Unternehmen Wintergewitter

Unternehmen Wintergewitter

Unternehmen Wintergewitter war der Deckname für einen im Zweiten Weltkrieg fehlgeschlagenen Entsatzangriff der deutschen Heeresgruppe Don, um die im Laufe der Schlacht von Stalingrad eingeschlossene 6. Armee zu befreien (12.–23. Dezember 1942).

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Sturmgeschütz III vor Stalingrad im September 1942

Im Rahmen der Operation Blau, dem Angriff auf den Kaukasus, war die 6. Armee (Heeresgruppe B) ab Anfang September 1942 in Stalingrad eingedrungen, wo sie seither in schweren Kämpfen gegen die Rote Armee stand, ohne die Stadt vollständig einnehmen zu können. Die Einnahme der Stadt an der Wolga war jedoch von extremer strategischer Bedeutung, kreuzten sich hier doch viele wichtige Bahnverbindungen und auch die Wolga selber war ein strategischer Transportweg. Die Wehrmacht kam jedoch nur sehr langsam voran, da die sowjetischen Truppen größtmöglichen Widerstand leisteten. Die deutsche Wehrmacht musste zudem die Erfahrung machen, dass sich Ruinen besser verteidigen lassen als intakte Gebäude. Seit Oktober meldeten die deutschen Armeeverbände im Raum Stalingrad große feindliche Truppenkonzentrationen, die über einen örtlichen Charakter hinausgingen. Bei der 4. Panzerarmee warnte man davor, dass der voraussichtliche Angriff die Einschließung der deutschen Verbände zum Ziel haben werde. Die Feindaufklärung ließ zudem erkennen, dass der Angriff gegen die Front der rumänischen 3. Armee nördlich Stalingrads erfolgen werde. Dem stand allerdings die Auffassung Hitlers entgegen, dass er, wenn überhaupt, weiter westlich gegen die italienische 8. Armee gerichtet sein werde. Er verbot die Einstellung der Kämpfe um Stalingrad, so dass alle Divisionen der 6. Armee gebunden waren. Die offensichtlich gefährdete Front wurde nicht zurückgenommen. Die rumänische 3. Armee sollte zwar durch die deutsche 22. Panzerdivision verstärkt werden, deren Unterstellung erfolgte jedoch zu spät, um noch rechtzeitig vor dem Angriff an Ort und Stelle einzutreffen.

Der Angriff durch die Südwestfront (Watutin) und die Donfront (Rokossowski) begann am 19. November um vier Uhr morgens mit einem vierstündigen Artilleriebeschuss aus 800 Geschützen und Raketenwerfern. Danach kamen die sowjetischen Panzer mit aufgesessener Infanterie und massive Angriffe sowjetischer Schlachtflieger auf die rückwärtigen Stellungen. Die rumänische 3. Armee wurde von derart massiven Angriffen demoralisiert und leistete nur noch sporadisch Widerstand, der die angreifende Rotarmee kaum behinderte. Die deutschen Divisionen auf der südlichen Flanke des Durchbruchs wurden nach Süden in den entstehenden Kessel abgedrängt. Einen Tag später trat südlich Stalingrads die sowjetische Stalingrader Front (Jerjomenko) nach zweistündiger Artillerievorbereitung zum Angriff an. Er richtete sich wie erwartet gegen das rumänische VI. Armeekorps, das völlig zusammenbrach. Am 21. November musste sich das Oberkommando der 4. Panzerarmee zurückziehen. Auf einen Führerbefehl hin gab es das Kommando über alle seine deutschen Verbände an die 6. Armee ab. In einer ungeordneten Flucht zog sich die 4. Panzerarmee hinter den Don zurück, wo der Brückenkopf noch bis zum 13. Dezember gehalten werden konnte. Das Oberkommando der 6. Armee (AOK 6), zunächst in Golubinskaja 15 km nördlich von Kalatsch, verlegte nach Nischne-Tschirskaja, von wo aus General der Panzertruppe Paulus am nächsten Tag, dem 22. November 1942, in den Kessel flog.

