Triage

Triage
Triage anlässlich einer Übung am Schadensplatz
Französische Triage-Station im Ersten Weltkrieg

Die Triage (französisch vom Verb „trier“ = sortieren, deutsch auch Sichtung, Einteilung) ist ein aus der Militärmedizin herrührender Begriff für die – ethisch schwierige – Aufgabe, bei einem Massenanfall von Verletzten oder anderweitig Kranken darüber zu entscheiden, wie die knappen Mittel (personelle und materielle Ressourcen) auf sie aufzuteilen seien. Es handelt sich dabei um ein Stratifikationsverfahren vor erster Diagnose. Theoretische Modelle, die die Verteilung knapper Ressourcen thematisieren, werden auch unter dem Begriff der Allokation gefasst.

Inhaltsverzeichnis

Unausweichlichkeit und Problematik der Triage

Anlass zur Triage kann ein andauerndes (schleichendes) Problem der Versorgung in der Medizin überhaupt sein (Beispiel: Ersatz-Nieren sind andauernd knapp), oder eine sich bei Großunfällen/Katastrophen/Kriegen plötzlich einstellende Notwendigkeit (Beispiel: bei einem Flughafenunfall ein gleichzeitiger Anfall zahlreicher Sterbender, Schwer- und Leichtverletzter).

Das verbundene ethische Problem ist sehr alt, da es in allen Gesellschaften auftritt, wenn zum Beispiel entschieden werden muss, welche Neugeborenen überleben könnten oder sollten. In einigen Situationen gibt es herkömmliches Brauchtum, das dieses Problem vereinfacht, zum Beispiel galten bei Schiffsuntergängen (Seenot) zeitweise die Regeln „Frauen und Kinder zuerst!“ (so genannter Birkenhead Drill von 1852) und „Der Kapitän geht immer als Letzter von Bord“. Es können auch unausgesprochene Faustregeln sein, bei einem Straßengefecht etwa: „Unsere Soldaten vor den Zivilisten, diese vor feindlichen Soldaten!“, oder bei sehr zahlreichen Betroffenen und sehr knappen Mitteln: „Wir versorgen sie in der Reihenfolge, in der wir sie bemerken“ oder „Wir retten, wen wir kennen“.

Insgesamt kann eine Triage eine Aufgabe zum Verzweifeln werden, weil Entscheidungen zu treffen sind, die mit großer Wahrscheinlichkeit den Tod einiger Betroffener bedeuten (um andere zu retten). Schuldgefühle oder PTS (post-traumatischer Stress) bei den Beteiligten, insbesondere bei den Entscheidern, sind im Extremfall möglich.

Sanitätsdienst

Die heute in der Ausbildung allgemein vermittelten Regeln für die Triage bei Massenanfall von Verletzten sind darauf ausgerichtet, dass möglichst viele Personen das Ereignis mit möglichst wenig Schaden überstehen. Man versucht also, das bestmögliche Ergebnis für das Kollektiv der Geschädigten zu erzielen, wobei das Interesse des Einzelnen zurückstehen muss. Wird niemand benachteiligt, liegt auch keine Triage vor.

Intensive Maßnahmen bei wenigen schwer Geschädigten binden möglicherweise Kapazitäten, die zur Versorgung vieler minder Geschädigter verwendet werden können. Man wird daher jene, deren Situation von vornherein aussichtslos scheint, eher schmerzstillend als intensiv-medizinisch behandeln, bis andere, deren Prognose vor Ort günstiger erscheint, versorgt sind. Dieses zeitweilige Aufgeben der allgemein gleichen Individualmedizin, die im Gesundheitssystem einer modernen Gesellschaft Standard ist, und jede nachhaltig wirkende Einteilung in Behandlungsprioritäten oder auch Sichtungskategorien ist eine ethisch schwierige Aufgabe und Herausforderung.

Eine Hilfe für die Entscheider bieten Sichtungsschemata (siehe unten), die aufgrund vernünftiger medizinischer Annahmen eine möglichst sachgerechte Vorgehensweise nach notfallmedizinischer Notwendigkeit unterstützen.

