Ungarische Literatur des Mittelalters

Ungarische Literatur des Mittelalters
Das Nikolsburger Abc, 1483

Die ungarische Literatur des Mittelalters beginnt in der Zeit der Árpáden im 10. Jahrhundert und geht in die Renaissance über, deren Beginn in Ungarn mit dem Namen des Königs Matthias Corvinus eng verknüpft ist. Da der Großteil, etwa 99%, der mittelalterlichen ungarischen Kodices nicht erhalten sind, kann der Reichtum der Literatur dieser Zeit nur aus vereinzelten Werken rekonstruiert werden. Im Mittelalter war die vorherrschende Schriftsprache Latein. Die ersten ungarischsprachigen Texte gehen auf das 12. und 13. Jahrhundert zurück.

Inhaltsverzeichnis

Anfänge zur Zeit der Árpáden

Stein aus der Kirche in Vargyas mit ungarischen Runen. Vermutlich ein Taufbecken

Erhaltene Exemplare altungarischer Schrift zeugen davon, dass die Magyaren schon vor der Landnahme über eine Schrift verfügten. Daher wird vermutet, dass es auch literarische Formen gab. Die lateinische Schrift wurde erst unter der Herrschaft von König Stephan I. eingeführt. Die älteste erhaltene Darstellung der Runen mit lateinischer Entsprechung ist das Nikolsburger Abc (siehe Nikolsburg) aus dem 15. Jahrhundert. Die ungarische Literaturgeschichte beginnt im 11. Jahrhundert. Aus früherer Zeit gibt es keine erhaltenen literarischen Werke.

Rechts- und staatswissenschaftliche Literatur

In der Zeit nach der Gründung des Königreichs Ungarn war das literarische Schaffen auf den Kreis der Lateinkundigen beschränkt und eng mit der Entwicklung der katholischen Kirche verbunden. Die mittelalterlichen Autoren waren meist Priester oder gehörten christlichen Ordensgemeinschaften an.

Die ungarische Literatur spielte zu Beginn des 12. Jahrhunderts auch an den ersten Universitäten Westeuropas eine Rolle. Diese wurden regelmäßig von Ungarn besucht, beispielsweise die Universitäten Padua und Bologna. Sie studierten Rechtswissenschaften, Theologie und Philosophie, hauptsächlich unter Anwendung der scholastischen Methode. Manche, wie Paulus de Hungaria unterrichteten auch selbst. Paulus gehörte zu Beginn des 13. Jahrhunderts zum Kanon der Professoren in Bologna. Alexander de Hungaria lehrte um 1300 an der Sorbonne in Paris.

Neben Priestern und Mönchen gab es eine produktive Gruppe von Schriftgelehrten, die keine klerikale Laufbahn einschlugen. Diese sogenannten deákok (Deaken) verfassten rechts- und staatswissenschaftliche Dokumente, Gesetze, und Urkunden. Diese zeichnen sich durch ebenso sorgfältige, mit rhetorischen Mitteln ausgestattete Arbeit aus wie literarische Werke derselben Zeit.

Gesetze und Regelwerke:
Die nachweisbare ungarische Literatur beginnt mit dem Libellus de institutione morum ad Emericum, einem um 1015 von einem unbekannten Autor im Namen Stephans I. verfassten Regelwerk für Herzog Emmerich. Einige wichtige Namen im Zusammenhang mit Urkunden und Briefen sind:

  • Jean de Limoges und János Uzsai, ein ungarischer Rechtsgelehrter
  • Urkunden im Auftrag von: Ladislaus IV., Bela IV., Bela III. und Stephan V.
  • Bekannte Briefe:
    • De facto Ungariae Magnae von Bruder Julian enthält zwei Berichte über die Reisen von Dominikanermönchen zu dem sogenannten Land Magna Hungaria an der Wolga, der vermuteten Urheimat des Volkes. Zweck der Reise war es, dort sesshafte Magyaren aufzusuchen. Die damals noch hauptsächlich von Wolgabulgaren bewohnte Region gehört heute zu Tatarstan. Die Geschichte über die erste Reise im Jahr 1235 schrieb Ricardus, ein ungarischer Dominikaner, der am päpstlichen Hof arbeitete. Die zweite Reise beschrieb Julian selbst in Briefen an die Bischöfe von Perugia.
    • Béla IV. (Ungarn)|Bela IV.: Brief an den Papst vom 11. November 1250
    • Erzbischof Lodomerius (Ladomér): Ladomérs Schreiben vom 8. Mai 1288, eine Erinnerungsschrift, die Anklagen gegen Ladislaus IV. enthält

Anfänge der Geschichtsschreibung

Die Sage von Lehel in der Ungarischen Bilderchronik

Vorherrschende Gattung dieser Zeit war die Gestae. Im 11. Jahrhundert existierte wahrscheinlich eine Urgestae, die Überlieferungen der ungarischen Frühgeschichte enthielt. Zum vermuteten Inhalt gehörten die Herkunftssage des Hauses Árpád, die Geschichte vom Wunderhirschen und die Sage vom weißen Pferd aus der Zeit der Landnahme.

  • Das älteste erhaltene ungarische Geschichtswerk ist die Gesta Hungarorum eines unbekannten Verfassers, heute Anonymus genannt. Der Autor war Notar am Hof Belas III. oder Belas IV.. Seine Studien schloss er wahrscheinlich in Paris ab. Dort lernte er die Gattung der erzählenden Gestae kennen, die ihm als Muster für seine Schriften diente. Die Gesta Hungarorum wurde wohl mit Hilfe früherer Aufzeichnungen angefertigt. Mit ihr wurde die Geschichte des ungarischen Adels und der Nemzetség, einer einflussreichen, auf Verwandtschaftsbeziehungen basierenden gesellschaftlichen Gruppe bewahrt. Sie ist weiterhin eine Quelle für Volksdichtung und für die sogenannten regösénekek („Weihnachtszauberlieder“)[1].
  • Simon Kézai ist für eine weitere, um 1280 entstandene Chronik mit dem Titel Gesta Hungarorum bekannt, die ein zweites bedeutendes Werk der Geschichtsschreibung dieser Zeit darstellt. Kézai stützte sich auf ausländische historische Aufzeichnungen sowie auf frühere ungarische Quellen. Es beginnt mit der Geschichte von Hunor und Magor, einem Gesang über die gemeinsame Herkunft der Hunnen und Magyaren. Im ersten Buch befasst er sich mit der Geschichte der Hunnen bis zum Tod Attilas und dem Zusammenbruch seines Reichs, das zweite Buch handelt von den Magyaren vom Eintreffen im Karpatenbecken bis zum Jahr 1280.
  • Als historisches Werk ist auch Carmen miserabile von Meister Rogerius aus den 1240er Jahren zu nennen. Dabei handelt es sich um eine rhythmische prosaische Erzählung vom Mongolensturm.