Vorbereitungen

Deutsche Truppen vor Stalingrad im Winter 1942

Im Kessel ergriff General der Artillerie Walther von Seydlitz-Kurzbach, Kommandeur des LI. Korps, die Initiative und arbeitete mit seinem Generalstab einen Plan für den Ausbruch aus. Die Befehlshaber der anderen Korps im Kessel sowie das AOK 6 teilten seine Ansichten vollständig. Der Termin wurde auf den 25. November festgelegt und mit dem Einverständnis der Heeresgruppe B die notwendige Umgruppierung befohlen. Der Ausbruch sollte in drei Etappen erfolgen, wobei die Truppen schrittweise aus dem Norden des Kessels in den Süden verlegt werden sollten, bevor dann ein Panzerkeil die feindlichen Linien durchstoßen und der nachfolgenden Infanterie den Weg nach Süden freimachen sollte. Die Vorbereitungen gediehen soweit, dass nur noch die Erlaubnis vom Oberkommando des Heeres fehlte. 130 Panzer und 17.000 Mann standen für die erste Welle bereit, 40.000 Soldaten für die zweite.

Hitler hatte bereits am 22. November Befehl gegeben, den Kessel zu halten. Hitler erkannte das strategische Problem eines Rückzuges. Wenn es nicht gelang, den Mittelabschnitt der Front bei Stalingrad zu halten, war der gesamte Südabschnitt (die Heeresgruppe A) verloren. Dort standen in überdehnten Frontlinien nur noch wenige Soldaten zur Verfügung, die zudem völlig abgekämpft waren. Die Wehrmacht stand hier aber im Kaukasus und fast schon am Kaspischen Meer. Die Erdöl- und Rohstoffvorkommen dieser Region waren kriegsentscheidend für das Deutsche Reich. Dies war auch der Grund, warum nach der strategischen Niederlage vor Moskau die Wehrmacht im Jahre 1942 nicht versuchte, das prestigeträchtige Moskau oder Leningrad zu erobern, sondern die Rohstoffgebiete im Südabschnitt der Ostfront. Für ein weiteres Vorgehen auf der gesamten Frontlinie fehlten der Wehrmacht bereits die Kräfte, weshalb sie alle verfügbaren Truppen auf den Mittel- und Südabschnitt (die Heeresgruppe B und A) konzentrierte. Kam die Heeresgruppe A im Südabschnitt der Front noch verhältnismäßig gut voran, musste sich die Heeresgruppe B (Richtung Stalingrad) von Anfang an massivsten Widerstand stellen. Dies führte gegenüber der Heeresgruppe A zur Bildung eines strategisch äußerst problematischen Frontbogens nach Osten. Werden in der Geschichte schon größere Frontbögen als strategisch kritisch eingeschätzt, war hier der ab Stalingrad um fast 500 km weit nach Osten gewölbte Südabschnitt der Ostfront ohnehin kaum mehr zu halten. Im Kaukasus und im Umkreis der Städte waren Partisanen sehr aktiv. Das dünne Eisenbahnnetz konnte nur dort für Truppenbewegungen genutzt werden, wo es von der sowjetischen Breitspur auf westeuropäische Normalspur „umgenagelt“ worden war. Diese Umspurung geschah nur auf wenigen Verbindungen des ohnehin dünnen Eisenbahnnetzes innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit (die Wehrmacht hatte diese Gebiete erst im Rahmen der Sommeroffensive 1942 bis zum Herbst schrittweise erobert) und konnte so niemals den Bedürfnissen genügen. Riesige Gebiete dieses dünn besiedelten Teils der Sowjetunion konnten somit mit der Bahn, dem strategischen Transportmittel der Wehrmacht, nicht ausreichend erschlossen und versorgt werden. Die Versorgung der Truppen im Südabschnitt der Ostfront war deshalb mangelhaft. Ein Durchbruch der Roten Armee bei Stalingrad hätte dieser die Chance gegeben, sofort nach Süden zum Schwarzen Meer durchzubrechen und den gesamten Südabschnitt der Ostfront mit der gesamten Heeresgruppe A einzukesseln. Diese hätte unter den gegeben Umständen kaum eine Chance gehabt und Millionen Soldaten wären verloren gewesen. Zudem würde ein möglicher Durchbruch der Roten Armee zum Schwarzen Meer die Rohstoffe des riesigen Donezreviers gefährden. Außerdem würde der Sowjetunion im Fall einer deutschen Niederlage in Stalingrad die Wolga als Transportweg von Massengütern wieder zur Verfügung stehen und es ermöglichen, dass die großen Rohstoffmengen (insbesondere Öl und Erze) des Vorkaukasus der sowjetischen Rüstungsindustrie wieder zur Verfügung stünden. Hitler sollte Recht behalten, auch wenn es seinen Generälen wie von Manstein gelingen sollte, wenigstens die Truppen der Südfront unter großen Material- und Menschenverlusten noch überstürzt zurückzuziehen und verlustreich zu retten, jedoch war die Rote Armee ihrerseits auch noch nicht stark genug, solche Operationen wie einen Durchbruch zum Schwarzen Meer durchführen zu können. Die hastig verkürzten Frontlinien der Wehrmacht und die größere Erfahrung der deutschen Befehlshaber ermöglichten vorerst doch noch einen erfolgreichen Widerstand, jedoch lernte die Führung der Roten Armee sehr schnell.