Geschichte

Zum Anfang des 16. Jahrhunderts führte Kaiser Maximilian I. (1459–1519) seine Heeres-Sanitäts-Verfassung ein, in der erstmals geordnete Sanitätseinheiten dokumentiert wurden, deren Aufgabe unter anderem darin bestand, die überlebensfähigen Verwundeten zu retten und zu versorgen. Detaillierte Angaben zur Einstufung der verschiedenen Schweregrade von Verwundungen finden sich zuerst im Königlich-Preußischen Feld-Lazarett-Reglement von 1787.

Ein Umdenken im militärischen Sanitätswesen erforderten die raumgreifenden Feldzüge der französischen Revolutionsarmeen während der Koalitionskriege (1792–1815). Resultat waren neue Ansätze der medizinischen Versorgung vor Ort und des Transports in weiter entfernt liegende Behandlungseinrichtungen. Der französische Arzt Dominique Jean Larrey erzielte mit seinen schnellen Klassifikationsmethoden für Amputationen Erfolge (75–80 % der von ihm Operierten überlebten, eine wesentlich höhere Rate als bei anderen Ärzten), konnte diese jedoch noch nicht in ein formales, auch für andere Ärzte anwendbares Verfahren umsetzen.

Erst der russische Chirurg Nikolai Iwanowitsch Pirogow (1810–1881) entwickelte aus seinen Erfahrungen im Kaukasischen Krieg und im Krimkrieg abgestufte chirurgische Behandlungsverfahren und das Prinzip der „Krankenzerstreuung“ (verteilte Behandlung von Verletzten und Erkrankten) zur Ordnung auf den überfüllten Verbandplätzen mit Einteilungen der Verwundeten in fünf Stufen. Die preußische Armee übernahm 1866 das russische Prinzip, später fand es auch bei den anderen Sanitätsdiensten verbündeter Armeen Europas Anwendung. In der weiteren Entwicklung wurden zahlreiche Fortschritte der Medizin und der Operationsmethoden auch auf die Organisation des militärischen Sanitätsdienstes übertragen. Das Pirogowsche Prinzip der „Krankenzerstreuung“ blieb jedoch noch im Ersten Weltkrieg erhalten.

Der französische Sanitätsdienst führte das Prinzip „Triage – Transport – Traitement“ (Triage – Transport – Behandlung) ein und prägte damit den Begriff Triage. Die französischen Ärzte Spire und Lombardy definierten Triage 1934 als

  1. die Diagnose der vorliegenden Verletzung und
  2. die Beurteilung der Dringlichkeit des Eingriffs (Categorisation) und
  3. die Beurteilung des Grades der Transportfähigkeit und
  4. die Angabe des Bestimmungsortes des Verwundeten.

Das Sanitätswesen der deutschen Reichswehr und später der Wehrmacht hielt sich prinzipiell an die Erfahrungen der „Krankenzerstreuung“ aus dem Ersten Weltkrieg, konnte jedoch aufgrund der schnellen Wiederaufrüstung seine Ärzte kaum ausreichend in der wirksamen Anwendung ausbilden. Erst 1942 wurde in den Richtlinien für die Versorgung Verwundeter in den vorderen Sanitätseinrichtungen eine strukturierte Vorgehensweise für die Triage im deutschen Militärsanitätsdienst festgeschrieben, die auch die militärische Lage und die Transportmöglichkeiten mit einbezog.

Mit der Aufstellung der NATO wurde eine einheitliche Systematik von „Sichtungskategorien“ geschaffen, die sich in den Mitgliedsstaaten und darüber hinaus durchsetzte. Krieg mit der aktuellen Bedrohung durch schlagkräftige konventionelle aber auch atomare, biologische und chemische Waffen beeinflusste die weitere Entwicklung zur Systematisierung von Verletzungen bei Soldaten.

Weiter wurden diese Verfahrensgrundsätze auch bei der Hilfeleistung bei zivilen Katastrophen eingesetzt, beginnend mit der Planung zur Bewältigung von Strahlenschäden, die bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie eintreten könnten. Ebenso wird das heutige Sichtungssystem auch beim zivilen Massenanfall von Verletzten verwendet.

