Basisgemeinde

Basisgemeinde

Basisgemeinde ist der gebräuchliche deutsche Begriff für christliche, meist katholische Gruppen oder Gemeinschaften, die sich vor allem seit den fünfziger Jahren in Lateinamerika gebildet haben. Auf Spanisch heißen sie comunidad eclesial de base, zu deutsch: Kirchliche Basisgemeinschaft.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) und die II. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats in Medellín (1968) unterstützten die Selbstorganisation der Laien in der katholischen Kirche. Aus diesem Grund – und parallel zur Entwicklung der Theologie der Befreiung – entstanden in den sechziger, siebziger und bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern Lateinamerikas Basisgemeinden, vor allem in den wirtschaftlichen Randgebieten und unter den Armen. Sie entwickelten teilweise ein starkes politisches Bewusstsein, vor allem in Brasilien und in Nicaragua, wo die Revolution (1979) über einen starken Rückhalt in den Basisgemeinden verfügte. Seit den neunziger Jahren entwickeln sich die Basisgemeinden mit verschiedenen Schwerpunkten: aus afroamerikanischer, feministischer, ökologischer oder indianischer Perspektive.

Weltweite Bedeutung

Die lateinamerikanischen Basisgemeinden fanden großes Interesse und auch Nachahmerinnen in Europa und Nordamerika. In Afrika und Asien entwickelten sich gleichzeitig ähnliche Strukturen in der katholischen Kirche – dort meist unter dem Namen Small Christian Communities – Kleine Christliche Gemeinschaften. Gegenwärtig finden zahlreiche Prozesse der Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen kontinentalen Strömungen statt.

In Europa bildeten sich vor allem in Spanien, Italien und den Niederlanden Basisgemeindenbewegungen. Auch in Deutschland gab es einige Versuche. Von Seiten der Befreiungstheologie wurde verschiedentlich kritisiert, dass die deutsche Rezeption des Basisgemeindenkonzepts häufig den politischen Inhalt des lateinamerikanischen Vorbilds ignoriere und in den Basisgemeinden lediglich ein neues ekklesiologisches Paradigma sähe, sie also als rein kirchliche Entwicklung interpretiere.[1]

Die praktischen Theologen Norbert Mette und Hermann Steinkamp entwickelten ihr Konzept der Sozialpastoral u. a. anhand einer kritsch-solidarischen Auseinandersetzung mit den Basisgemeinden und ihrer Rezeption in Deutschland.[2]

Literatur

  • Sybille Bachmann: Kirchliche Basisgemeinden in Zentralamerika. Entstehung, Entwicklung, Gedankengut. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1993 (Würzburger Studien zur Fundamentaltheologie. Band 15).
  • Leonardo Boff: Die Neuentdeckung der Kirche. Basisgemeinden in Lateinamerika. Grünewald, Mainz 1980.
  • Wolfgang Max Burggraf: Von Büschen und Graswurzeln, in: Martin Seidler u.a. (Hrsg.): Kirche lebt von … 2000.
  • Joseph G. Healey, Jeanne Hinton (Hrsg.): Small Christian Communities Today. Capturing the New Moment. Orbis Books, Maryknoll 2005.
  • Elmar Klinger, Rolf Zerfaß (Hrsg.): Die Basisgemeinden – ein Schritt auf dem Weg zur Kirche des Konzils. Echter, Würzburg 1984.
  • Antonio Reiser, Paul Gerhard Schoenborn: Basisgemeinden und Befreiung. Lesebuch zur Theologie und christlichen Praxis in Lateinamerika. Jugenddienst, Wuppertal 1981.
  • Stefan Silber: Anerkennung und Autonomie. Das Zusammenspiel von Basis und Hierarchie in den lateinamerikanischen Basisgemeinden. In: Diakonia. 38, 3, 2007 S. 166–172. (online)
  • Franz Weber: Gewagte Inkulturation. Basisgemeinden in Brasilien – eine pastoralgeschichtliche Zwischenbilanz. Mit einem Vorwort von Bischof Erwin Kräutler. Grünewald, Mainz 1996.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Michael Ramminger: Kirchenkritische Bewegungen in der BRD und Theologie der Befreiung. In: Raúl Fornet-Betancort (Hrsg.): Befreiungstheologie. Kritischer Rückblick und Perspektiven für die Zukunft. 3. Band. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1997, S. 113–128.
  2. Norbert Mette, Hermann Steinkamp: (Kreative) Rezeption der Befreiungstheologie in der praktischen Theologie. In: Raúl Fornet-Betancort (Hrsg.): Befreiungstheologie. Kritischer Rückblick und Perspektiven für die Zukunft. 3. Band. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1997.

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