14 Uhr vom Bahnhof Friedrichstraße

Bereits am 5. August 1945 fuhr der erste Güterzug aus dem Ruhrgebiet nach Berlin. Der durchgehende Personenverkehr wurde jedoch erst im Mai 1946 aufgenommen. Der erste (und bis 1949 einzige) Interzonen-Schnellzug – ausschließlich für ausländische Reisende reserviert – verkehrte zwischen Berlin und Osnabrück. Dort bestand Anschluss an den Nord-Express nach Amsterdam und Paris. Der Eisenbahnverkehr zwischen Berlin und den Westzonen war vom 23. April 1948[1] an bis zum 12. Mai 1949 wegen angeblicher „technischer Schwierigkeiten“ auf sowjetische Weisung unterbrochen.[2]

Da das einzige Schnellzugpaar im Interzonenverkehr (FD 111/112) zwischen Köln und Berlin ständig überlastet war, wurden ab dem 10. September 1949 fünf zusätzliche Schnellzugpaare über die innerdeutsche Grenze angeboten, die erstmalig auch Wagen der (damaligen) zweiten Klasse mitführten:

Im Sommer 1949 gab es eine Besonderheit: Die Reichsbahndirektion Nürnberg setzte zur Bewältigung des ansteigenden Verkehrs zusätzliche Züge ein, die über Ludwigsstadt bis an die Demarkationslinie fuhren. Hier mussten die Reisenden aussteigen und die Grenze zu Fuß überqueren (Übergang Fernverkehrsstraße 85). Ab Probstzella bestand neben lokalem Verkehr ab dem 25. August 1949 eine Verbindung mit einem Schnelltriebwagen nach Berlin-Friedrichstraße (FDt79/80).

Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten bis 1961

DDR-Bürger, die in die Bundesrepublik reisen wollten, brauchten, um diese Züge nutzen zu dürfen, einen Interzonenpass, ab 1953 eine Ausreisegenehmigung der DDR.

In den folgenden Jahren wurde das Angebot nach und nach erweitert. Es verkehrten im Jahr vor dem Mauerbau (Fahrplan 1960/61):

  • über Lübeck/Herrnburg: D 1061/1062 Hamburg–Güstrow und D 161/162 Hamburg–Saßnitz Hafen
  • über Büchen/Schwanheide: D 163/164, Ex 165/166 und D 1065/66 (nur im Sommer) Hamburg–Berlin
  • über Wolfsburg/Oebisfelde: D 135/136 Düsseldorf–Leipzig, D 1035/1036 Aachen–Leipzig
  • über Helmstedt/Marienborn: D 109/110, D 111/112, D 119/120 (Aachen–)Köln–Berlin, D 105/106 Paris–Moskau, D 1009/1010 Paris–Berlin und D 1011/1012 Hannover–Magdeburg (nur im Sommer).
  • über Bebra/Wartha: D 1/2 Basel–Berlin, D 197/198 Mönchengladbach–Leipzig, D 199/200 und D 1001/1002 Frankfurt–Leipzig, D 1099/1100 Frankfurt–Weimar
  • über Ludwigsstadt/Probstzella: D 129/130 München–Saßnitz Hafen, D 151/152 München–Leipzig–Berlin, D 1029/1030 München/Augsburg–Leipzig (nur im Sommer), D 1051/1052 Stuttgart–Leipzig
  • über Hof/Gutenfürst: D 137/138 München–Gera–Leipzig, D 145/146 München–Dresden

Die meisten dieser Züge hielten auch auf Bahnhöfen in der DDR, waren jedoch dort nur in Ausnahmefällen für den Binnenverkehr freigegeben (D 1035 ab Magdeburg, D 197 ab Eisenach, D 1001 und D 1099 ab Gotha, D 1029 ab Saalfeld, D 137 ab Gera, D 145 ab Plauen und die jeweiligen Gegenzüge).

Reiseverkehr zwischen beiden deutschen Staaten zwischen 1961 und 1989

Nach dem Mauerbau wurden die Kontrollen an der DDR-Grenze intensiviert und die Grenzbahnhöfe wurden verstärkt gesichert. Es kam zu einer deutlichen Angebotstrennung zwischen den Zügen nach Berlin und den Zügen in die DDR.