In einem stundenlangen Gespräch mit dem Vertreter des Generalstabes des Heeres, General der Infanterie Kurt Zeitzler, ließ er sich offenbar aber überzeugen, den Ausbruch zu genehmigen. Ihm wurde versichert, dass die zurückgenommene Front sowie die Heeresgruppe A in ihren Stellungen gehalten werden könne. Bei der Heeresgruppe B glaubte man, dass der Ausbruchsbefehl stündlich eintreffen könne. Als am 24. November um 10:45 Uhr der Befehl noch immer nicht erteilt war, bereitete die Heeresgruppe eigenmächtig dessen Herausgabe vor. In dieser Situation erhielt das AOK 6 über die Heeresgruppe hinweg den Führerbefehl, bis auf weiteres auszuhalten. Ursache für Hitlers Haltung war das Versprechen des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Hermann Göring, die 6. Armee aus der Luft versorgen zu können. Dieses Versprechen konnte die Luftwaffe nie erfüllen. Praktisch wurde nur in den ersten Tagen maximal ein Drittel des Bedarfs gedeckt, aber nach dem raschen Verlust der Flugplätze im Kessel wurden nicht mehr als 10 % der benötigten Güter in den Kessel geflogen. Die sowjetischen Luftstreitkräfte hatten viel gelernt und erzielten erstmals über einem Frontabschnitt die Luftherrschaft. Die robusten La-5 (genannt: „die hölzernen Retter von Stalingrad“) waren ihren Gegnern noch nicht unbedingt taktisch überlegen, aber ihre Zahl war es. Der massenhafte Einsatz der Schlachtflugzeuge Il-2m3 und der Jäger La-5 ließ die Luftbrücke zusammenbrechen. Die langsamen deutschen Transportflugzeuge wurden in der Luft und am Boden zu ihren Zielen. Bei den deutschen Transportfliegern kam es sehr schnell zu Personalengpässen und es gingen auch unersetzbare Fluglehrer sowie Werks- und Testpiloten aus dem Reich bei diesen Transporteinsätzen verloren. Der Auftrag Görings wurde spätestens nach dem Verlust des letzten Flugplatzes am 22. Januar 1943 schlicht unmöglich, so dass nur noch etwa 10 % des benötigten Materials im Kessel ankamen, analog war es beim Ausfliegen der Verwundeten.

General Hoth (rechts)

Am 25. November wurde Generalfeldmarschall Erich von Manstein die neugebildete Heeresgruppe Don mit dem Auftrag unterstellt, durch Angriff der 4. Panzerarmee die Verbindung zur Festung Stalingrad wiederherzustellen. Die Heeresgruppen A und B sollten ihre Stellungen halten. Manstein hielt diese Aufgabe freilich für undurchführbar: Er plädierte für einen gemeinsamen Entlastungsangriff der Heeresgruppen Don und A bei gleichzeitigem Ausbruch der 6. Armee und eine Zurücknahme der Front auf Donez und Mius. Mit seiner Ansicht konnte sich Manstein im Führerhauptquartier aber nicht durchsetzen. Hitler bestand darauf, die Stellungen sowohl im Kaukasus als auch in Stalingrad zu halten.

So teilte Manstein nun seine Heeresgruppe zur Vorbereitung des Entsatzangriffes in zwei Teile: die Armeeabteilung Hollidt mit Front am Tschir im Norden und Don im Osten und die im Süden stehende Armeegruppe Hoth jenseits des Dons. Ursprünglich hatten beide Teile der Heeresgruppe Don angreifen sollen; da die für die Armeeabteilung Hollidt vorgesehenen Verbände aber nicht eintrafen und die Entwicklung der Lage am Tschir den Vorstoß nicht zuließ, verblieb sie in ihrer Stellung. Die unter Generaloberst Hoth stehende Armeegruppe erhielt am 1. Dezember somit allein den Befehl zur Durchführung des Unternehmens Wintergewitter. Zu diesem Zeitpunkt war sie jedoch noch nicht voll einsatzfähig: Die unterstellten rumänischen Truppenteile waren unzureichend ausgerüstet und bereits in den vorangegangenen Kämpfen stark dezimiert und demoralisiert worden. Von den deutschen war bisher nur die 6. Panzerdivision einsatzbereit. Die Ankunft der 17. Panzerdivision war noch völlig ungewiss und die 23. Panzerdivision traf auf der bisher nur eingleisig von der sowjetischen Breitspur auf westeuropäische Normalspur umgespurten Bahn nur sehr langsam ein. Zudem musste die ebenfalls vorgesehene neu aufgestellte 15. Luftwaffen-Felddivision erst im rückwärtigen Gebiet unter Hochdruck ihre Grundausbildung beenden.