Weltliche Literatur

Ein berühmtes Beispiel lateinischer Dichtung aus der Zeit der Árpáden ist Planctus destructionis Regni Ungarie per Tartaros eines unbekannten Verfassers. Das Werk ist um 1242 entstanden und stammt wahrscheinlich aus dem Umkreis von Bela IV. während dessen Flucht nach Dalmatien. Die Überfälle der tatarischen Horden werden darin als Strafe Gottes interpretiert. Gedanken aus diesem Werk blieben bis zur Zeit Nikolaus Graf Zrinskis häufiger Bestandteil der ungarischen Dichtung.

Religiöse Literatur

Hagiographie

Universitätsvorlesung in einer Darstellung aus dem 13. Jahrhundert

Das Leben und die Taten von Heiligen wurden meist in Form von Legenden festgehalten. Die bekanntesten Werke stammen von den Bischöfen Hartvik und Mór.

  • Die Legenden vom Heiligen König Stephan:
Die Legende über Stephan I. liegt in drei Versionen vor: „Die kleine Legende von König Stephan, dem Heiligen“, die „Die große Legende von König Stephan, dem Heiligen“ und „Die Legende von König Stephan, dem Heiligen von Bischof Hartvik“. Es ist nur der Autor der dritten Variante bekannt. Hartvik schrieb die Legende auf ein Gesuch von Koloman nieder. Er verarbeitete die beiden bereits bestehenden Texte, die zur Heiligsprechung des Königs im Jahr 1083 geschrieben wurden. Die große Legende von 1077 enthält die Heiligsprechung noch nicht. Die kleine Legende ist im Entstehungszeitpunkt hingegen erst nach 1083 anzusiedeln.
  • Die Legende vom Heiligen Emmerich:
Die Schrift ist nach 1083 entstanden, wie es auch dem Text zu entnehmen ist. Der Verfasser tritt in der Legende als der Deak Fulko auf. Fulko zieht im Jahr 1108 oder 1116 zusammen mit Herzog Álmos nach Konstantinopel. Es gibt einen Abschnitt, der darauf hinweist, dass Bischof Hartvik Emmerich kannte. Im Zentrum stehen Emmerich und der Sohn des Heiligen Stephan.
  • Die Legende vom Heiligen Bischof Gellért
  • Die Legende vom Heiligen König Ladislaus
  • Die Legende von der Seeligen Ilona
  • Die Legende vom Heiligen Andreas und Benedikt

Theologische Werke

Paulus de Hungaria, der Professor aus Bologna wurde Anhänger der Dominikaner und kehrte nach Ungarn zurück, wo sich eines der ersten dominikanischen Ausbreitungszentren befand. Im Auftrag des Ordensgründers schrieb er im Jahr 1221 die Summa de penitentia, ein Beicht-Handbuch.

Liturgie

Von den liturgischen Gesängen ungarischer Verfasser zählen die meisten zu den Gattungen der Sequenz und der Hymne. Es sind Hymnen über den die Heiligen Stephan, Emmerich und Ladislaus erhalten, aber auch über viele andere, wie die Heilige Elisabeth von Thüringen sowie die Heilige Margit von Ungarn, die beide aus dem Haus Árpád stammten.

In der ungarischen Hymnendichtung spielt eine eigene Gattung eine besondere Rolle, die Historia rythmica. Diese Form ist mit sogenannten zsolozsma-Messen verbunden, die außerhalb von Kirchen abgehalten wurden. Das Wort zsolozsma (sprich: scholoschma) ist slawischen Ursprungs und bedeutet „Dienst“. Die im Rahmen dieser Messen gesungenen Texte, darunter Hymnen, Antiphonen und Responsorien wurden mit dem übergreifenden Namen Historia rythmica bezeichnet. Sie sind keine echten epischen Dichtungen, enthalten aber typischerweise erzählerische Elemente und sind durch den Bezug auf ein gemeinsames Thema inhaltlich verbunden. Auf ähnliche Weise entstanden Zusammenstellungen von größerem Umfang über einige ungarische Heilige, die meist auf schablonenhafte Weise heilige und heldenhafte Passagen aus deren Leben betonten. Vereinzelte Elemente wurden im Lauf der gregorianischen Welle in die neuen Formen übertragen. Die Hymnendichtung wuchs in Ungarn weit über den Bereich kirchlicher Liturgie hinaus und bot Form und Rahmen für weitere Dichtungen.

Originaltext der Grabrede

Ein wichtiges liturgisches Werk stellt auch das Corde, voce, mente pura, die Geschichte Stephans in Versform dar. Vermutlich entstand es unter der Feder eines Augustinermönchs im Auftrag des Bischofs Lodomerius. Es erzählt von den menschlichen Zügen des Königs, betont aber insbesondere den Sieg über die Heiden und stellt Stephan als mächtige heilige Persönlichkeit dar.

Klagelied der Maria im Kodex von Löwen

Anfänge religiöser Literatur in ungarischer Sprache

  • Die kurz als Grabrede bezeichnete Halotti beszéd és könyörgés („Grabrede und Predigt“) ist das älteste erhaltene literarische Werk in ungarischer Sprache. Sie ist im Pray-Kodex festgehalten, ein zwischen 1192 und 1195 entstandener Sakramentar in ungarischer als auch lateinischer Sprache. Der Text der Rede besteht aus zwei Teilen. Beim ersten Teil handelt es sich um eine freie Übersetzung aus dem Lateinischen, die aus 26 Zeilen aufgebaut ist. Im Buch befindet sich die Übersetzung auf der dem Original folgenden Seite. Die aus sechs Zeilen bestehende Predigt ist dagegen genau übersetzt und steht einige Seiten vor dem lateinischen Text. Insgesamt sind 190 ungarische Wörter aus dieser Zeit erhalten. Beide Texte sind Kopien einer bereits zuvor existierenden Schriftversion unbekannten Ursprungs. Die Grabrede wird heute in der Széchényi-Nationalbibliothek aufbewahrt.
  • Die älteste erhaltene Dichtung in ungarischer Sprache ist das um 1300 entstandene Ómagyar Mária-siralom („Altungarisches Klagelied der Maria“). Dabei handelt es sich um eine Übersetzung einer lateinischen Hymne aus Frankreich. Die kunstvollen Sprache und dichterischen Mittel weisen darauf hin, dass es sich nicht um ein alleinstehendes Werk handelt, sondern dass es im Kontext weiterer lyrischer Werke stand. Ein vergleichbares dichterisches Niveau findet sich in Ungarn erst im Kreis der Renaissance-Dichtung des 16. Jahrhunderts wieder. Der Text befindet sich im Kodex von Leuven (bzw. Kodex von Löwen). Nach einem Austausch mittelalterlicher Schriftstücke zwischen der Katholischen Universität Leuven befindet sich das Original heute ebenfalls in der Ungarischen Nationalbibliothek.

