Typhus abdominalis

Typhus abdominalis
Klassifikation nach ICD-10
A01.0 Typhus abdominalis
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Als Typhus (von gr. typhos Dunst, Nebel, Schwindel), Typhus abdominalis, auch Bauchtyphus oder typhoid fever oder enterisches Fieber, wird eine Infektionskrankheit bezeichnet, die durch einen charakteristischen Krankheitsverlauf mit stufenförmigem Fieberanstieg, Bauchschmerzen, Obstipation und relativer Bradykardie gekennzeichnet ist. Die Krankheit wird durch das Bakterium Salmonella Typhi (Salmonella enterica ssp. enterica Serovar Typhi) hervorgerufen. Unbehandelt kann die Krankheit gefährlich verlaufen und zum Tod führen. In Deutschland und Österreich sind sowohl ein Verdacht als auch Erkrankung und Tod an Typhus meldepflichtig.

Als Paratyphus bezeichnet man ein abgeschwächtes Krankheitsbild des Typhus, deren Erreger nicht Salmonella typhi sondern Salmonella paratyphi ist.

Das Fleckfieber wurde früher auch als Typhus levissimus oder Typhus ambulatorius bezeichnet, obwohl es durch Rickettsien übertragen wird.

weltweite Verbreitung

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Flecktyphus ist seit dem Altertum verbreitet. 1546 wurde er von Fracastoro unter dem Namen morbus lenticularis abgegrenzt, der auch die Übertragungsgefahr von Mensch zu Mensch erkannte. Diese Annahme wurde 1556 durch zwei Epidemien in Neapel und in Ungarn bestätigt. Erst 1760 schlug Boissier de Sauvages den Namen Typhus vor.

Erreger

Erreger ist das Typhusbakterium (Salmonella enterica subsp. enterica Serovar Typhi), ein gram-negatives, begeißeltes Bakterium, das fäkal-oral übertragen wird, also beispielsweise durch verunreinigte Nahrungsmittel oder verschmutztes Wasser. Heutzutage ist Typhus vor allem ein Problem der Entwicklungsländer, Fälle in Industrienationen sind die Ausnahme – ein Großteil der hier auftretenden Typhuserkrankungen hängt mit Fernreisen der Betroffenen in Länder mit geringem hygienischen Standard zusammen. Bei Reisen in tropische Gebiete (z. B. Indien) sollte eine Immunisierung erwogen werden, auch wenn diese nur einen partiellen Schutz bietet. Weltweit erkranken jährlich etwa 32 Millionen Menschen.

Klinisches Bild

Roseolen auf der Brust eines an Typhus erkrankten Patienten

Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 8 bis 14 Tage, Extremwerte von 3 bis zu 60 Tagen sind beobachtet worden. Es kommt zunächst zu unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Mattigkeit, Kopfschmerzen, Verstopfung sowie zu einem treppenförmigen Fieberanstieg (1. Woche = Stadium incrementi). Nach ca. 8 Tagen wird ein Stadium von anhaltendem hohem Fieber (Fieberkontinuum mit 40 bis 41 °C) erreicht, das über Wochen andauern kann (2.-3. Woche = Stadium fastigii). Dabei findet sich eine relative Bradykardie. Hierunter wird ein relativ zum Fieber langsamer Herzschlag verstanden. Fieber ist sonst häufig mit einem schnelleren Herzschlag (Tachykardie) einhergehend. Außerdem lässt sich (wiederum im Gegensatz zu vielen anderen bakteriellen Infektionskrankheiten) eine Leukopenie feststellen. Hinzu kommen bisweilen Bewusstseinsstörungen (daher der Name), Milzschwellung und rötlich-fleckförmiger Hautausschlag am Oberkörper (Roseolen). Typisch ist auch die so genannte Typhuszunge, die in der Mitte deutlich grau-weißlich belegt ist, an den Rändern und der Zungenspitze jedoch freie rote Ränder zeigt. Durch die Zerstörung der Peyer-Plaques im Dünndarm entsteht der charakteristische erbsbreiartige Durchfall, der erst nach etwa 14 Tagen auftritt oder auch völlig fehlen kann. Darmperforationen, Haarausfall, Knocheneiterungen und Hirnhautentzündung sind möglich. Während der langen Genesungsphase sinkt das Fieber stufenweise ab (=Stadium decrementi).