Für den modernen Rettungsdienst wegweisend wurde das Schema STaRT (Simple Triage and Rapid Treatment = Einfache Triage und schnelle Versorgung), das vom Hoag Hospital und vom Newport Beach Fire Department (Newport Beach, Kalifornien/USA) in den frühen 1980er Jahren entwickelt wurde.

Vorgehensweise / Ablauf

Bergungssichtung

Die Bergungssichtung (auch Pre-Triage oder Vorsichtung) wird noch im unmittelbaren Schadensgebiet eingesetzt. Hier wird schnell entschieden, welcher Betroffene zuerst gerettet wird, bei wem eventuell bereits medizinische Maßnahmen ergriffen werden müssen und wer warten muss.

Diese Entscheidung dient zur Einweisung nachfolgender Helfer und als Anhaltspunkt für die technische Rettung, die dann in der vorgegebenen Reihenfolge die Rettung durchführt. Es geht dabei nur darum, eine allererste und sehr schnelle Übersicht über die Patienten zu gewinnen. Als Richtzeit gilt eine Untersuchungszeit von 20–60 Sekunden pro Patient.

Die Bergungssichtung wird von den zuerst eintreffenden Helfern („Sichter“) durchgeführt.

Begonnen wird nach kurzem Überblick (Sehen, Hören, Denken) von dem Ort aus, an dem man steht. Erstmaßnahmen werden an Umstehende bzw. Leichtverletzte delegiert, der Sichter geht nach der Kategorisierung/Markierung sofort über zum nächsten Patienten. Eine aufwändige Dokumentation oder ähnliches soll hierbei unterbleiben, notwendig ist lediglich eine Strichliste oder eine Lageskizze, das Sichtungsergebnis soll eindeutig am Patienten markiert werden (Farbcodierung oder Kennzeichnung mit Abkürzungen/Ziffern).

Sichtungs-Schemata (siehe unten) tragen zur einheitlichen und gerechten Vorgehensweise bei.

Dekon-Sichtung

Die Dekontamination (Entgiftung) von Betroffenen erfordert eine Spezialform der Bergungssichtung. Eine frühzeitige Identifizierung des Gefahrstoffes ist erforderlich, damit eine effiziente Dekontamination und eine geeignete medizinische Behandlung durchgeführt werden können. Zusätzlich zur Einteilung in eine der Sichtungskategorien wird explizit der Zustand „liegend“ oder „gehend“ (gehfähig) festgelegt. Davon hängt die Zuteilung zum Dekontaminationsbereich ab. Für die Dekontamination selbst sind dabei folgende Einteilungen wesentlich:[1]

Verletztenspektrum erforderliche Maßnahmen
gehfähig, kontaminiert, aber nicht sichtbar verletzt, bzw. nicht unterstützungsbedürftig bei der Dekontamination Personen-Dekontamination, Panikprävention, ggf. gezielter Abtransport
gehfähig, kontaminiert und verletzt, bzw. unterstützungsbedürftig bei der Dekontamination ggf. Spotdekontamination und Notfallversorgung, Verletzten-Dekontamination, ggf. Transport zur weiteren Behandlung
liegend, kontaminiert und verletzt Rettung, ggf. Spotdekontamination und Notfall-Erstversorgung, Verletzten-Dekontamination, Transport zur weiteren Behandlung

Auch Opfer, deren Behandlung dringlich ist, dürfen erst nach einer Ganzkörperdekontamination zur weiteren Behandlung auf dem sich bildenden Behandlungsplatz oder zum Transport ins Krankenhaus freigegeben werden, um diese Bereiche vor Kontaminationsverschleppung zu schützen.

Behandlungssichtung

Ausfüllen der Verletztenanhängekarte

Die beschriebene Bergungssichtung dient lediglich einer ersten Übersicht im unmittelbaren Schadensgebiet. Mit verstreichender Zeit nach dem auslösenden Ereignis kann eine Behandlungsstruktur geschaffen werden, die eine differenziertere Untersuchung ermöglicht. Aber auch hier ist die gezielte Zuordnung zu bestimmten Behandlungsmöglichkeiten wichtig, um die Versorgung nach dem Bedarf zu ermöglichen und Helfer und Gerät zuteilen zu können. Vorzugsweise findet diese Behandlungssichtung dann auf einem eingerichteten Behandlungsplatz statt.