Die Blüte der mittelalterlichen Literatur (Anjou-Epoche)

Seit dem 14. Jahrhundert verbreiteten sich Bücher (Kodices) zusehends. An die Stelle des Pergaments trat nun das billigere Papier. Außerdem wurde die gotische Schrift gebräuchlich. Im Jahr 1367 öffnete die Universität Pécs auf Betreiben des Fünfkirchener Bischofs Vilmos Koppenbachi. Die Universität hielt ihren Betrieb einige Jahrzehnte aufrecht.

Rhetorische Literatur am Hof

Im Rahmen höfischer rhetorischer Literatur sind folgende Dokumente zu nennen:

Chroniken

Seite in der Bilderchronik: Andreas III. kommt nach Ungarn
  • Die Chronica Hungarorum (bzw. A magyarok krónikája, dt.: „Die Chronik der Ungarn“) entstand um 1358. Sie ist eine der wichtigsten Quellen ungarischer mittelalterlicher Geschichte und zeichnet Ereignisse bis zur Zeit Karls I. nach. Es sind fünf handschriftliche Exemplare enthalten. Das berühmteste ist die Ungarische Bilderchronik, die mit wertvollen Illustrationen geschmückt ist.
  • Das Chronicon de Ludovico rege, der Lebensweg Ludwigs I. wurde von János Küküllei, einem königlichen Notar, in den Jahren 1364 und 1365 sowie um 1390 verfasst. Inhalt ist die aus Kreisen von Rittern hervorgegangene Herrschaft Ludwigs I. Das Werk ist aus zwei Teilen zusammengesetzt. Der erste, sorgfältig ausgearbeitete Teil beschreibt die ersten Jahre der Herrschaft. Von der Krönung Ludwigs an begleitet er jedes Ereignis mit detaillierten Schilderungen. Dabei achtete er auch auf einen sorgfältig komponierten Stil. Den zweiten Teil schrieb Küküllei am Ende seines Lebens, zwischen 1387 und 1394. Hier flossen Ereignisse ein, die der Verfasser teilweise als Augenzeuge miterlebt hatte. Weitere Informationsquellen stellten Urkunden aus der königlichen Kanzlei dar. Dieser Teil ist von weitaus geringerer Sorgfalt. Beispielsweise erwähnt er die Feldzüge der 1370er Jahre nicht. Der Stil ist eher nostalgisch und weniger gewählt.
  • Das 1363-1364 entstandene Werk eines namenlosen Minoriten, im Ungarischen als névtelen minorita bekannt, erzählt ebenfalls von König Ludwig. Der Inhalt bezieht sich auf Ereignisse zwischen den Jahren 1345 und 1355. Von diesem Werk sind nur Fragmente erhalten, die in den Text Kükülleis eingeflossen sind. Die erhaltenen Teile liegen in der Cronica de gestis Hungarorum (bzw. Dubnici-krónika) von 1479 vor, die ebenfalls aus der Hand eines unbekannten Verfassers stammt.

Über die Frage des Verfassers gibt es verschiedene Annahmen. Gyula Kristó, einem ungarischen Historiker des 20. Jahrhunderts zufolge gibt es zwei Autoren. Der erste war demnach András Anjou, der zum Neapler Kreis gehörte (siehe Jüngeres Haus Anjou). Dessen Werk wurde später von einem ungarischen minoritischen Mönch erweitert. Mehrere Forscher vermuten den im Werk mehrmals auftauchenden Namen Abt János, den Beichtvater der Elisabeth von Polen als zweiten Autor. Jedoch ist auch der Name Dénes Lackfi zu finden. Die Chronologie ist historisch nicht korrekt. Einerseits baut sie auf den Erfahrungen von Augenzeugen auf, teilweise fußt sie aber auf nicht glaubwürdigen Quellen. Das Werk ist typisch für die Art franziskanischer Geschichtsschreibung: die Informationen sind nicht immer exakt aber die Art der Darstellung ist sehr lebendig.

Nicht-ungarische Verfasser wichtiger geschichtlicher Werke über Ungarn:

  • Lorenzo de Monazis schrieb um 1390 Die Geschichte von Karl II. von Ungarn (II. (Kis) Károly története)
  • Eberhard Windeck war Hofschreiber König Sigismunds.
  • Helene Kottannerin (Geburtsname: Hvendler Ilona, ungarischer Name: Ilona Kottaner, in späteren Quellen auch: Ilona Hvendler) war eine Dienerin Königin Elisabeths, die in einer Verschwörung im Rahmen des Thronfolgestreits eine Rolle zugunsten Elisabeths spielte.
  • Henrik Mügeln schrieb im Jahr 1352 das Chronicon rhytmicum Hendrici de Mügeln und übersetzte das Werk 1360 in die deutsche Sprache.[1]

Weltliche Literatur

Anfänge der weltlichen Literatur in ungarischer Sprache

  • Von den europaweit beliebten epischen Dichtungen über Troja, Alexander den Großen, Tristan und Isolde sowie dem Rolandslied gab es auch ungarische Übersetzungen. Es wurden auch Gesänge und Balladen mit geschichtlichen Themen auf Ungarisch verfasst, ebenso über ungarische Persönlichkeiten und Helden. Beispiele hierfür sind Werke über Felicián Zách, Lőrinc Tar und Miklós Toldi. Die Schriftstücke ungarischer höfischer Literatur sind nicht erhalten. Spätere Dichter verwendeten das Material aber für ihre eigenen Werke. Dazu gehört Péter Selymes Ilosvai, der im 16. Jahrhundert auf der Grundlage mündlicher Überlieferungen eine Geschichte über Toldi in Versform niederschrieb.
  • Die Form der Hymnendichtung wurde abgewandelt und mit unterhaltsamen weltlichen Inhalten ausgestattet. Es existierten auch scharfe antiklerikale Satiren von durch Westeuropa reisenden Deaken (siehe Kapitel: Rechts- und staatswissenschaftliche Literatur), sogenannten Vaganten (vágánok). Das ungarische Wort vágány „(Gleis)“ ist etymologisch von diesem Begriff abgeleitet. Das früheste ungarischsprachige Werk der Vagantendichtung, das Planctus clericorum stammt aus dem 14. Jahrhundert. Darin wird das Papsttum kritisch angegriffen. Es enthält Enthüllungen darüber, wie der Papst seinen luxuriösen Lebensstil mit den hohen Steuergeldern finanziert.

