Tudman

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Franjo Tuđman [ˈfraːɲɔ ˈtudʑman] (* 14. Mai 1922 in Veliko Trgovišće (Gespanschaft Krapina-Zagorje); † 10. Dezember 1999 in Zagreb) war ein Offizier, Historiker und Politiker. Er wurde nach den ersten Mehrparteienwahlen in Kroatien zum Präsidenten gewählt und führte das Land in die staatliche Unabhängigkeit.

Franjo Tuđman

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Tuđmans Vater Stjepan war leitendes Mitglied der Kroatischen Bauernpartei. Franjo hatte zwei Brüder, Stjepan und Ivica. Sein Bruder Stjepan kam im Frühjahr 1943 als Mitglied der antifaschistischen Bewegung ums Leben. Sein Vater war einer der Mitgründer des ZAVNOH (Zemaljsko antifašističko vijeće narodnog oslobođenja Hrvatske).

Tuđman besuchte zwischen 1929 und 1933 die Volksschule in seiner Heimatstadt und ging ab dem Jahr 1934 bis 1941 an die Oberschule in Zagreb. Schon während der Oberschule wurde er Mitglied der nationalen demokratischen Bewegung.

Ab 1941 nahm er aktiv als Partisan an der antifaschistischen Bewegung teil. Noch während des Jugoslawischen Bürgerkrieges wurde er zu einem der Repräsentanten im Führungsstab der nationalen Befreiungsarmee (NVO) und der Bewegung für die Befreiung Jugoslawiens (POJ) ernannt.

1946 werden sein Vater und seine Stiefmutter erschossen aufgefunden. Seine Eltern starben an einen Gewaltverbrechen, dessen Umstände bis heute nicht geklärt sind.

Als Mitglied der kommunistischen Nomenklatura

Danach arbeitete er im Personalbüro des Verteidigungsministeriums. In Belgrad absolvierte er zwischen 1955 und 1957 ein Studium an der Militärakademie. Im Jahr 1960 wurde er in den Rang eines Generals befördert, jedoch verließ er 1961 schon wieder die Jugoslawische Volksarmee, um sich auf seine akademische Arbeit zu konzentrieren. Noch im selben Jahr gründete er in Zagreb das „Institut für die Geschichte der Arbeiterbewegung Kroatiens“ und blieb bis 1967 deren Direktor. 1963 wurde ihm der Titel des Professors der politischen Wissenschaften an der Universität von Zagreb verliehen. 1965 wurde ihm der Doktortitel der Politikwissenschaften von der Universität Zagreb zugesprochen, nachdem man seine umstrittene Abhandlung zu den „Ursachen der Krise des monarchistischen Jugoslawiens seit seiner Entstehung 1918 bis zum Zerfall 1941.“ verteidigt hatte.

Von 1965 bis 1969 arbeitete er für die pädagogisch-kulturelle Kommission des Parlaments der Sozialistischen Republik Kroatien und als Präsident des Ausschusses der pädagogisch-kulturellen Kommission des Parlaments als Delegierter. Zudem war er Präsident der Kommission der Matica hrvatska für kroatische Geschichte.

Der Historiker und Dissident

Im Jahr 1967 wurde Franjo Tuđman aus der kommunistischen Partei (KPJ) wegen seinen gewagten politischen Thesen, die auf eine Teilung Bosniens zugunsten der kroatischen Republik wegen einer vermeintlichen Unterdrückung der kroatischen Volksgruppe in Bosnien abzielten und bereits in dieser Zeit als kroatisch-nationalistisch bezeichnet wurden, ausgeschlossen. Ebenso verlor er seinen Posten als Direktor in dem von ihm gegründeten „Instituts für die Geschichte der Arbeiterbewegung Kroatiens“ und seinen Posten als Professor an der Universität Zagreb. Ihm wurden alle öffentliche Ämter entzogen.

Nach der Beendigung der auch als Kroatischer Frühling bekannten kroatischen antikommunistischen Bewegung im Jahre 1971 wurde er, zusammen mit vielen weiteren prominenten Vertretern, wegen „konterrevolutionärer Umtriebe“ verhaftet und einer der Hauptangeklagten dieser Bewegung. Nur aufgrund einer Intervention durch den Schriftsteller Miroslav Krleža bei Josip Broz Tito wurde die langjährige Haftstrafe gegen ihn auf zwei Jahre verkürzt, die sich später dann auf 9 Monate verringerte. Im Februar 1981 wurde er erneut zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und es wurde ihm für weitere fünf Jahre verboten, westlichen Radio- und Fernsehagenturen Interviews zu geben. Zwischen 1982 und 1983 saß er wieder wegen „staatsfeindlicher Propaganda“ in Lepoglava in Haft. Dann wurde seine Haft wegen gesundheitlicher Probleme bis zum Mai 1984 unterbrochen. Im September 1984 wurde er deswegen endgültig auf freien Fuß gesetzt.

Nachdem er 1987 von den Behörden wieder einen Reisepass ausgehändigt bekam, reiste er zunächst nach Kanada und in die USA und danach durch Europa, wo er Vorträge über die kroatische Nationalbewegung hielt. Im Jahr 1989 gründete er die „Kroatische Demokratische Union“ (HDZ) und wurde deren Vorsitzender.

Sein Grab auf dem Zagreber Friedhof Mirogoj

Als Mitglied der kroatischen Akademie der Wissenschaften wurde Tudjman auch mehrfach international ausgezeichnet: „Catarina de Medici“ im November 1990, Ehrendoktorat der Universität La Jolla im Dezember 1990.