Ein erfahrener Helfer (meist ein gezielt für die Sichtung ausgebildeter Notarzt) legt nach notfallmedizinischen Kriterien und im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die Behandlungsprioritäten fest. Er wird dabei möglichst von Helfern unterstützt, die ihm bei der Vorbereitung (Entkleiden des Patienten) und bei der Dokumentation (mittels Verletztenanhängekarte) zur Hand gehen. Die Sichtung wird entsprechend der Gegebenheiten (veränderte Transport- und Behandlungskapazitäten, Ablauf von Zeit) wiederholt und den aktuellen Möglichkeiten angepasst. Die Einteilung der Sichtungsteams und die Festlegung der Sichtungskriterien ist Aufgabe des Leitenden Notarztes.

Transportsichtung

Ziel der Transportsichtung ist es, die Transportstabilität des Patienten zu beurteilen und ihn mit dem geeigneten Rettungsmittel in ein geeignetes Krankenhaus transportieren zu können.

Sichtungsschemata

Siehe auch: Sichtungskategorie.

STaRT-Schema: Simple Triage and Rapid Treatment

Schema START

Geprüft wird die Gehfähigkeit, Respiration (Atmung), Perfusion (Durchblutung) und der mentale Status nach dem STaRT-System ohne besondere Hilfsmittel:

  1. Zuerst werden alle gehfähigen Patienten aufgefordert, sich an einen Sammelpunkt zu begeben. Die Patienten, die sich selbst aus der Gefahrenzone retten können („walking wounded“, engl. für „gehfähige Verletzte“), werden in die Sichtungskategorie T3 („MINOR“) eingeteilt. Einige davon, die der Helfer für geeignet hält, werden im weiteren Verlauf zur Mithilfe angeleitet.
  2. Ein Patient mit Atemstillstand, selbst nach dem Freimachen der Atemwege, gilt als verstorben („DECEASED“).
  3. Prüfen der Respiration (Atmung): Eine Atemfrequenz über 30/min. wird als dringend bewertet, der Patient wird in die Sichtungskategorie T1 („IMMEDIATE“) eingeteilt.
  4. Prüfen der Perfusion (Durchblutung): Bei einer starken Blutung wird ein Helfer zur Blutstillung angeleitet (Druckverband). Mit der Nagelbettprobe wird die Rekapillarisierungszeit gemessen. Beträgt sie mehr als 2 Sekunden, ist das ein Hinweis auf eine Mangeldurchblutung (Blutdruck < 90 mmHG), der Patient wird in die Sichtungskategorie T1 („IMMEDIATE“) eingeteilt.
  5. Prüfen des mentalen Status: Bei Bewusstlosigkeit oder inadäquater Reaktion bei Ansprache wird der Patient in die Sichtungskategorie T1 („IMMEDIATE“) eingeteilt.
  6. Alle anderen Patienten werden in die Sichtungskategorie T2 („DELAYED“) eingeteilt.

Die Rettung aus dem Gefahrengebiet geschieht dann in der Reihenfolge

  1. T3/MINOR (da diese selbst weggehen können)
  2. T1/IMMEDIATE
  3. T2/DELAYED
  4. Tot/DECEASED

Diese strukturierte Vorgehensweise soll maximal 60 Sekunden pro Patient benötigen und dennoch eine umfassende und relativ genaue Evaluation ermöglichen. Das STaRT-Schema ist geeignet zur Anwendung durch geübte Rettungskräfte und medizinisches Personal aller Qualifikationsstufen. Da es für Erwachsene konzipiert ist, lässt es Besonderheiten bei Kindern außer Acht.

JumpSTaRT: STaRT für Kinder

Ein Kind mit Atemstillstand hat im Gegensatz zum Erwachsenen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Problem mit verlegten Atemwegen (und keine verletzungsbedingten Störungen). Eine Atemfrequenz von über 30/min. ist bei Kindern noch normal. Die Durchblutung ist bei Kindern sehr schwer anhand der Fingernagelprobe abzuschätzen, weil Kinder sehr leicht auskühlen und die Kapillardurchblutung dann nicht mehr aussagekräftig ist. Außerdem ist bei Kindern grundsätzlich von einer verzögerten oder inadäquaten Reaktion auf Ansprache auszugehen, gerade von Kleinkindern oder in Gefahrensituationen können kaum zuverlässige Antworten erwartet werden.