Der Entsatzangriff

Der X-Tag wurde auf den 8. Dezember festgesetzt, konnte aber unter diesen Umständen nicht eingehalten werden. Auf deutscher Seite war man jedoch sehr optimistisch und es wurde von den Militärstrategen insgesamt für praktisch unmöglich gehalten, eine Kesselumfassung gegen ein anrückendes Entsatzheer zu halten. In der Tat war sich dessen auch die sowjetische Seite bewusst. Die genaue Stoßrichtung eines Angriffes war schwer zu erahnen und es war nicht sicher, ob der erste Angriff auch jener sein würde, der auf Stalingrad zielte und nicht nur der, der die Rote Armee dazu verführen sollte, Truppen von dem Frontabschnitt des tatsächlichen Entsatzangriffes abzuziehen, an dem dann der echte Angriff erfolgte. Deshalb sah die Taktik der Roten Armee vorerst vor, die deutschen Truppen unter möglichst großen Widerständen und auch unter Aufopferung der mit den Angreifern überforderten sowjetischen Truppen so tief in die Front einbrechen zu lassen, dass sie diesen Einbruch als so erfolgversprechend ansah, dass alle verfügbaren deutschen Kräfte in ihm konzentriert werden und die Kräfte für einen Entsatzversuch an anderer Stelle nicht mehr ausreichen würden. Die deutsche Führung wartete für ein besseres Vorankommen auf eine Kälteperiode mit Bodenfrost. Diese trat am 10. Dezember ein. Gleichzeitig verbot die Entwicklung der Lage bei der 6. Armee einen längeren Aufschub. Ohne das Eintreffen der 17. Panzerdivision abzuwarten, entschied sich Hoth am 12. Dezember für den Angriff. Das LVII. Panzerkorps griff aus dem Raum Kotelnikowo an und erreichte bis zum Abend das Ufer des Aksai, wo es alle Vorbereitungen für den Übergang am nächsten Tag traf. Am 13. Dezember drang das Korps auf das Höhengelände von Kumski vor, wo es auf sehr starken Widerstand stieß. So meldete die 6. Panzerdivision am 15. Dezember den Verlust von 23 Panzern und acht Feldhaubitzen. Der bis zu dieser Zeit erreichte Vorstoß von lediglich 60 km hatte beträchtliche materielle und personelle Verluste zur Folge. Zwar waren auch das sowjetische XIII. Panzerkorps und das III. Garde-Mot.-Korps erheblich angeschlagen, man wusste aber anhand der Fernaufklärung, dass die Rote Armee neue Einheiten an der Einschließungsfront freimachte und nach Südwesten der Entsatzarmee entgegenwarf. Dies geschah aber entsprechend dem Plan der Sowjets zuerst nur zögerlich. Sie wollten wirklich sicher sein, dass dieser Angriff kein Ablenkungsmanöver werden würde und opferten so tatsächlich einige Verbände, die fanatischen Widerstand leisteten, aber letztlich unter Aufbietung aller Kräfte verlustreich für beide Seiten zurückgedrängt oder überwunden werden konnten. Wie von sowjetischer Seite geplant, konnte die deutsche Seite zum Aufbieten aller Reserven gebracht werden, so dass sie nicht mehr in der Lage war, weitere Durchbrüche zu versuchen. Mit dieser Strategie gelang es der sowjetischen Führung tatsächlich, die von den deutschen Strategen für unmöglich gehaltene Aufrechterhaltung der Kesselumfassung einer Heeresgruppe gegen ein heranrückendes Entsatzheer durchzuführen. Nach damals herrschender Meinung der Militärtrategen war dies kaum möglich und für die sieggewohnte und bisher überlegene Wehrmacht auch nicht vorstellbar. Jedoch hatte die Führung der Roten Armee dazugelernt. Sie vermied ihre verlustreichen Fehler von 1941 und taktierte sehr intelligent. Hinzu kam, dass zahlreiche auf Grund der Frontlage aus den Gulags entlassene erfahrene Offiziere, die dereinst den Säuberungsaktionen Stalins zum Opfer gefallen waren, ihre Verbände nun wieder effizient und auch zunehmend erfolgreich führten.