Religiöse Literatur

Die religiöse Literatur Anjou-Epoche gleicht derjenigen aus der Àrpàdenzeit. Einerseits gab es an weltliche Gläubige adressierte Legenden und Predigten, andererseits für Priester geschriebene theologische Werke, dogmatische und kanonische Arbeiten, Bibelkommentare und gelehrte Predigten.

Lateinische Kirchenliteratur

Die Autoren theologischer Arbeiten schrieben gewöhnlich keine Originalwerke, sondern erweiterten und interpretierten frühere Texte. Die wichtigsten Gattungen waren die Legende und die Predigt. Die Regeln dieser Kunst, der ars predicandi war in Lehrbüchern festgehalten. Es gab zwei Haupttypen der Predigt: die sermo ad clericos, die sich an Priester richtete und die sermo ad laicos für die Reden an weltliche Gläubige. Erstere zeichneten sich durch anspruchsvollere Inhalte und wissenschaftliche Argumentationen aus. Sie wurden vor gelehrtem Publikum vorgetragen und setzten sich oft mit schwierigen theologischen Fragen auseinander. Die Letzteren waren Muster für die Predigten in der Muttersprache der Gläubigen. In anschaulichen Schilderung lehrhafter Geschichten bemühte man sich darum, abstrakte religiöse Themen allgemein verständlich zu machen. Von beiden Typen sind Exemplare erhalten, die von ungarischen Schriftgelehrten verfasst bzw. in Sammlungen zusammengestellt wurden.

  • Die Sermones sacri aus der Feder eines Franziskanerbruders sind Beispiele für diese Gattung. Sie entstanden in den 1310er Jahren. Ihre Bedeutung beruht auf der für die ungarische Literaturgeschichte bedeutenden Versform.
  • Die Sermones compilatae in Studio generali Quinque Ecclesiensi in Regno Ungariae, an der Universität von Pécs verfasste Reden, sind eine Sammlung theologischer und philosophischer Themen eines dominikanischen Gelehrten. Die Predigten wurden wahrscheinlich zu verschiedenen Festen ungarischer Heiliger an der Universität gehalten. Die Sammlung enthält fünf Predigten über Stephan, vier über Elisabeth, zwei über Ladislaus und eine über Emmerich, die sich an die heimischen Legenden der betreffenden Heiligen anlehnen. In ihrer Aussage unterscheiden sie sich aber nicht von den anderen theologischen Ausführungen.
Eine Seite aus dem Jókai-Kodex: Die Legende des Franz von Assisi

Religiöse Literatur in ungarischer Sprache

  • Die Legende des Heiligen Franz von Assisi ist der älteste Text der ungarischsprachigen epischen Literatur. Eine Kopie ist im Jókai-Kodex erhalten, dem ersten bekannten Buch, das vollständig in ungarischer Sprache geschrieben wurde. Dabei handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Lateinischen, in der das Leben des Franziskus aufgearbeitet wird.
  • Die Legende der Heiligen Margit ist ebenfalls ein bedeutendes Sprachdenkmal. Es ist jedoch nur eine Kopie aus dem 16. Jahrhundert vorhanden. Diese stammt von Lea Ráskay, einer Dominikanernonne im Klosters auf der Margareteninsel. Die Legende erzählt das Leben der Königstochter Margit und ihrer Wundertaten. Neben dem sprachgehistorischen Wert ist sie ein wichtiges Dokument der Geschichte des mittelalterlichen Königreichs und auch von kunstgeschichtlicher Bedeutung.

Literatur des Spätmittelalters und der pannonischen Renaissance

Geschichtsschreibung und rechtliche Literatur

  • Die Budai Krónika („Chronik von Buda“, Originaltitel: Chronica Hungarorum) aus dem Jahr 1473 war das erste in Ungarn gedruckte Buch. Es wurde in der Budaer Druckerei von András Hess angefertigt und handelt von der Geschichte des ungarischen Volkes seit der Zeit von Matthias Corvinus. Der unbekannte Autor verarbeitete die Chroniken des Márk Kálti aus der Anjou-Zeit, das Werk des Minoriten János sowie den Lebenslauf König Ludwigs I aus der Feder von János Küküllei.
Die erste Seite der Thuróczy-Chronik
  • Johannes de Thurocz (ungarisch János Thurócz) (* um 1435; † 1489) war ein weltlicher Gelehrter. Er war ab 1467 Notar am königlichen Gericht. Seine Chronik aus dem Jahr 1488 trägt im Original ebenfalls den Titel Chronica Hungarorum. Sie fasst die mittelalterliche Geschichtsschreibung Ungarns zusammen. Zusätzlich zu den früheren Chroniken nutzte er verschiedene nicht-ungarische geographische und historische Werke sowie Dokumente aus Briefsammlungen. Die Fakten schmückte er mit eigener Phantasie aus. Der Teil, der sich mit der Zeit von 1386 – 1458 befasst, kann als originale Erzählung Thuróczys betrachtet werden. Die Chronik erschien in Brünn und in Augsburg im Druck mit illustrierenden farbigen Holzschnitten. Diese Ausgabe war auch das zweite in Ungarn gedruckte geschichtliche Werk.
  • Bedeutende Autoren rechtlicher Literatur waren János Izsó Kékesi und János Magyi. Letzterer war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Notar in Buda. Seine Bedeutung beruht unter anderem auf der Urkundensammlung "Stylus curiae regiae". Mit einem eigenen Kodex setzte er eines der ältesten Versdenkmäler der Literatur in ungarischer Sprache.[2]

Weltliche Literatur

Entfaltung der ungarischsprachigen weltlichen Dichtung

Aus dem Spätmittelalter sind mehrere historische Gesänge, Deakengesänge und lyrische Verse erhalten. Aus diesen Werken lässt sich schließen, dass das älteste bekannte Versmaß ein Dimeter mit freier Anzahl an Silben ist, wobei die Zeilenenden Reime aufweisen. In mittelalterlichen Gedichten ist die sogenannte ungarische betonte Metrik typisch. In diesem metrischen System wechseln sich betonte und unbetonte Silben regelmäßig ab. Der Grund für diese Unterscheidung von der quantifizierenden Metrik liegt in der Beschaffenheit der ungarischen Sprache. Es wird grundsätzlich die erste Silbe eines Wortes betont. Hinzu kommt, dass die Länge der Worte im Ungarischen die Wortlänge in anderen Sprachen wie dem Deutschen oder Lateinischen übersteigt. Ein Takt besteht aus drei bis vier Silben, während es bei quantifizierender Metrik nur zwei oder drei Silben sind. Hier ein Beispiel aus einem Gedicht von Sándor Petőfi aus dem 19. Jahrhundert, einem Sechservers (insgesamt sechs Silben) mit Zweiertakt:

Reszket a / bokor, mert /
|+|-|-| / |+|-|- / | 3/3
Madárka / szállott rá. /
|+|-|-| / |+|-|- / | 3/3

Die akzentuierende Metrik entspricht der natürlichen Sprache und ihrem Rhythmus besser. Daher ist sie insbesondere in der ungarischen Volksdichtung zu finden. Allerdings kommt die aus der griechischen und lateinischen Tradition stammende quantifizierende Metrik ebenfalls in Ungarn vor. Hierbei fallen die Länge und Kürze der Vokale nicht notwendigerweise zusammen. [3]

Eine typische Ausprägung in der ungarischen Dichtung des Mittelalters ist die „antiquierende betonte Metrik“ (antikizáló hangsúlyos verselés), eine Mischform, die Elemente aus beiden Systemen enthält. Mit der Zeit wurde auch die Art der Reime in der ungarischen Dichtung weiterentwickelt.

Geschichtliche Epik:

  • Die Daltöredék Jajca megvételéről („Jajcer Fragmente des Lieds vom Kauf der Stadt“) stammen von einem unbekannten Autor.
  • Szabács viadala („Kampf von Šabac“) ist der älteste erhaltene und auch längste Gesang in ungarischer Sprache. Thematisch verarbeitet es eine der berühmten Taten des Königs Matthias mit der Glaubwürdigkeit eines Augenzeugenberichts. Es entstand um 1476. Der Autor trug das Lied vermutlich an der Tafel des Königs mit instrumentaler Begleitung vor. Der natürliche Stil, die inhaltliche Konsistenz und der Rhythmus machen das Werk auch heute noch gut lesbar. Die Zeilen bestehen meist aus zehn Silben.
  • Gergely éneke Jaksics Demeter veszedelméről („Gesang Gergelys von der Gefährlichkeit Demeter Jaksics“) ist ein aus sieben Strophen aufgebauter Gesang aus der Zeit vor 1490. Der Vajda Demeter Jaksics, der im Auftrag von König Matthias eine erfolgreiche Gesandtschaft beim türkischen Sultan unternahm und auf dem Nachhauseweg im Kampf gegen zahlenmäßig überlegene türkische Angreifer starb.
  • Ebenfalls aus der Hand eines unbekannten Autors stammet der Pannóniai ének („Pannonischen Gesang“).
Gyöngyösi-Kodex: „Néhai való jó Mátyás király...

propagandistische Deakengesänge:

  • Mihály Szabatkai
  • Geszti László éneke („Gesang László Gesztis“) eines unbekannten Autors

Grabinschriften:

  • János Lászai
  • Hunyadi epitáfium, unbekannter Verfasser
  • De sancto Ladislao, unbekannter Verfasser
  • Ének László királyról („Lied über König Ladislaus“), unbekannter Verfasser
  • Der Kodex von Gyöngyös enthält das Mátyás király halálára való emlékdal („Gedenklied an den Tod von König Matthias“). Der Beginn des Textes lautet Néhai való jó Mátyás király… (freie Übersetzung: Einst war der gute König Matthias... ). Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde das Lied im Jahr 1490 direkt nach dem Tod des Herrschers geschrieben. Der Kodex war Bestandteil der Bibliothek des Franziskanerklosters in Gyöngyös. Gegenwärtig ist er im Besitz der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.

Rekordáló énekek waren von Schülern vorgetragene Gesänge, die sich an Erwachsene richteten. Sie hatten nicht nur religiöse Inhalte, sondern befassten sich mitunter auch mit politischen Themen. Die Verfasser waren meist Schulmeister.[4]

Die Vagantendichtung erreichte mit der Ausbreitung weltlicher Literatur ihren Höhepunkt. An lateinischen Vorlagen wie dem Planctus clericorum aus dem 14. Jahrhundert orientiert, entstanden in dieser Zeit viele Beispiele für Vagantensatire in ungarischer Sprache. Dazu gehört der Kodex von Magy, einem Ort in Nordungarn und das Cantilena von Franciscus Batto de Apati. Der Autor wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts geboren. Die Cantilena schrieb er zwischen 1523 und 1526. Aus seinem Leben sind wenig Fakten bekannt. Man weiß jedoch, dass er an der Universität Pécs eingeschrieben war und keine kirchliche Laufbahn einschlug, sondern im Dienst adliger Familien stand.[5]

Sogenannte Virágénekek („Blumengesänge“) sind eine Form lyrischer Liebeslieder, die zu dieser Zeit sehr verbreitet waren. Das typische Stilmittel dieser Gesänge ist die Chiffre. Sie handeln von Liebe und Erotik. Die Bezeichnung leitet sich von der Symbolik der beschönigenden „Blumensprache“ ab. Die Lieder wurden als niedere Literatur betrachtet, und ihre Verbreitung war verboten. Daher liegen die seltenen erhaltenen Exemplare nur in Fragmenten vor. Die frühesten bekannten Stücke sind die Soproni virágének („Soproner Blumengesänge“) aus dem Jahr 1490. Die ältesten Fragmente sind das Körmöcbányai táncszó („Kremnicaer Tanzwort“) und die Zöldvári ének („Zöldvárer Gesänge“).