Deshalb wurde das STaRT-Schema für ein- bis achtjährige Kinder im Miami Children’s Hospital in Zusammenarbeit mit dem Miami-Dade Fire Rescue Department (Florida/USA) folgendermaßen abgewandelt:

  1. Kinder werden erst als verstorben klassifiziert, wenn sie weder atmen noch einen Puls haben („DECEASED“).
  2. Bei Kindern mit Atemstillstand, aber einem tastbaren Puls, wird für 15 Sekunden beatmet (ca. 5 Beatmungen). Erst wenn dann der Atemstillstand immer noch besteht, wird das Kind als verstorben klassifiziert („DECEASED“).
  3. Wenn die Atemfrequenz kleiner als 15/min. oder höher als 40/min. ist, wird das Kind in die Sichtungskategorie T1 („IMMEDIATE“) eingeordnet.
  4. Als Richtgröße für die Durchblutung wird die Tastbarkeit eines peripheren Pulses (Handgelenk, Fuß) gewertet. Ist dieser bei bestehender Atmung nicht tastbar, dann wird das Kind in die Sichtungskategorie T1 („IMMEDIATE“) eingeordnet.
  5. Der mentale Status wird nicht nur durch Ansprache, sondern im Zweifelsfall auch durch die Reaktion auf einen Schmerzreiz überprüft. Reagiert das Kind darauf nicht angemessen, dann wird es in die Sichtungskategorie T1 („IMMEDIATE“) eingeordnet.

mSTaRT: modifiziertes STaRT

Das modifizierte STaRT-Schema verbindet die Erkenntnisse aus dem JumpSTaRT und dem ursprünglichen STaRT-Schema zu einem umfassenden Prozess, der sowohl für Erwachsene als auch für Kinder geeignet ist.

In Deutschland wurde es 2004 von der Berufsfeuerwehr München in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München für deutsche Wertungskategorien adaptiert und auf einem Kongress vorgestellt. Eine entsprechende Dienstanweisung „Einsatzstandard Massenanfall von Verletzten – Sichtung“ gilt seit dem Jahr 2005 für den Rettungsdienst aller Organisationen im gesamten Rettungsdienstbereich München (Landeshauptstadt und Landkreis München). Die Berufsfeuerwehr München bildet ihre Rettungssanitäter und Rettungsassistenten entsprechend aus und sorgt für die Verbreitung in München und Umgebung. Dieses Konzept wurde im Rahmen der Vorbereitungen zur Fußball-WM 2006 von den bayerischen Hilfsorganisationen verbreitet. Es blieb bisher offen, wo es außerdem zur Anwendung kommen wird.

BASIC-Schema: Blutung, Atemwege, Schock, Immobilisation nach der Klassifikation

Das New England Council for Emergency Medical Service (NECEMS) führte in dem 1980er Jahren für die US-Bundesstaaten Vermont, Maine, New Hampshire und Rhode Island das BASIC-Schema (Bleeding, Airway, Shock, Immoblization after Classification) ein.

Es folgt der im Akronym BASIC angegebenen Reihenfolge zur Kontrolle von Vitalfunktionen und unmittelbaren Erstmaßnahmen:

  1. Blutung (Bleeding): bei einer unkontrollierten Blutung wird ein Helfer angewiesen, durch Druck die Blutung zu stoppen. Der Patient wird in die Sichtungskategorie T1 eingeteilt.
  2. Atemwege (Airway): die Atemwege eines bewusstlosen Patienten werden durch einen Helfer kontrolliert und offen gehalten. Der Patient wird in die Sichtungskategorie T1 eingeteilt.
  3. Schock (Shock): Ein Patient im Volumenmangelschock wird in die Sichtungskategorie T1 eingeteilt und durch einen Helfer in Schocklage gelagert.
  4. Alle anderen Patienten erhalten die Klassifikationen T2 und T3 je nach Zustand.
  5. Immobilisierung nach der Klassifikation (Immobilisation after Classification): Wurden alle Patienten eingeteilt, werden sie in der Reihenfolge T1, T2, T3 immobilisiert (HWS-Schienen, Ganzkörperschienen).