Karte des Schlachtfeldes bei Stalingrad

Nachdem die 17. Panzerdivision am 17. Dezember auf dem Gefechtsfeld eingetroffen war, konnte am 19. der sowjetische Widerstand gebrochen und das südliche Ufer des Flusses Myschkowa gewonnen werden. In einem Handstreich besetzte die 6. Panzerdivision in der Nacht auf den 20. Dezember die einzige Brücke über den Fluss und richtete am Nordufer einen Brückenkopf ein. Die Spitzen der Armeegruppe hatten sich damit bis auf 55 km dem Einschließungsring um Stalingrad genähert und konnten bereits über die öde Steppe hinweg die Leuchtkugeln der Südfront des Kessels erkennen. Vom 20. bis zum 22. Dezember kämpfte die 23. Panzerdivision um die Erweiterung des Brückenkopfes. Die Lage verbot aber ein weiteres Angreifen der Panzertruppe. So riss nicht nur die Verbindung zum Brückenkopf mehrmals ab, sondern auch die Lage im Rücken der Truppen auf der Südseite der Myschkowa war alles andere als bereinigt. Nun war sich die sowjetische Führung sicher, dass ihr Plan aufgehen würde, warf alle verfügbaren Truppen in die Flanken der Entsatzarmee und erzielte schnell große Bodengewinne. Zudem griff die Rote Armee jetzt auch die Armeeabteilung Hollidt an und drückte deren Brückenkopf bei Nischni-Tschirskaja ein. Die Donbrücken von Akimowski und Lutschenski waren bereits in der Hand der Sowjets. Damit bestand die Gefahr, dass die Armeegruppe Hoth auf dem westlichen Ufer des Dons umgangen werden würde und es zu einem weiteren Kessel kommen könnte. Da schon der Stalingrader Kessel kaum versorgt werden konnte, war klar, dass die Luftwaffe keinen weiteren Kessel würde versorgen können. So blieb nur der verlustreiche Rückzug, der zumindest die noch kampftauglichen Verbände der Entsatzarmee rettete.

Abbruch des Angriffs

In der Festung waren zum zweiten Mal alle Vorbereitungen für den Ausbruch getroffen worden, der auf das Stichwort Donnerschlag erfolgen sollte: Panzer- und Truppenverbände lagen schwerpunktmäßig im Süden, alle überflüssige Ausrüstung und das zurückzulassende Material waren vernichtet, die Riegelstellungen und Bunker am Nordrand des Kessels aufgegeben worden. Zu dieser Zeit schätzte das AOK 6, aufgrund des allgemeinen Kräfteverfalls der Truppe sowie des Brennstoff- und Munitionsmangels nur noch zu einem Ausbruch bis 15 km Tiefe befähigt zu sein. Es sollte vor dem Ausbruch daher abgewartet werden, bis die Armeegruppe Hoth bis auf 18 km herangekommen wäre. Am 21. Dezember erteilte Hitler die Genehmigung für den Angriff der 6. Armee, sofern Stalingrad gehalten würde. Noch am selben Tag forderte das FHQ die Brennstoffunterlagen der Armee an, wobei sich herausstellte, dass der Treibstoff nur noch eine maximale Eindringtiefe der Panzer von 30 km erlaubte. Daraufhin zog Hitler seine Erlaubnis wieder zurück, um zu vermeiden, dass das schwere Material in der Steppe zurückgelassen werden müsste.