Literatur in den Klöstern

Lateinische Klosterliteratur

  • Das Werk Sermones tredecim universales („13 allgemeine Reden“) eines Dominikanermönchs war im 15. Jahrhundert in ganz Westeuropa beliebt. Die streng der scholastischen Methode folgenden, aber dennoch anwendungsorientierten Reden enthalten lehrreiche Beispiele über das Herrschen, das Dienen, den Tod und ähnliche Themen. Der belesene Verfasser kannte nicht nur die Kirchenväter und die großen mittelalterlichen Theologen, sondern auch die klassische antike Literatur.
  • Der Seelige Pelbárt von Temesvár (* um 1435 in Temesvár; † am 22. Januar 1504 in Buda) war ein Franziskanermönch, scholastischer Gelehrter und Prediger. Er schrieb zahlreiche lateinische Werke, v.a. Predigtsammlungen. Einige bekannte Arbeiten sind das Stellarium Coronae Mariae Virginis (Hagenau, 1498), das Pomerium (Sermones Pomerii, I – III., Hagenau, 1499) sowie Expositio libri Psalmorum. Die beiden erstgenannten Werke waren von europaweitem Einfluss.
  • Osvát Laskai war ein jüngerer Ordensbruder von Pelbárt. Auch sein Name ist mit dem Stellarium und dem Pomerium verbunden. Er unterscheidet sich aber in seinen Auffassungen von Pelbárt. In seinen Predigten ging es ihm hauptsächlich um die Bildung des einfachen Volkes. Er übte Kritik an den adeligen Kreisen und wollte das Selbstbewusstsein der Armen sowie das seiner Ordensbrüder stärken. Laskai vertritt auch eine frühe Form von Nationalbewusstsein, dem zufolge er das Ungartum als Schutzschild des christlichen Europas verstand. Er arbeitet an der Fortsetzung der Chronik der Franziskaner und beschäftigte sich mit Johannes von Kapistrano.[6]
  • Der Dichter Albertus Chanadinus (bzw. Albert Csanádi) lebte von 1492 bis 1512. Von seinen handschriftlichen Werken sind die Folgenden überliefert: „Reden zur Ehre des heiligen Eremiten Paulus“, das„ Leben des Heiligen Paulus“, eine Beschreibung der „Leiden von Jesus“ und eine „Hymne zum Fest der Verkündigung des Herrn“. Aus dem Leben des Autors sind nur wenige Einzelheiten bekannt. Er war Anhänger des Paulinerordens. Seine Arbeiten schuf er überwiegend in lateinischer Sprache.
Jordánszky-Kodex, die erste Bibel in ungarischer Sprache

Ungarische Klosterliteratur

Bibelübersetzungen:

  • Die erste Bibelübersetzung ist das umfangreichste und daher bedeutendste Sprachdenkmal des ungarischen Mittelalters. Es gab verschiedene Übersetzungen. Die Hussitenbibel, auch unter der älteren Bezeichnung Bibel der Franziskaner bekannt, stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Sie ist nur in Teilen in verschiedenen anderen Kodices erhalten.
  • Der Jordánszky-Kodex aus den Jahren 1516 bis 1519 enthält die zweitumfangreichste Bibelübersetzung. Sie ist vollständig überliefert und stammt aus der Feder eines unbekannten Mönchs.

Predigten und Gebete:

  • Der als „Unbekannter Kartäuser“ (Karthauzi Névtelen) bezeichnete Verfasser war einer der wichtigsten ungarischen Übersetzer des Spätmittelalters. Sein Werk ist als Kopie im Érdy-Kodex erhalten. Es beinhaltet Predigten für das ganze Jahr sowie die Legenden der 90 wichtigsten Heiligen des Kirchenjahres, worunter sich auch einige ungarische Heilige befinden. Der Kodex von Székelyudvarhely (siehe Székelyudvarhely) enthält Kopien franziskanischer Gebete und Meditationen des Kartäusers. Dabei handelt es sich nicht um eine Übersetzung, sondern es ist das erste erhaltene theologische Werk in ungarischer Sprache.
Die Legende von Barlaam und Josaphat

Religiöse Erzählungen:

  • Epische Legenden
    • Die Legende von Barlaam und Josaphat ist im Kazinczy-Kodex aus dem beginnenden 16. Jahrhundert erhalten. Es ist eine christliche Aufarbeitung der altindischen Geschichte Buddhas. Dabei stehen Josaphat, ein in indische Gefangenschaft geratener Prinz, und Barlam, ein Eremit im Zentrum der Handlung. Die beiden schließen Freundschaft, als Barlam Josaphat auf dessen Flucht Hilfe leistet. Er bringt Barlam auch zum christlichen Glauben. Später verzichtet der Prinz auf seinen Thron und schließt sich Barlam in der Wüste an.
    • Die Legende des Makarius ist eine mit weltlichen Elementen angereicherte Erzählung. Sie ist im Teleker Kodex aus den Jahren 1525-1531 festgehalten. Der Kodex stammt vermutlich aus der Hand von vier Autoren. Drei davon waren demnach Nonnen im Klarissenorden von Neumarkt am Mieresch. Der vierte Autor soll ein Franziskaner aus Sankt Georgen gewesen sein. Als Quelle für das Werk diente eine lateinische Legendensammlung. Weiterhin finden sich Einflüsse des damals beliebten Alexanderromans. Die Protagonisten sind drei wandernde Ordensleute, die das Himmelstor suchen. Unterwegs erleben sie märchenhafte und fantastische Abenteuer. Ihr Ziel erreichen sie nicht, jedoch lernen sie den Eremiten Makarius kennen, der ihnen die Wahrheit enthüllt.
    • Weitere wichtige Legenden sind die Elek-Legende, die Legende der Heiligen Anna, die Legende vom Heiligen Kreuz und die Legende der Heiligen Katharina.
  • Parabeln
    • A világ asszonya („Die Frau der Welt“)
    • A tanyán zsolozsmázó szerzetesek
    • Die Parabel A verembe esett ember („Vom Menschen, der in meine Grube fiel“) ist in die Geschichte von Barlaam und Josaphat eingewoben. Sie handelt von einem hurenden Menschen, der, von einem Einhorn verfolgt, in eine Grube springt. Dort klammert er sich an einen Busch, dessen Wurzeln von einer schwarzen und einer weißen Maus angenagt werden. Seine Beine schlägt er in die Wand der Grube. Es gibt drei Löcher in der Wand, aus denen vier giftige Schlangen kommen. Am Grund der Grube sitzt ein feuerspeiender Drache. Als aus der Wurzel des Busches Honig fließt, vergisst der Mensch die Gefahr, in der er sich befindet, und beginnt den Honig zu lecken. Nun erklärt Barlaam die Parabel dem Prinzen Josaphat folgendermaßen: die Grube ist das Leben, der Drache die Hölle, die weiße Maus der Tag und die schwarze Maus die Nacht. Die zwei Mäuse lassen den Menschen altern, die Schlangen verkörpern körperliche Gebrechen und der Honig steht für die weltlichen Vergnügen, die den Menschen verlocken und davon abhalten, die Gefahr zu sehen.
  • Erscheinungen
    • Zu Geschichten über Teufelserscheinungen zählen die Visio Filiberti und die Visio Tungdali.
    • Zu den himmlischen Visionen gehört Engelhards Exemplum mirabile.