In der Folge scheiden ca. 10% der unbehandelten Erkrankten für bis zu 3 Monate Typhusbakterien mit dem Stuhl oder Urin aus; 5% der unbehandelten Erkrankten werden zu sogenannten Dauerausscheidern (Ausscheidung >1 Jahr) der Salmonellen, da die Erreger in der Gallenblase und den Gallenwegen persistieren können. Begünstigt wird dies durch Anomalien der Gallenwege, z.B. Gallensteine. Die Dauerausscheider können, ohne selbst noch Krankheitszeichen zu zeigen, andere Personen anstecken.[1]

Diagnose

Die Stellung der Diagnose stützt sich auf die typische Klinik, die Anamnese (Reise in tropische Regionen, v.a. Indien, Nepal und Indonesien) und labormedizinische und bakteriologische Befunde. In der Untersuchung des Blutes lässt sich eine Verminderung der Anzahl weißer Blutkörperchen nachweisen (Leukopenie). Charakteristisch ist auch das Fehlen eosinophiler Leukozyten (Eosinopenie), einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen. Der bakteriologische Erregernachweis mithilfe von Blutkulturen gelingt in den ersten zwei Wochen der Krankheit und sichert die Diagnose. Nur initial im frühesten Erkrankungsstadium und nach zwei Wochen lässt sich der Erreger auch aus dem Stuhl züchten. Die vom Immunsystem des Organismus gebildeten Antikörper, die sich gegen spezielle Bakterienantigene richten (Antikörper gegen O/h Antigen) lassen sich etwa ab Ende der ersten Krankheitswoche serologisch mithilfe des Gruber-Widal-Antikörper-Nachweises nachweisen. Erst ab der dritten Krankheitswoche werden hohe Titer an Antikörpern erreicht (1:400–800). Bei initial begonnener Therapie mit Antibiotika kann der Nachweis von Antikörpern misslingen.[2]

Behandlung

Die Therapie der Typhusinfektion erfolgt mit Antibiotika. Vor Beginn der Therapie werden Blut- und Stuhlproben entnommen, um den Erreger nachzuweisen und – nach gelungener Anzucht des Erregers – eine Resistenzbestimmung gegenüber gebräuchlichen Antibiotika durchzuführen. Antibiotika der Wahl bei Erwachsenen sind neuere Chinolone wie Ciprofloxacin oder Ofloxacin für sieben bis zehn Tage. Alternativ können Cephalosporine der 3. Generation wie Ceftriaxon für ein bis zwei Wochen eingesetzt werden. Falls die genannten Substanzen aufgrund von Gegenanzeigen nicht eingesetzt werden können oder die Erreger resistent sind, kann die Therapie mit Cefixim, Azithromycin, Ampicillin, Cotrimoxazol oder Chloramphenicol durchgeführt werden. Insbesondere gegen die drei zuletzt genannten Wirkstoffe bestehen jedoch häufig Resistenzen.[3][4]

Prophylaxe

Hygiene ist der beste Schutz. Die auf Tropenreisen üblichen Maßnahmen, wie beispielsweise der Verzicht auf unzureichend gegarte Speisen und Leitungswasser, sollten auf jeden Fall beachtet werden. Obst sollte unmittelbar vor dem Verzehr geschält werden. Eine Impfprophylaxe gegen Typhus kann sowohl mit Tot- als auch mit Lebendimpfstoffen durchgeführt werden. Der Lebendimpfstoff enthält nicht-krankheitserregende (apathogene) Salmonella-typhi-Bakterien, die das Immunsystem zur Bildung von schützenden Antikörpern anregen. Der Lebendimpfstoff wird oral in magensaftresistenten Kapseln verabreicht, ist gut verträglich und schützt etwa 60–70 Prozent der Impflinge in Endemiegebieten für ein bis drei Jahre. Bei Reisenden wird eine Auffrischimpfung nach einem Jahr empfohlen. Der Totimpfstoff enthält ein Polysaccharid der Kapsel von Salmonella typhi, welches ebenfalls beim Impfling zur Bildung von Antikörpern führt. Der Impfstoff wird intramuskulär oder subkutan appliziert, ist gut verträglich und bietet etwa 64–72 Prozent der Geimpften einen Schutz über etwa drei Jahre.[5][6]

Literatur und Quellen

Einzelnachweise

  1. Hahn, Kaufmann, Schulz, Suerbaum:Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 6. Auflage. Springer Verlag, Heidelberg, 2009.
  2. M. Classen, V. Diehl, K. Kochsiek (Hrsg.):Innere Medizin. 5. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München, 2004. S.966
  3. W. Caspary, M. Kist, J. Stein (Hrsg.):Infektiologie des Gastrointestinaltraktes. 1.Auflage. Springer, Heidelberg 2006. S.212
  4. E. Hohmann, S. Calderwood, E. Baron:Treatment and prevention of typhoid fever. In: UpToDate, Rose, BD (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2008.
  5. W. Caspary, M. Kist, J. Stein (Hrsg.):Infektiologie des Gastrointestinaltraktes. 1.Auflage. Springer, Heidelberg 2006. S.437
  6. RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten – Merkblätter für Ärzte, zuletzt eingesehen am 20.04.2008

Weblinks

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