Türler-Uhr

Türler-Uhr

Die Türler-Uhr ist eine nach dem Familienunternehmen „Türler – Uhren & Juwelen“ benannte astronomische Uhr, die sich in dessen Stammhaus in Zürich am Paradeplatz befindet. Sie wurde von 1986 bis 1995 durch Jörg Spöring und Ludwig Oechslin geplant und ausgeführt. Die Türler-Uhr als ein synchron laufendes Modell des Kosmos steht in der Tradition astronomischer Uhren.

Die Türler-Uhr (Gesamtansicht)

Die Uhr hat eine Gesamthöhe von 220 cm und wiegt ohne den Granitsockel 160 kg. Sie ist überwiegend aus Messing gefertigt. Durch eine sorgfältige Finissage und Vergoldung aller Teile wurde ein Mechanismus geschaffen, der alle Lager und Reibungsflächen (mit Ausnahme der Hemmpartie) öl- und fettfrei und damit wartungsfrei laufen lässt. Die Uhr besteht aus 6 Baugruppen:

  1. Antriebsteil
  2. Uhrzeit und Kalendarium (Zifferblatt 1)
  3. Horizont (Zifferblatt 2)
  4. Globus
  5. Tellurium (Zifferblatt 3)
  6. Planetarium (Zifferblatt 4)

sowie 5 Werkgruppen. Die Uhr hat 4 kreuzförmig angeordnete Zifferblätter mit einem Durchmesser von 45 cm; in der Mitte als Kopfstück befindet sich der Globus.

Inhaltsverzeichnis

Mechanik und Antriebsteil

Die Uhr besteht aus 251 Rädern auf 155 Achsen und verwendet nur sparsam Schaltungen über Hebel:

  • Uhrzeit und Kalendarium: 58 Räder auf 35 Achsen
  • Horizont: 47 Räder auf 31 Achsen
  • Globus: 51 Räder auf 30 Achsen
  • Tellurium: 45 Räder auf 30 Achsen
  • Planetarium: 50 Räder auf 29 Achsen

Insgesamt werden 58 Dünnring-Kugellager, 86 Kugellager, 62 Mini-Kugellager, 49 Teflonlager und 60 Rubinlager verwendet. Verwendete Rohre sind teflonbeschichtet.

Für den Antrieb der Mechanik sorgt das grosse Gewicht zwischen den Granitsockeln. Es wird elektromotorisch alle 4 Stunden aufgezogen; den Strom liefern Sonnenkollektoren. Das Gewicht bewegt alle Anzeigen mit Ausnahme des Sekundenzeigers. Dieser sitzt auf der Welle des Ankerrades, das seinerseits durch ein kleines Gewicht angetrieben wird. Jede Minute wird das kleine Gewicht durch das grosse Gewicht wieder aufgezogen: gleichzeitig werden die Anzeigen weiterbewegt. Die Türler-Uhr verwendet als Ankerhemmung die nach George Graham benannte Hemmung in einer weiterentwickelten Form. Sie besitzt ein Präzisionssekundenpendel, das im Sekundentakt tickt. Die Genauigkeitskontrolle der Uhr wird mit Hilfe der vom deutschen Zeitzeichensender DCF77 empfangenen Sekundenmarken mit dem Gang der Weltzeit (UTC) (Sternzeit) synchron abgestimmt. Hierzu wirkt ein im Bodenteil befindlicher Elektromagnet je nach Bedarf beschleunigend oder verzögernd auf die Pendelschwingung ein. Der Strom zum Betrieb von Empfänger und Elektromagnet stammt von Sonnenkollektoren.

Uhrzeit und Kalendarium

Kalendarium

Das Zifferblatt zeigt die bürgerliche Zeit im 12-h-Turnus. Vier im innern kreuzförmig angeordnete kleinere Zifferblätter zeigen an:

  • Wochentag (Montag, Dienstag, …, Sonntag)
  • Monatstag = Datum (1, 2, 3, …, 31)
  • Monat (Januar, Februar, …, Dezember)
  • Jahr (bis 9999) und Sekunde (1, 2, …, 60).

Sekunde und Datum werden diskret, alle übrigen Anzeigen kontinuierlich angezeigt, um die Zeit als Kontinuum zu erleben. Die Jahreszahl ergibt sich aus der Ablesung von vier Ziffern (von aussen nach innen), die sich auf vier konzentrischen, sich drehenden Reifen rund um die Sekundenanzeige befinden. So lässt sich leicht Jahrtausend, Jahrhundert und Jahrzehnt ablesen, in dem wir leben. Der ewige Kalender folgt dem Gregorianischen Kalender und berücksichtigt auch alle Schalttage korrekt (alle 4 Jahre 29. Februar, keine Berücksichtigung alle 100 Jahre, alle 400 Jahre neuer Einschub eines Schalttages).