Religiöse Lyrik:

Hymnus des Bernhard von Clairvaux im Czech-Kodex
Die 169. Seite des Peer-Kodex
  • Hymnenübersetzung und Gebete in Gedichtform
    • Der Prediger Antal Tatai leitete das Paulinerkloster des Heiligen Laurentius bei Buda, dessen Ruinen sich heute im 2. Bezirk von Budapest befinden. Er war seit 1487 der einzige ungarische Ordensgründer. Die Hymnen über Paulus von Theben schrieb er um 1476.
    • Der „Meister der Zehnzeiler“ (Tíz-sorosok mestere) war ein unbekannter Ordensanhänger und die erste Dichtergestalt mit eigenem Stil in ungarischer Sprache. Er gilt als Verfasser von vier Hymnenübersetzungen, die im Winkler-Kodex, einem hangeschriebenen Buch aus dem Jahr 1506 zu lesen sind. Asztalnak szent dícsérete („Heilige Lobpreisung der Tafel“), Jó és gonosz szerzetesnek dícséreti és szidalma („Lobpreisung und Schimpf guter und böser Ordensleute“), Szent ének, ki dícséri Szíz Máriát és az ő szent fiát („Heiliger Gesang zur Ehre der Jungfrau Maria und deren heiligen Sohnes“) sowie Istenes élet regulái („Regeln des göttlichen Lebens“).
    • Unter den übersetzten Hymnen ist weiterhin die „Hymne des Heiligen Bernhard zum gekreuzigten Christus“ im Czech-Kodex aus dem Jahr 1513 erwähnenswert. Es handelt sich nicht um eine wörtliche Übersetzung. Vielmehr brachte der Autor zahlreiche eigene Inspirationen in die freie Verarbeitung des Stoffes ein.
    • Der Franziskaner András Vásárhelyi ist der Verfasser eines der bedeutendsten Stücke religiöser ungarischer Lyrik, des Vásárhelyi András éneke a Szűz Máriához („Gesangs an die Jungfrau Maria von András Vásárhelyi“). Es erschien 1508 im Peer-Kodex. Gegenwärtig wird der Kodex in der Ungarischen Nationalbibliothek aufbewahrt.

Frühe Formen des Dramas:

  • Die frühen Dramen gehen auf Totentänze zurück, die sich im 14. Jahrhundert im Zuge der Pestplagen verbreiteten. Sie handeln davon, dass der Tod in den letzten Sekunden eines Menschenlebens zu einem letzten Tanz auffordert, während er dem Aufgeforderten die Geschichte seiner Verdammnis verkündet. Der Totentanz betont die Universalität des Todes, der keinen Unterschied vor dem gesellschaftlichen Status macht. Ein ungarisches Werk ist das im Példák könyve („Buch der Beispiele“) aus dem Jahr 1510 enthaltene Elmegyek meghalni („Ich gehe, um zu sterben“). Darin werden Charakteristika der zeitgenössischen Gesellschaft dargestellt.
  • Die vetélkedés war eine Art mittelalterlicher Streitschrift. Beispiele derartiger Übersetzungen aus dem beginnenden 16. Jahrhundert sind die Abhandlungen über Körper und Seele, über Leben und Tod, sowie um die Seele, weiterhin über die Apostel und der Streit der Engel und Teufel. Die Texte sind in Klöstern entstanden. Dort wurden sie mit untereinander aufgeteilten Textpassagen vorgelesen.
  • „Drei christliche Mädchen“ (Három körösztény leány) ist das erste erhaltene, im Original Ungarisch sprachige dramatische Werk. Die handschriftliche Aufzeichnung ist in dem um 1520 erschienenen Sándor-Kodex zu finden. Ursprünglich war das Stück ein deutsches Mysterienspiel aus dem 10. Jahrhundert. Die Übersetzung wurde um 1501 angefertigt. Das Stück war nicht für die Aufführung auf einer Bühne bestimmt. Lateinische Dramen wurden bei der Übersetzung ins Ungarische oft in eine epische Form übertragen. Inhaltlich ist es die Geschichte von drei Mädchen, die von den Türken gefangen genommen und vor den Sultan gebracht werden. Da sie sie sich nicht vom christlichen Glauben lossagen, werden sie ins Gefängnis geworfen. Der Gefängniswärter nimmt sie mit nach Hause, aber sie weisen diesen zurück. Von da an nimmt die Geschichte märchenhaften Stil an. Die Mädchen verwandeln den Wärter in einen Teufel. Dieser will die Mädchen auf die Folterbank bringen, jedoch werden seine Pläne durch weitere Wunder vereitelt. Auch der Sultan hört von den Geschehnissen und die Mädchen werden erneut grausamen Proben unterzogen, wobei ihnen wieder göttliche Wunder helfen. Schließlich erheben sie sich vor den erstaunten Türken in den Himmel.

Klösterliche Kodices

Die Legende der Heiligen Margit im Kodex von Lea Ráskay

Die meistend er bisher genannten religiösen Arbeiten in ungarischer Sprache, aber auch weltliche literarische Werke sind in Kodices der Klöster erhalten. Insgesamt sind 46 spätmittelalterliche ungarische Kodices bekannt. Die wichtigsten darunter sind:

  • Kodices aus Franziskanerklöster: Jokai-Kodex (Mitte des 15. Jahrhunderts), Guary-Kodex (Anfang 16. Jahrhundert), Winkler-Kodex (1506), Nádor-Kodex (1508), Bod-Kodex (1508), Kodex von Nagyszombat (siehe Nagyszombat, 1512-1513), Lobkowitz-Kodex (siehe Lobkowitz, 1514), Kodex von Keszthely (siehe Keszthely, 1522), Lázár-Kodex (1525), Kodex von Telek (siehe Telek 1525-1531), Kodex von Székelyudvarhely (1526-1528), Kazinczy-Kodex (1526-1545), Kodex von Tihany (siehe Telek, 1525-1531)
  • Kodices aus Paulinerklöstern: Festetich-Kodex (1493), Czech-Kodex (1513), Jordánszky-Kodex (1516-1519), Peer-Kodex (1526), Kodex von Gyöngyös (16. Jahrhundert)
  • Kodices aus Dominikanerklöstern:
    • Kopien der Nonne Lea Ráskay vom Kloster auf der Haseninsel: „Die Legende der Heiligen Margit“, 1510; „Buch der Beispiele“, 1510; Cornides-Kodex (1514-1519), Dominikaner-Kodex (1517), Horváth-Kodex (1522)
    • Kopien der Nonne Márta Sövényházi, die ebenfalls zeitweise im Kloster auf der Margareteninsel lebte:

Kodex von Érsekújvár (1529-1531), Thewrewk-Kodex (1531)

    • Sonstige Kopien: Sándor-Kodex (1521), „Büchlein“ (Könyvecske), 1521), Gömöry-Kodex (1516)
  • Kodices aus Prämonstratenserklöstern: Lányi-Kodex (1519), Kodex von Pozsony (1520)
  • Kodices aus Kartäuserklöstern: Érdy-kódex (1524-27)

Die ersten Humanisten: Matthias Corvinus und die Jagiellonen

Der humanistische Geist breitete sich außerhalb Italiens zunächst in Ungarn aus. Mit der Renaissance endet nach und nach die Epoche des Mittelalters in Europa. Die Übergänge sind jedoch fließend.Daher sind hier auch einige wichtige Persönlichkeiten aufgeführt, die bereits eindeutig der Renaissanceliteratur zuzuordnen sind. Ungarische und lateinische Sprache existierten nebeneinander.