Die Interzonenzüge waren D-Züge zu Endbahnhöfen in der DDR mit teilweise langen Laufwegen, zum Beispiel Köln–Rostock über Lübeck, Frankfurt am MainFrankfurt (Oder) oder München–Rostock über Leipzig und Potsdam. Bis zum letzten Halt im Hinterland vor dem Grenzkontrollbahnhof konnten die Züge innerhalb der DDR im Binnenverkehr von jedermann genutzt werden, innerhalb der Bundesrepublik generell. Berliner Bahnhöfe wurden nicht angefahren, weswegen die Züge München–Rostock oder Köln–Görlitz den untypischen Laufweg über Potsdam nahmen. Pro Tag und Strecke gab es bei den Interzonenzügen in der Regel nur ein bis zwei Zugpaare.

Die Grenzkontrollen waren recht umfangreich. So blieb der Interzonenzug nach Rostock in Herrnburg bei Ein- und Ausreise in die DDR 40 Minuten für eingehende Personen- und Gepäckkontrollen stehen. Im anschließenden Streckenabschnitt bis Bad Kleinen wurde weitere 40 Minuten im fahrenden Zug kontrolliert. Analog wurde an den anderen Grenzübergängen verfahren. Auch innerhalb der DDR wurden diese Züge – zumindest in Grenznähe – von Mitarbeitern der DDR-Transportpolizei begleitet.

In den letzten Jahren der Existenz der DDR wurde das Angebot schrittweise ausgeweitet. So verkehrten seit Mitte der 1980er Jahre einige Eilzüge am Wochenende im kleinen Grenzverkehr für Tagesreisende aus der Bundesrepublik etwa zwischen Lübeck und Schwerin, Lichtenfels und Saalfeld oder Helmstedt und Eilsleben. Als Folge von Reiseerleichterungen für DDR-Bürger wurden 1988/89 zusätzliche Züge eingeführt.

Nach dem Mauerfall versuchten beide deutsche Staatsbahnen, durch viele neu eingelegte Züge die sprunghaft gestiegene Nachfrage zu bewältigen. Nach der Wiedervereinigung wurden die Züge in das normale Angebot der Bahnen integriert.

Transitzüge seit 1961

Im Verkehr mit Berlin fuhren die Transitzüge ohne planmäßigen Verkehrshalt durch die DDR. Vor dem Transitabkommen betrug die Wartezeit an den Grenzbahnhöfen der DDR bis zu einer Stunde. Kontrolliert wurde bei Einreise in und Ausreise aus der DDR, wobei auch das Gepäck der Reisenden kontrolliert wurde. Durch das Transitabkommen wurde geregelt, dass eine einmalige Passkontrolle während der Fahrt durch die DDR stattfinden sollte. An den Grenzbahnhöfen der DDR betrug die Standzeit nun nur noch 5 – 20 Minuten (länger als 5 Minuten nur bei Lokwechseln in Gerstungen und Probstzella). Die Züge wurden auf DDR-Gebiet von Angehörigen einer Passkontrolleinheit des Ministeriums für Staatssicherheit und Transportpolizei begleitet. Notwendige Betriebshalte sicherte die Transportpolizei ab, indem sie den Zug so umstellte, dass kein DDR-Bürger den Zug betreten und Republikflucht begehen konnte. Die Transitzüge waren auf DDR- und West-Berliner Gebiet mit Reichsbahn-Personal besetzt, Mitropa-Speise-, Liege- und Schlafwagen bewirtschafteten Mitarbeiter der Mitropa, umgekehrt galt das gleiche für DSG-Wagen. In Berlin begannen und endeten die Züge im Bahnhof Berlin Friedrichstraße im Ostteil der Stadt. Wer nach Berlin-Ost einreisen wollte, musste hier die Grenzkontrolle innerhalb des Bahnhofs passieren. In West-Berlin hielten die Züge am Bahnhof Berlin Zoologischer Garten, ab 1976 je nach Laufweg auch in Berlin-Spandau oder Berlin-Wannsee.

In die Transitzüge von und nach Berlin-Stadtbahn durfte auf DDR-Gebiet niemand einsteigen. Ausnahme waren manche Grenzbahnhöfe an der DDR-Westgrenze zur Ausreise in die Bundesrepublik. Hierbei war die Praxis unterschiedlich: Ein- und Ausstieg in Gerstungen war verboten, ebenso seit den 1970er Jahren in Probstzella. Ausnahme war dort ein besonderer Zubringerzug von Saalfeld zu einem der Transitzüge. In Schwanheide, Gutenfürst und Marienborn durfte in Züge des DDR-Binnenverkehrs umstiegen werden.