Horizont

Horizont

Das vom Dach des Stammsitzes in Zürich am Paradeplatz einsehbare 360°-Panorama der Stadt Zürich bildet die Bühne für die exakten Bewegungen von Sonne und Mond, bezogen und berechnet auf die Koordinaten des Stammhauses. Das die Anzeige umgebende 24-h-Zifferblatt lässt das Ablesen der wahren Sonnenzeit (Zeitgleichung) zu. Als wahrer Sonnentag wird die Zeitdauer zwischen zwei Meridiandurchgängen der Sonne bezeichnet. Dieser Tag ist um etwa 4 Minuten länger als ein Sterntag, der in Einheiten der Weltzeit 23 h 56 m 04,0905 s beträgt. Es werden Auf- und Untergangszeiten, die wechselnden Höhen von Sonne und Mond über dem Horizont im Jahresverlauf und auch Sonnen- und Mondfinsternisse angezeigt. Die Phasen des Mondes (Mondphasen) zeigt ein sich kontinuierlich drehendes schwarz-weisses Mondkügelchen.

Globus

Globus

Der 6-schalige Globus (Himmelskugel) als Kopfteil der Uhr entspricht dem geozentrischen Weltbild des Ptolemäus, denn im Mittelpunkt steht die Erde. Von innen nach aussen finden sich:

1. Der Erdglobus zeigt die Kontinente sowie Orientierungslinien wie Horizont, Ortsmeridian (Meridian), Zenit, Äquator, Wende- und Polarkreis. Er dreht sich in einem Sterntag einmal um sich selbst.

2. Der Mond kreist auf einer Glaskugel in 27 Tagen, 7 Stunden, 43 Minuten und 4,7712 Sekunden (tropischer Monat) um die Erde.

  • Der tropische Monat (27,321583 d; Jahreszeitlicher Mondumlauf); die Präzession wird beachtet.

Angezeigt werden aber auch

  • Der synodische Monat (29,53058968 d; Periode der Mondphasen).
  • Der drakonitische Monat (27,2122 d; Periode der gleichen Knoten der Mondbahn); er ist wichtig für die Sonnen- und Mondfinsternisse.
  • Der anomalistische Monat (27,555 d; Lauf des Mondes von einem Perigäumdurchgang zum nächsten).

3. Die Sonne befindet sich auf einer weiteren zweifarbigen Glaskugel mit den Tag- und Nachtgrenzen. Sie umrundet die Erde in einem tropischen Jahr: Die Zeit von einer Frühlings-Tagundnachtgleiche zur nächsten, also bis die Erdachse wieder den gleichen Winkel zur Sonne hat. Das tropische Jahr unterscheidet sich vom siderischen Jahr, weil die Erdachse langsam ihre Richtung ändert (Präzession). Das tatsächliche tropische Jahr nimmt säkular ganz langsam ab, aktuell um etwa 532 ms pro Jahrhundert. Dauer 2000.0: 365,2421988 Tage = 365 d 5 h 48 m 45,97632 s.

4. Der Sternhimmel auf einer weiteren Glaskugel. Von aussen betrachtet präsentieren sich die Sternbilder seitenverkehrt. Jeder Stern ist ein Goldplättchen in einer eingefrästen Vertiefung der Glasschale. Der Sternenhimmel dreht sich einmal in einem Platonischen Jahr, hier auf 25’794 Sonnenjahre festgelegt; eine Spielerei, weil kein Mensch einen Umlauf erleben kann. Um dies zu erreichen, musste ein Untersetzungsverhältnis zwischen einer Drehung des Sternenhimmels und einer Halbschwingung des Sekundenpendels von 813'993'528'636:1 gewählt werden. Die grosse Zahl entspricht den Sekunden des Platonischen Jahres.

5. Die Ekliptik als 5. Schale auf einem Drahtgestell, also die Projektion der scheinbaren Bahn der Sonne im Verlauf eines Jahres auf die Himmelskugel – mit Tierkreis.

6. Orientierungslinien (identisch mit denen auf der Erde) als Drahtgestell. Dieses bewegt sich synchron mit dem Erdglobus.

