Ungerade Rede

Ungerade Rede

Als opaker Kontext wird in der Sprachphilosophie ein sprachlicher Kontext bezeichnet, in dem es nicht möglich ist, Ausdrücke durch andere mit gleichem Bedeutungsumfang zu ersetzen, ohne dadurch den Wahrheitsgehalt der Aussage zu verändern.

Gottlob Frege verwendet für opake Kontexte den Begriff "ungerade Rede". Die Untersuchung von opaken Kontexten spielt eine Rolle für die (philosophische) Theorie der Eigennamen, die Theorie der Kennzeichnungen sowie für Modallogik und epistemische Logik (siehe auch unten Anwendungen).

Inhaltsverzeichnis

Erläuterung

Ko-Extensionalität

Eigennamen bzw. Kennzeichnungen sind ko-extensional, wenn sie dasselbe Ding bezeichnen. Ko-extensional sind demnach die Ausdrücke

und ebenso:

  • die Zahl Acht
  • die Zahl der Planeten

(Das letztere Beispiel stammt von Willard Van Orman Quine mit ursprünglich neun Planeten.) Von ko-extensionalen Begriffen oder Prädikaten spricht man, wenn die durch sie beschriebenen Mengen gleich sind bzw. wenn alles, dem der eine Begriff zukommt, auch der andere Begriff zukommt und umgekehrt. Ko-extensionale Begriffe wären demnach:

  • Lebewesen mit Herz
  • Lebewesen mit Nieren

da man davon ausgeht, dass alle Lebewesen, die ein Herz haben, auch Nieren haben und umgekehrt.

Ersetzbarkeit salva veritate

Unter normalen Umständen ändert sich die Wahrheit bzw. Falschheit einer Aussage nicht, wenn man in ihr einen Ausdruck durch einen ko-extensionalen ersetzt, man spricht daher auch von "Ersetzbarkeit salva veritate". Ersetzen wir beispielsweise in

Frank bestieg den Mount Everest.

den Ausdruck "Mount Everest" durch "der höchste Berg der Erde", so erhalten wir

Frank bestieg den höchsten Berg der Erde

Diese beiden Sätze müssen nun "denselben Wahrheitswert" haben, d.h. wenn der erste Satz wahr ist, muss auch der zweite Satz wahr sein und umgekehrt. Analog ist es mit:

Alle Lebewesen mit Herz sind Säugetiere, und
Alle Lebewesen mit Nieren sind Säugetiere

auch diese Sätze sind entweder beide wahr oder beide falsch.

Opaker Kontext

Opake Kontexte sind nun spezielle sprachliche Konstruktionen, in denen die gewöhnlich geltende Ersetzbarkeit ko-extensionaler Ausdrücke salve veritate außer Kraft gesetzt ist. Man betrachte hierzu die folgenden Sätze:

Peter glaubt, dass Frank den Mount Everest bestiegen hat.
Peter glaubt, dass Frank den höchsten Berg der Erde bestiegen hat.

Hier könnte es tatsächlich sein, dass der erste Satz wahr und der zweite falsch ist. (Voraussetzung hierfür wäre, dass Peter nicht weiß, dass der Mount Everest der höchste Berg der Erde ist.) Ganz ähnlich ist es mit den Sätzen:

Peter glaubt, dass alle Tiere mit Herz Säugetiere sind.
Peter glaubt, dass alle Tiere mit Nieren Säugetiere sind.

Man sagt daher, dass der Ausdruck "glauben" für den opaken Kontext verantwortlich ist bzw. dass "glauben" einen opaken Kontext "eröffnet". Ähnlich ist es mit anderen Konstruktionen, die innere Einstellungen zum Ausdruck bringen wie "fürchten, dass", "sich freuen, dass", "wissen, dass" usw.

Eine andere Klasse von Ausdrücken, die opake Kontexte eröffnen, sind Modalausdrücke wie "notwendig" und "möglich". Als Beispiel sollen die folgenden Sätze dienen

Die Zahl Acht ist notwendigerweise gerade.
Die Zahl der Planeten ist notwendigerweise gerade.

Der erste Satz ist wahr, da er eine mathematische Wahrheit ausdrückt, es sind keine Umstände denkbar, unter denen die Zahl Acht nicht gerade gewesen wäre. Der zweite Satz ist jedoch falsch, die Zahl der Planeten ist zwar gerade, aber dies ist keineswegs notwendig, es hätte genauso gut einen Planeten mehr oder weniger geben können. Dies zeigt, dass auch in modalen Kontexten die Ersetzbarkeit ko-extensionaler Ausdrücke nicht generell gewährleistet ist, dass es sich also um opake Kontexte handelt.

Anwendungen

Die Theorie der opaken Kontexte ist relevant für die Epistemische Logik, also diejenige Unterdisziplin der Logik, die sich mit der Analyse von Ausdrücken wie "glauben, dass", "wissen, dass" beschäftigt. Bei der Formulierung der hier geltenden Gesetzmäßigkeiten muss berücksichtigt werden, dass der Schluss einer Aussage wie "Peter glaubt, dass Frank den Mount Everest bestiegen hat." auf "Peter glaubt, dass Frank den höchsten Berg der Erde bestiegen hat." nicht allgemeingültig ist, aber unter der Voraussetzung gilt: "Peter glaubt, dass der Mount Everest der höchste Berg der Erde ist". Ganz analoges gilt für die Modallogik, also die Unterdisziplin der Logik, die sich mit den Ausdrücken "notwendig" und "möglich" befasst.

Siehe auch


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