Unerwünschte telefonische Werbung

Unerwünschte telefonische Werbung
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Als unerwünschte telefonische Werbung, auch Cold Calls, Kaltanrufe oder Kaltakquise, gelten so genannte Initiativ-Anrufe durch Unternehmen gegenüber Privatpersonen. Derartige, vom Angerufenen nicht ausdrücklich genehmigte Anrufe werden in Deutschland durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb untersagt.

Bei Missbrauch oder Zuwiderhandlung ist seit dem 4. August 2009 ein Bußgeld bis zu 50.000 Euro möglich.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliches

In der Europäischen Union begrenzt Artikel 13 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) die Telefonwerbung. Beim Umsetzen der EU-Vorschriften in nationales Recht bestimmt der Mitgliedstaat, welche Form der Werbung gegenüber Verbrauchern zulässig ist. Dabei gibt es zwei wesentliche Varianten. Beim Opt-Out-System darf der Verbraucher bis zum aktiven Widerspruch angerufen werden. Das Opt-In-System setzt voraus, dass der Verbraucher die aktive Einwilligung zum Anruf gegeben hat. Die EU-Vorschrift erzwingt es, dass Unternehmen und andere Nicht-Verbraucher „ausreichend“ geschützt werden.

Deutschland

„Cold-Call-Unternehmen sind heute Teil der organisierten Kriminalität. Diese lässt sich nicht durch halbherzige Gesetzesverschärfungen abschrecken; es muss vielmehr verhindert werden, dass diese Kreise überhaupt in den Besitz von personenbezogenen Daten kommen.“

Der Berliner Datenschutzbeauftragte 2009 [1]

Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung

Der Deutsche Bundestag beschloss am 26. März 2009 in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen. Es trat am 4. August 2009 in Kraft. Das Gesetz sieht verschiedene Änderungen und Klarstellungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dem Telekommunikationsgesetz und der BGB-Informationspflichten-Verordnung vor.

Verstöße gegen das schon zuvor bestehende Verbot der unerlaubten Telefonwerbung können nun mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Der § 7 Abs. 2 Nr. 2 des UWG wurde so umformuliert, dass ein Werbeanruf nur dann als zulässig zu betrachten ist, wenn der Angerufene vorher ausdrücklich erklärt hat, Werbeanrufe erhalten zu wollen. Bei Werbeanrufen darf der Anrufer seine Rufnummer nicht mehr unterdrücken, um seine Identität zu verschleiern. Bei Verstößen gegen diese Regelung drohen den Anrufern Geldbußen bis zu 10.000 Euro. Der Verbraucher bekommt außerdem mehr Möglichkeiten, Verträge zu widerrufen, die telefonisch abgeschlossen wurden. Auch Verträge über den Bezug von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie Lotterie-Dienstleistungen können nun – anders als zuvor – widerrufen werden.

Schon das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der alten Fassung stellte werbende Telefonanrufe ohne Einwilligung des Verbrauchers als unzumutbare Belästigung dar. Untersagt waren und sind Telefonanrufe, die eine Wettbewerbshandlung darstellen, d.h. Anrufe, die den Zweck verfolgen, den Absatz oder den Bezug von Waren, die Erbringung oder der Bezug von Dienstleistungen zu fördern. Eingeschlossen sind hierin unbewegliche Sachen, Rechte und Verpflichtungen.[2]

Nach einem Urteil des OLG Frankfurt aus dem Jahre 2005 (Az.: 6 U 175/04) genügt das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung nicht zur Annahme einer konkludenten oder ausdrücklichen Einwilligung eines Verbrauchers zu Werbeanrufen. Im vorliegenden Fall hatte eine Versicherungsgesellschaft eine Verbraucherin, die als Kundin bei dieser versichert war, angerufen, um den Abschluss weiterer Versicherungen zu erreichen. Das OLG Frankfurt in seiner Urteilsbegründung:

„Die demnach erforderliche Einwilligung des Versicherungsnehmers in solche Anrufe kann nicht darin gesehen werden, dass der Kunde bei Abschluss des Versicherungsvertrages ohne nähere Erläuterung seine Telefonnummer mitgeteilt hat. Denn hiermit bringt der Versicherungsnehmer regelmäßig nur sein Einverständnis zum Ausdruck, im Rahmen des bestehenden Versicherungsverhältnisses und des durch ihn begründeten Bereichs des Versicherungsschutzes angerufen zu werden (vgl. BGH a.a.O. – Telefonwerbung V, Seite 220, 221). Hierzu gehören etwa Anrufe anlässlich der Bearbeitung eines Schadensfalles oder zur Erinnerung an die Zahlung der Versicherungsprämien.“

[3]

Der Begriff der „Werbung“ wird nicht im UWG selbst, sondern auf europäischer Ebene definiert. Er geht letztlich auf Art. 2 Nr. 1 der EU-Irreführungsrichtlinie vom 10. September 1984 (84/450/EWG) zurück, die durch die EU-Richtlinie zur vergleichenden Werbung vom 6. Oktober 1997 (97/55/EG) geändert und ergänzt worden war. Danach ist Werbung

„…jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufes mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern.“

97/55/EG

Rechtlich bislang nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob bei einem Anruf eines Unternehmens mit bestehendem Geschäftsverhältnis dieses innerhalb eines das Vertragsverhältnis betreffenden Gesprächs ein branchenfremdes Angebot unterbreiten darf.

Ahndung

Die Bundesnetzagentur ahndet Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen, sie nimmt Anzeigen per Formblatt [1] oder per E-Mail (rufnummernmissbrauch@bnetza.de) entgegen.

57.000 schriftliche Beschwerden gingen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes am 4. August 2009 bis April 2010 bei der Bundesnetzagentur ein. Die Behörde verhängte in elf Verfahren Bußgelder in einer Gesamthöhe von 694.000 Euro. Die Bundesnetzagentur rief die Verbraucher weiterhin zu Anzeigen auf.[4]

Meinungs- und Marktforschung

Bezüglich der rechtlichen Situation bei Anrufen durch Marktforschungsinstitute gibt es mittlerweile Urteile, die eine Anrufberechtigung bei Verbrauchern verneinen. So urteilte das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2002:

„Die gleichen Grundsätze wie für eine unaufgeforderte Telefonwerbung gelten auch für unaufgeforderte Verbraucherumfragen, die von Marktforschungsunternehmen in gewerblichem Auftrag durchgeführt werden.“

OLG Stuttgart Az. 2 U 95/01

„Auch bei Anrufen zu Marktforschungszwecken überwiegt demnach das Interesse des einzelnen Betroffenen, ein Eindringen in seine Privatsphäre zu verhindern, gegenüber den Interessen des Marktforschungsunternehmens.“

Landgericht Hamburg, Urteil vom 30. Juni 2006[5]

Österreich

In Österreich sind Kaltanrufe in § 107 des 2003 erlassenen Telekommunikationsgesetzes geregelt. Unzulässig sind laut TKG jene Anrufe, die einen werbenden Charakter haben und ohne vorherige Einwilligung des Angerufenen erfolgen. Wie in Deutschland ist es in Österreich Marktforschungsunternehmen gestattet, Kaltanrufe durchzuführen, wenn diese tatsächlich der anonymen Datenerhebung dienen.[6]

Unerlaubte Kaltanrufe können mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu 58.000 Euro geahndet werden. Obwohl die Anrufe an sich illegal sind, sind zustande gekommene Verträge in Österreich rechtsgültig. Um die Konsumenten besser zu schützen, wurde im März 2011 im Nationalrat ein Paket verabschiedet, welches unter anderem das Rücktrittsrecht von solchen Verträgen neu regelt.[7]

Praxis

Laut Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) kam es allein im ersten Quartal 2006 zu 82,6 Millionen unaufgeforderten Anrufen in Deutschland. Die Verbraucherzentrale (Vzbv) geht von 300 Millionen unaufgeforderten Werbeanrufen im Jahr aus. Obwohl eine Selbstverpflichtung der CallCenter-Branche vorliegt, ignorieren auf kurzfristigen Profiterfolg abzielende Unternehmen die Arbeit der Branchenvertreter. Die Gesetzesänderung von 2009 zielte unter anderem darauf, unerwünschte Kaltanrufe zu unterbinden.[8]

Abwehrmöglichkeiten

Nach § 8 des UWG kann gegenüber dem, der unzulässige Telefonwerbung durchführt, auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung Anspruch erhoben werden. Der Anspruch auf Unterlassung steht dem Angerufenen unter Berufung auf §§ 823, 1004 BGB zu, da ein Cold Call eine unzulässige und unterlassungsfähige Belästigung darstellt. Auch können Mitbewerber, rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, Handwerkskammern, Verbraucherschutz- und Wettbewerbszentralen einen Verstoß gegen § 7 UWG und gemäß § 8 UWG einen Anspruch auf Unterlassung geltend machen.