Erster Präsident Kroatiens

Statue von Tuđman in Selca

Im April 1990 fanden in Kroatien die ersten demokratischen Parlamentswahlen seit dem Zweiten Weltkrieg statt. Vom neu gewählten Parlament „Sabor“ wurde Franjo Tuđman am 30. Mai 1990 zum Präsidenten der damaligen Sozialistischen Teilrepublik Kroatien gewählt.

Am 19. Mai 1991 wurde ein Referendum zur politischen Zukunft Kroatiens abgehalten. Die Wahlbeteiligung lag bei 83,56 %. Dabei sprachen sich 94,17 % für die kroatische Souveränität aus. Auf Grund dieser Ergebnisse nahm das kroatische Parlament am 25. Juni 1991 den Verfassungsbeschluss über die Souveränität und Selbständigkeit Kroatiens an.

Nach Änderung der Verfassung Kroatiens wurde er am 2. September 1992 zum Präsidenten der souveränen Republik Kroatien gewählt.

Franjo Tuđman trat für ein unabhängiges Kroatien und freie Marktwirtschaft sowie für eine Mehrparteiendemokratie ein. In der politischen Praxis entwickelte sich jedoch ein autokratisches Regime unter der Vorherrschaft von Tuđmans nationalistischer Partei HDZ.

Bei seinen Bemühungen um die internationale Anerkennung nahm Franjo Tuđman an der Jugoslawien-Friedenskonferenz teil, die im September 1991 unter der Führung von Peter Carington in Den Haag begann. Die Schiedskommission der Jugoslawien-Friedenskonferenz, die unter der Leitung von Robert Badinter stand, kam am 7. Dezember 1991 zu dem Schluss, dass es sich „nicht um Abspaltung, sondern um einen Zerfall“ des ehemaligen Jugoslawien handele.

Am 15. Juni 1997 gewann Franjo Tuđman erneut die Präsidentschaftswahlen und blieb bis zu seinem Tod im Amt. Zuletzt war nicht ausgeschlossen, dass Tuđman wie Slobodan Milošević vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) wegen Kriegsverbrechen an Bosniaken in Bosnien und an Serben in Kroatien angeklagt werden würde. So wird Tuđman beispielsweise in der Anklageschrift gegen den kroatischen General Ante Gotovina als Teil einer „kriminellen Vereinigung“ bezeichnet, deren Ziel die gewaltsame und dauerhafte Vertreibung der serbischen Bevölkerung aus der Region Krajina gewesen sei.

Nach dem Ende der Ära Tuđman begann eine grundlegende Demokratisierung und Liberalisierung des Landes. Gleichzeitig wurde der Markt für ausländische Investoren geöffnet und stufenweise die kroatische Wirtschaft zu Ende kapitalisiert.

Kritik

Tuđman isolierte sich international als autoritärer Nationalist nach dem Friedensschluss von Dayton. Die Günstlingswirtschaft bei der Privatisierung von Staatseigentum mündete in Korruptionsskandale und Unternehmenspleiten.[1]

Im Jahr 1992 soll Tuđman im Rahmen des Propagandakrieges angeblich gesagt haben: „Juden rufen Neid und Hass hervor, sind stets das Opfer sowohl ihrer eigenen als auch fremder Ansprüche.“ Gleichzeitig waren jedoch mehrere Mitglieder der Regierung (Davor Stern, Slavko Goldstein, Andrija Hebrang) und Minister jüdischer Abstammung. Auf Fragen von Journalisten, warum Präsident Tuđman solche radikalen Äußerungen von sich gebe, entgegnete der damalige Außenminister Zvonimir Separović der Presse: „Die serbische Lobby in der Welt ist gefährlich, da sie mit jüdischen Organisationen zusammenarbeitet.“[2]

Wegen seiner Aussagen im 1989 erschienenen Buch Bespuća Povjesne Zbiljnosti (Irrwege der Geschichtswirklichkeit) wurde er seinerzeit scharf kritisiert. Vorrangig ging es dabei um die Aussage, dass im kroatischen KZ Jasenovac höchstens 30.000-40.000 Menschen umgekommen seien. Die genauen Opferzahlen sind bis heute Gegenstand historiografischer Kontroversen. Kritiker werfen Tuđman die Verharmlosung kroatischer Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs vor.

Werke

  • „Rat protiv rata“ („Der Krieg gegen den Krieg“), Zagreb 1957 - ein Buch über den Guerilla-/ Partisanenkrieg
  • „Uzroci krize monarhističke Jugoslavije od ujedinjenja 1918. do sloma 1941.“ („Ursachen der Krise des monarchistischen Jugoslawiens seit der Vereinigung 1918. bis zum Bruch 1941.“), Zagreb 1965 - seine Dissertation
  • „Velike ideje i mali narodi“ („Große Ideen und kleine Völker“), 1969
  • „Nacionalno pitanje u suvremenoj Europi“ („Die nationale Frage im zeitgenössischen Europa“), 1981
  • „Bespuća povijesne zbiljnosti“ („Irrwege der Geschichtswirklichkeit“), 1989
  • „Hrvatska u monarhističkoj Jugoslaviji“ („Kroatien im monarchistischen Jugoslawien“) 1 und 2, 1993
  • „Usudbene povjestice“ , 1995
  • „Hrvatska riječ svijetu“ („Kroatiens Wort für die Welt“), 1998
  • Beiträge zur Enciklopedija Jugoslavije und Vojna Enciklopedija

Weblinks

Fußnoten

  1. Siniša Kušić: Privatisierung im Transformationsprozeß am Beispiel der Republik Kroatien, DUV, Wiesbaden 2001.
  2. haGalil.com Von Chaim Frank

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