  • Johann Vitez (* 1408; † 1472), Gründer der Universitas Istropolitana
  • Der Kartäuser Andreas Pannonius (* 1420, Todesjahr unbekannt) war der selbstständigste mittelalterliche ungarische Denker. Obwohl er in erster Linie mit der scholastischen Tradition verbunden war, rückten auch grundlegenden Fragen des Humanismus in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Sein Werk, z.B. das Expositio super Cantica canticorum Salomonis erlangte auch Beachtung in der internationalen theologischen Literatur.
  • Janus Pannonius (* 1434; † 1472)
König Matthias in der Thuróczy-Kronik
  • Gelehrte im Umkreis von Matthias Corvinus:
    • Galeotto Marzios Werk „Über die außerordentlichen, weisen, unterhaltsamen Sagen und Taten von König Matthias“ (Mátyás király kiváló, bölcs, tréfás mondásairól és tetteiről, 1485) enthält Anekdoten über Ereignisse in Ungarn im Rahmen des Humanismus.
    • Pietro Ransano (* 1428; † 1492) verfasste das „Jahrbuch von aller Zeiten“ (Minden idők évkönyvei). Obwohl der Autor sein ganzes Leben lang an diesem Buch arbeite, blieb es unvollständig. Sein Ziel war es, die gesamte Weltgeschichte aus der Sicht des religiösen Humanismus aufzuarbeiten. Als Quellen benutzte Ransano damals aktuelle Werke über Weltgeschichte sowie neue zeitgenössische Literatur. Es enthält auch Teile der ungarischen Geschichte wie zum Beispiel die Geschichte über Johann Hunyadi und die Schlacht von Warna.
    • Antonio Bonfini (* 1427; † 1502) schrieb die „Ungarische Geschichte“ (Magyar történet) im Auftrag von Matthias. Er erhielt dafür ein zehn Jahre dauerndes Stipendium aus der königlichen Schatzkammer.

Die Zeit der Jagiellonen

  • Stephanus Taurinus: Stauromachina
  • Márton Nagyszombati: „An die Fürsten von Ungarn“ (Magyarország főuraihoz)
  • IstvánWerbőczy (1460-1541) verfasste das 1517 erschienene Tripartitum. Es verteidigt das feudalistische Rechtssystem im Interesse des ungarischen Adels. Die Rechtssammlung wurde erhielt nie Gesetzesstatus. Dennoch hatte das Werk bis ins 19. Jahrhundert nachweisbaren Einfluss auf das ungarische Rechtswesen.
  • István Brodarics (1470-1539) ist der Autor der „“Wahren Geschichte (Igaz történet, De conflictu Hungarorum cum Solymano Turcorum imperatore ad Mohach historia verissima) über die Schlacht bei Mohács (1526), erschienen im Jahr nach der Schlacht 1527. Das Werk ist sowohl von kunsthistorischema als auch literarischem Wert. Zudem stellt es eine wichtige historische Quelle dar.

Die Druckerei von András Hess

Matthias Corvinus holte einen der ersten Schüler von Gutenberg, den wahrscheinlich deutschstämmigen András Hess von Rom nach Buda, wo er 1472 seine Werkstatt eröffnete. Am 5. Juni 1473 erschien das erste Buch in Ungarn, die bereits erwähnte Budaer Chronik (Budai krónika, ursprünglicher Titel: Chronica Hungarorum). Ungarn war das sechste Land, in dem der Buchdruck begann. Ungewöhnlich ist dabei, dass es sich bei dem ersten Druckwerk um weltliche Literatur handelt. Die ersten Exemplare waren schnell vergriffen. Die Zahl der Auflage wird auf 240 geschätzt. Später wurden davon noch zahlreiche handschriftliche Kopien angefertigt. Heute sind noch zehn Exemplare erhalten. Außer der Budaer Chronik sind noch zwei lateinische Übersetzungen griechischer Werke in der Druckerei von Hess herausgegeben: „Über das Lesen von Dichtern“ von Basilius dem Großen und die Apologie des Xenophon. Nach Hess' Tod wurde die Druckerei nicht weiter betrieben.

Einzelnachweise

  1. Klaniczay, Gábor; Pálmai Eva: Holy Rulers and Blessed Princesses: Dynastic Cults in Medieval Central Europe. Cambridge University Press, 2002, ISBN 0-521-42018-0, 9780521420181, S. 191

Quellen

Kálmán, Réka: Die Übersetzerstätigkeit von Hugo Melzl im Falle des Gedichtes "Der Strauch erzittert, denn." Abgerufen am 26.Oktober 2008 (deutsch).

Klaniczay, Gábor; Pálmai Eva: “Holy Rulers and Blessed Princesses: Dynastic Cults in Medieval Central Europe”. Cambridge University Press, 2002, ISBN 0-521-42018-0

Thót, Alfréd: Hungaro-Raetica. 2007, S. 39, abgerufen am 26.Oktober 2008 (.pdf, deutsch).

A rekordáló ének. Magyar elektronikus könyvtár, abgerufen am 26.Oktober 2008 (ungarisch).

A vágáns szatíra. Magyar elektronikus könyvtár, abgerufen am 26.Oktober 2008 (ungarisch).

János Magyi, Nicolaus de Mirabilibus, Gábor Pécsváradi. Magyar elektronikus könyvtár, abgerufen am 26.Oktober 2008 (deutsch).

Siehe auch

Weblinks

Der Artikel Ungarische Literatur des Mittelalters basiert ursprünglich auf einer Übersetzung von Középkori magyar irodalom aus der ungarischen Wikipedia, Version vom 31. August 2008, 06:13. Eine Liste der Autoren ist hier verfügbar. Der Inhalt ist unter der Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Unported Lizenz sowie der GNU-Lizenz für freie Dokumentation verfügbar.

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