Trotz der Lage im Rücken des Brückenkopfes und des Anmarsches weiterer motorisierter Feindkräfte entschloss sich Generaloberst Hoth, den Angriff fortzusetzen. Jedoch war der Roten Armee bereits am 17. und 18. Dezember bei der italienischen 8. Armee auf dem Südflügel der Heeresgruppe B ein Einbruch von wenigstens 45 km Tiefe gelungen und die Front auf einer Breite von 150 km aufgerissen. Die Nordflanke der Heeresgruppe Don und in der Folge die gesamte Heeresgruppe Süd war damit aufs Äußerste bedroht. Deswegen erteilte Generalfeldmarschall von Manstein am 23. Dezember der Armeegruppe Hoth den Befehl, den Angriff einzustellen und zur Abwehr überzugehen. Die 6. Panzerdivision sollte dann von der Gruppe Hoth in den bedrohten Raum abgegeben werden. Hoth war der Ansicht, dass seine inzwischen erfolgte Umgruppierung den Vorstoß aus dem Brückenkopf gewährleiste und bereits eine Annäherung auf 25 km für einen Ausbruch der 6. Armee ausreichen müsse. Die 4. Panzerarmee war bereit, am 24. Dezember mit allen Kräften zur Entscheidungsschlacht anzutreten und unter Missachtung von Rücken- und Flankensicherung durchzustoßen. Der Befehl, die Panzerdivision abzugeben und den Raum zu halten, blieb jedoch bestehen. Damit war das Unternehmen Wintergewitter eingestellt.

Nachspiel

Kurz nach Abgabe der verlangten Panzerdivision am 24. Dezember ging die Rote Armee zum Angriff über. Gegen das I. Gardeschützenkorps, XI. Garde-Mot.-Korps sowie das VII. und XIII. sowjetische Panzerkorps war die Front der Armeegruppe Hoth nicht zu halten. In letzter Minute erhielt sie am 26. Dezember die Genehmigung, auf ihre Ausgangsstellung zurückzugehen. Diese Linie musste unter dem Ansturm der Rotarmisten in der Nacht zum 29. Dezember ebenfalls aufgegeben werden. Der Frontbogen an Tschir und Don hielt zwar, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis auch er eingedrückt werden würde. Der Entsatz von Stalingrad war aussichtslos geworden. Die Heeresgruppe Don hielt ihre Stellung nur noch zu dem Zweck, den Weg für die zwischen Schwarzem Meer und Kaspischem Meer stehende Heeresgruppe A freizuhalten.

So hoffte man in von Mansteins Stab nun auf ein selbständiges Handeln von Paulus, aus eigener Kraft die 80 km bis zu den deutschen Linien am Don zu überwinden. Da dies dem Führerbefehl entgegenstand, konnte man Paulus dies aber nicht offiziell mitteilen. Entsatzhilfe war von der Heeresgruppe Don nicht mehr zu erwarten: Sie bereitete insgeheim bereits ihren weiteren Rückzug nach Taganrog vor. Auch die Heeresgruppe A, die noch im Raum nördlich des Kaukasus stand, hatte genug Mühe, ihren Rückzug über den Don zu organisieren, bevor die Rote Armee mit Stoßrichtung auf Rostow sie ebenfalls abschnitt. Dennoch war der 6. Armee vom FHQ mitgeteilt worden, dass sie durch die (zersprengte) 17. Armee (Heeresgruppe A) entsetzt werden würde. Der von Manstein zum AOK 6 am 27. Dezember ausgesandte Emissär schilderte die Notwendigkeit zum sofortigen Ausbruch, doch Paulus lehnte wegen Hitlers Versprechen, die 6. Armee ausreichend zu versorgen und rechtzeitig zu entsetzen, jedes eigenmächtige Handeln ab. Jedoch war Paulus auch der Zustand seiner Truppen und deren Ausrüstungstand bekannt. Es gab nur noch wenige einsatzfähige Fahrzeuge und für sie kaum mehr Treibstoff. Den Kanonen fehlte die Munition, einsatzfähige gepanzerte Fahrzeuge gab es praktisch nicht mehr. Unter seinen unterernährten Soldaten gab es kaum noch einen ohne Verwundung oder Erfrierung, so dass der Truppe ein Marsch von 80 km bei starkem Frost durch den Schnee sowie das Schlagen eines Korridors durch einen gut ausgerüsteten überlegenen Gegner schlichtweg unmöglich war.

Literatur

  • Erich von Manstein: Verlorene Siege. 15. Auflage. Bernard und Graefe, Bonn 1998, ISBN 3-7637-5253-6.
  • Rüdiger von Manstein (Hrsg.): Soldat im 20. Jahrhundert. Militärisch-politische Nachlese. 3. Auflage. Bernard und Graefe, Bonn 1994, ISBN 3-7637-5214-5.
  • Heinz Schröter: Stalingrad. … bis zur letzten Patrone. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1993, ISBN 3-548-22972-7.
  • Peter Young: Der große Atlas zum II. Weltkrieg. München 1973, ISBN 3-517-00473-1.
  • Antony Beevor: Stalingrad. München 1999, ISBN 3-442-15101-5.

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