Tellurium

Tellurium

Das Tellurium dient zur Demonstration der Bewegungen von Erde (samt Eigenrotation) und Mond zur Sonne, die sich im Mittelpunkt des Zifferblattes befindet. Der äussere Anzeigering (Ekliptik = Bahnebene der Erde) zeigt die 12 Tierkreise, jeweils unterteilt in 30° und innen die 12 Kalendermonate. Die Anordnung zeigt weiter die um die Erde verlaufende Mondbahn und den gemeinsamen Lauf von Erde und Mond um die Sonne (Heliozentrisches Weltbild). Die Erdrotation entspricht einem Sterntag (23 h 56 m 04,0905 s), der Mondumlauf dem tropischen Monat (27,32158 d = 27 d 7 h 43 min 4,7712 s). Erde und Mond umkreisen die Sonne in einem tropischen Jahr (365,242199 d = 365 d 5 h 48 min 46s). Die natürlichen Grössenverhältnisse von Sonne, Erde und Mond konnten selbstverständlich nicht gewahrt werden. Die Erde ist von einem Ring (Ekliptik) umgeben, der die Tierkreiszeichen und Monate anzeigt. Der Zeiger gegenüber der Erde, der über den äusseren Anzeigering kreist, zeigt den exakten Stand der Sonne im tropischen Jahr. Auf dem Gegengewicht zur Mechanik der Erd- und Monddarstellung finden sich die Signaturen der Erbauer und des Auftraggebers sowie das Datum der Einweihung (21. Juni 1995) der Uhr.

Planetarium

Planetarium

Das Planetarium zeigt schematisch den Lauf der Planeten um die Sonne im Mittelpunkt (Heliozentrisches Weltbild). Die Ekliptik mit Tierkreiszeichen und jeweiliger Grad-Einteilung von 0° bis 30° befindet sich auf einem äusseren Ring. Die neun Planeten des Sonnensystems (von innen nach aussen: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto) umkreisen in konzentrischen Ringen die Sonne. Die Abstände von Merkur bis Mars wurden gegenseitig massstabsgetreu, von Jupiter bis Pluto aus Gründen der Darstellbarkeit in Massstäben von 1:3 bis 1:6,5 abgebildet. Die jeweiligen Planetenringe drehen sich gemäss ihren Umlaufzeiten um die Sonne:

  • Merkur: 87,96 d
  • Venus: 224,70 d
  • Erde: 365,25 d
  • Mars: 696,97 d (Abweichung 0,01 d)
  • Jupiter: 4332,58 d
  • Saturn: 10759,21 d
  • Uranus: 39685,93 d
  • Neptun: 60187,63 d (Abweichung 0,01 d)
  • Pluto: 90470,47 d (Abweichung 0,02 d)

Sehr gelungen ist die Wiedergabe der elliptischen Planetenbahnen gelöst: Jeder Planet ist auf der Peripherie eines kreisförmigen Scheibchens durch einen Pfeil markiert, dessen Radius die Exzentrizität der Planetenbahn beschreibt. Nur für Pluto musste die Kreisfläche durch einen Zeiger ersetzt werden, da dessen grosse Exzentrizität nach dem beschriebenen System zu grosse Flächen des Planetariums abgedeckt hätte. Die Scheibchen selbst bewegen sich auf kreisförmigen Bahnen, werden aber durch einen auf die Schwerkraft reagierenden Mechanismus in richtiger Lage gehalten. So konstruiert man aus zwei Kreisbewegungen eine Ellipse!

Würdigung

Zeitmessung und Kalenderwesen zählen mit zu den ältesten Zweigen der Astronomie. Alle dem Menschen natürlich erscheinenden Zeiteinheiten sind durch astronomische Phänomene bestimmt: das Jahr, der Monat, der Tag. Das Phänomen „Zeit“ hat Philosophen, Astronomen, Physiker u. v. a. m. von jeher nicht losgelassen. Erst in jüngster Vergangenheit ist mit der SI-Sekunde eine abstrakte Atomzeit definiert. Die Verbreitung mechanischer Uhren findet erst im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts statt. Astronomische Uhren, die in ansehnlicher Zahl zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum entstanden, sollten den Betrachter über die blosse Anzeige der Tageszeit hinaus zum tieferen Nachdenken über die Zeit anregen und ihm deutlich machen, dass die Lebenszeit nicht im Belieben der Menschen steht, sondern von Gott zugewiesen ist. Die Hersteller und Konstrukteure dieser Uhren genossen zu ihrer Zeit grosses Ansehen. Jede Uhr war ein Einzelstück mit besonderer Geschichte.

Die Türler-Uhr steht in der Tradition solcher Uhren, in dem sie uns durch ihre Anzeigen ein Modell des Kosmos und das Kontinuum der Zeit und ihre Vergänglichkeit vor Augen führt. Einzigartig ist der bewegte Kopfteil der Uhr. Einzigartig ist auch der Brückenschlag zu den Möglichkeiten der heutigen Zeitbestimmung und die Idee, sich die Antriebsenergie direkt von der Sonne schenken zu lassen.

Weblinks

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