Über Lautsprecher am DDR-Grenzbahnhof – beispielsweise in Marienborn – wurden die Fahrgäste mit Fahrtziel Berlin wie folgt begrüßt: „Werte Reisende! Wir begrüßen Sie im Bahnhof Marienborn in der Deutschen Demokratischen Republik. Reisende, die nicht bis Berlin wollen, werden aufgefordert, sofort den Zug zu verlassen.“

Grenzbahnhöfe

Folgende Grenzbahnhöfe wurden benutzt (von Nord nach Süd bzw. West nach Ost)
BRD/DDR:

DDR/West-Berlin (nur für Transitverkehr):

Aus der DDR konnte West-Berlin mit der Eisenbahn nur über den Grenzübergang im Bahnhof Friedrichstraße mit der Berliner S-Bahn erreicht werden.

Im Güterverkehr wurden zusätzlich die Grenzübergänge Walkenried/Ellrich an der innerdeutschen Grenze und Drewitz/Berlin-Wannsee genutzt.

Militärverkehr

Für den Transitverkehr von und nach West-Berlin hatten das US Army Transportation Corps, das Royal Corps of Transport (RCT) sowie die französische Armee eigene Züge. Lokomotiven und Lokpersonal wurden auf dem jeweiligen Netz von der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn gestellt. Die Grenzformalitäten wurden gemäß dem Viermächteabkommen durch Angehörige der Sowjetarmee vorgenommen. Wenn Kontrollen auf dem Abschnitt Wannsee - Potsdam vorgenommen wurden, geschah dies jedoch nicht in Griebnitzsee , sondern auf dem Bahnhof Potsdam-Stadt.

Literatur

  • Peter Bock: Interzonenzüge. GeraMond Verlag, München 1998, ISBN 3932785339
  • Bernd Kuhlmann: Züge durch Mauer und Stacheldraht. GVE e.V., ISBN 3892180504

Einzelnachweise

  1. http://www.berliner-untergrundbahn.de/cs-40.htm#1948
  2. http://www.verkehrswerkstatt.de/blockade/presse2/gb0175.htm

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Deutsche Reichsbahn (Ostdeutschland) — DR Logo Unter dem Namen Deutsche Reichsbahn (kurz: DR) wurde die Staatsbahn der Deutschen Demokratischen Republik betrieben. Sie entstand 1949 aus den Teilen der Deutschen Reichsbahn des Deutschen Reiches, die sich in der Sowjetischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Reichsbahn der DDR — DR Logo Unter dem Namen Deutsche Reichsbahn (kurz: DR) wurde die Staatsbahn der Deutschen Demokratischen Republik betrieben. Sie entstand 1949 aus den Teilen der Deutschen Reichsbahn des Deutschen Reiches, die sich in der Sowjetischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Reichsbahn in der DDR — DR Logo Unter dem Namen Deutsche Reichsbahn (kurz: DR) wurde die Staatsbahn der Deutschen Demokratischen Republik betrieben. Sie entstand 1949 aus den Teilen der Deutschen Reichsbahn des Deutschen Reiches, die sich in der Sowjetischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Stadtbahn Berlin — Berliner Stadtbahn Kursbuchstrecke (DB): 200 Streckennummer: 6024 Streckenlänge: 11,3 km Spurweite …   Deutsch Wikipedia

  • Transitstrecke — Der Transitverkehr ist allgemein der Verkehr durch größere Gebiete, Länder oder Staaten. Mit „Transitverkehr durch die DDR“ wird im wesentlichen der Verkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und West Berlin über das Gebiet der DDR… …   Deutsch Wikipedia

  • Transitverkehr (DDR) — Der Transitverkehr ist allgemein der Verkehr durch größere Gebiete, Länder oder Staaten. Mit „Transitverkehr durch die DDR“ wird im wesentlichen der Verkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und West Berlin über das Gebiet der DDR… …   Deutsch Wikipedia

  • Bahnhof Berlin-Friedrichstraße — Bahnhofsgebäude Haupteingang Der Bahnhof Berlin Friedrichstraße ist ein Bahnhof der Stadtbahn zwischen Friedric …   Deutsch Wikipedia

  • Bahnhof Friedrichstraße — Bahnhofsgebäude Haupteingang Der Bahnhof Berlin Friedrichstraße ist ein Bahnhof der Stadtbahn zwischen Friedric …   Deutsch Wikipedia

  • Berliner Stadtbahn — Kursbuchstrecke (DB): 200 Streckennummer (DB): 6024 (S Bahn) 6109 (Fernbahn) Streckenlänge: 11,2 km …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Reichsbahn (DDR) — Deutsche Reichsbahn Rechtsform Staatsunternehmen Gründung 1949 Auflösung …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”