Zudem können Verbraucherschützer und entsprechende Verbände den durch das unlautere Handeln erzielten Gewinn des Unternehmens einfordern und dem Bundeshaushalt zufließen lassen. Der Verbraucherschutz kann nach Übermittlung der Namen des ausführenden Unternehmens oder Auftraggebers und des jeweiligen Gesprächsgegners tätig werden. Das gesetzlich festgelegte Verbot unerlaubter Telefonwerbung wird in Deutschland von der Netzbehörde festgeschrieben[9]. Bei Verstößen gegen das Verbot der unerlaubten Telefonwerbung kann die Bundesnetzagentur nach dem UWG Bußgelder bis zu 50.000 Euro verhängen; bei Anrufen mit unterdrückter oder verfälschter Rufnummernanzeige bis zu 10.000 Euro.

Des Weiteren sind Telefonprovider zur Herausgabe von Namen und zustellungsfähiger Anschriften eines am Post-, Telekommunikations-, Tele- oder Mediendiensteverkehr Beteiligten gegenüber anspruchsberechtigten Stellen verpflichtet, auch gegenüber Verbraucherschützern.

Selbstkontrolle der Werbenden

1971 führte der Deutsche Dialogmarketing-Verband die Robinsonliste für Brief- bzw. Katalogpost ein. In dieser können Privatpersonen der Werbezusendung widersprechen. Seit dem 1. Oktober 2005 können Verbraucher ihren Eintrag anhand von 13 Kategorien spezifizieren, indem sie nur bestimmte Produkt- und Themenkreise auswählen, über die sie keinesfalls informiert werden wollen. Die Eintragung der eigenen Telefonnummer auf die Robinsonliste stellt durch den monatlichen Abgleich der Kundendaten sicher, dass zumindest seriöse Telemarketingfirmen nicht anrufen.

Darüber existieren mehrere Ehrenkodizes von Mitgliedern des Verbandes. Darin werden Selbstverpflichtungen für Unternehmen angeboten, in denen auch Methoden genannt sind, die nicht eingesetzt werden sollten. Insbesondere wird auf die Datenschutzbestimmungen, die Beachtung der Robinsonliste und das Unterlassen vorgetäuschter Meinungs- oder Marktforschungsumfragen sowie der Methoden des „Druckverkaufs“ hingewiesen.

Seit 2001 führt der I.D.I.-Verband die Robinsonlisten für E-Mail, Mobilfunk und Festnetztelefon gegen unerlaubte elektronische Kontaktaufnahme im Rahmen des Verbraucherschutzes. Hier können sich Verbraucher kostenlos eintragen und werden von einigen hundert Unternehmen der Werbebranche nicht mehr kontaktiert. Ein Schutz vor Werbetreibenden, die sich nicht an die Listen halten, ist so jedoch nicht gesichert.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alexander Dix: Datenschutz und Informationsfreiheit. Bericht 2009. Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (Hrsg.). Seite 147. (PDF; 1,3 MB).
  2. UWG § 7 Abs. 1 und 2 Nr. 2, 1. Alt. in Verbindung mit § 3 und § 2 Abs. 1 Nr. 1
  3. Urteil des OLG Frankfurt vom 21. Juli 2005
  4. Bundesnetzagentur verhängt weitere Bußgelder wegen unerlaubter Telefonwerbung. Pressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 29. Juli 2010.
  5. Urteil LG Hamburg Az. 309 S 276/05
  6. Österreichisches Telekommunikationsgesetz 2003
  7. Nationalrat beschließt Einschränkungen für Telefonkeiler, diepresse.com, 30. März 2011
  8. Verbraucherschützer fordert Ende aller Kaltanrufe
  9. Regulierer verhängt Bußgelder wegen unerlaubter Telefonwerbung
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