Der Vorteil dieses Schemas ist, dass es auch für Ungeübte leicht zu merken ist – die Reihenfolge der Prüfung ist im Akronym bereits enthalten. Es lässt sich sehr schnell anwenden, der Zeitbedarf pro Patient liegt zwischen 10 und 30 Sekunden zur Erkennung des jeweiligen Zustands. Der Nachteil liegt darin, dass es keine weiter differenzierte Herangehensweise bietet, keine komplexeren Vorgaben macht und damit viel dem Gespür des Helfers überlässt. Man geht davon aus, dass die leichteren Verletzungen nicht allzu falsch eingeteilt werden können. Es bietet sich also vor allem für ungeübte Ersthelfer oder nicht-medizinische Rettungskräfte an, die in der allerersten Phase der Hilfe anwesend sind und sich mit einfachen Mitteln behelfen müssen. Diese so geschaffene Struktur muss dann durch geübte Rettungskräfte weiter verfeinert werden, die sich dann geeigneterer Vorgehensweisen bedienen (und sich etwa am STaRT-Schema orientieren können).

Reverse Triage

Das Konzept der reversen Triage (umgekehrte Sichtung) folgt dem Prinzip, dass die un- oder leichtverletzten Betroffenen zuerst abtransportiert bzw. durch die Dekontaminations-/Behandlungsplätze durchgeschleust werden. Dahinter steht die Logik, dass

  • diese Patienten dann die Behandlung der schwerer Verletzten vor Ort nicht mehr behindern;
  • diese Patienten sowieso in weiter entfernte Behandlungseinrichtungen verbracht werden sollten, um nicht die näheren für die Schwerverletzten zu blockieren;
  • diejenigen Patienten schon gerettet sind, die die höchste Überlebenschance haben und/oder
  • diese Patienten vor allem bei Unfällen mit Gefahrgut (oder in anderen gefährlichen Zonen, wie zum Beispiel unter Beschuss im Krieg oder bei Attentaten) am einfachsten aus der Gefahrenzone herauszuholen und dann nicht mehr weiter gefährdet sind.

Triage und Ersteinschätzung in der Notaufnahme

Strukturierte Triage-Instrumente werden auch in Notaufnahmen eingesetzt. Im angloamerikanischen Sprachraum wird der Begriff „Triage“ für beide Ansätze genutzt, während im Deutschen „Triage“ für außerklinische und Katastrophenfälle und „Ersteinschätzung“ für die routinemäßige klinische Priorisierung verwendet wird.

Obwohl die Ersteinschätzung eigentlich als Spezialfall der Triage angesehen werden könnte, unterscheidet sie sich von ihr in einem wesentlichen Punkt: Im außerklinischen Bereich gilt es, die lokal oder temporal limitiert verfügbaren Ressourcen möglichst effizient einzusetzen, d.h. das Ziel möglichst vieler Überlebender zu erreichen. Im klinischen Bereich ist die Grundannahme aber, dass ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen, um alle Patienten optimal zu behandeln. Dadurch gibt es keinen Konflikt zwischen individuellem und Gesamtnutzen.

Inzwischen an einigen Orten eingeführte so genannte Prä-Kliniken betreiben keine Triage und auch keine Ersteinschätzung, sondern haben die Bestätigung oder Korrektur der Einweisungsdiagnose zum Inhalt.

In der internationalen Literatur werden 5-stufige Triagesysteme als valide und verlässliche Instrumente genannt, um in der Notaufnahme die Patienten zu erkennen, welche eine lebensbedrohliche bzw. dringliche Erkrankung aufweisen. In deutschsprachigen Notaufnahmen wurden bisher das "Manchester-Triage-System" und der "Emergency Severity Index" erfolgreich eingesetzt. Durch die strukturierte Vorgehensweise ist zu erwarten, dass schwer erkrankte Notfallpatienten zeitnah erkannt werden und umgehend die notwendige Diagnostik und Therapie erhalten.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Triage – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Quelle: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: Rahmenkonzept zur Dekontamination verletzter Personen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. September 2006 (online, PDF).

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