Unvollkommene Kapitalmobilität

Unvollkommene Kapitalmobilität

Unvollkommene Kapitalmobilität ist ein Begriff der Volkswirtschaftslehre. Kapitalmobilität beschreibt, wie beweglich das Kapital in einer offenen Volkswirtschaft ist. Diese Beweglichkeit kann, insbesondere zwischen dem In- und Ausland, eingeschränkt sein. Unvollkommene Kapitalmobilität liegt vor, wenn es nicht möglich ist, jederzeit Kapital ohne Verzögerung und Kosten in jede beliebige Anlageform zu transferieren. [1] Ist die Möglichkeit des uneingeschränkten Transfers dagegen vorhanden, spricht die Volkswirtschaftslehre von vollkommener Kapitalmobilität.

Der Grad der Kapitalmobilität hat einen Einfluss auf die Anpassungsprozesse, welche zu einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht führen.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

  • Kapitalverkehrskontrollen (gesetzliche Bestimmungen), d. h. Maßnahmen zur Regulierung der Kapitalströme in und aus einem Land heraus
  • politische Risiken, z. B. Krieg / innere Unruhen, Entzug von Verfügungsrechten, Embargomaßnahmen
  • unterschiedliche Steuergesetze
  • Transaktionskosten, d. h. Kosten die durch die Benutzung des Marktes im Zusammenhang mit der Transaktion von Verfügungsrechten (z. B. Kauf, Verkauf) entstehen

Folgen

Aufgrund dieser Einflussgrößen sind die Zinssätze in den verschiedenen Ländern unterschiedlich, weil in- und ausländische Wertpapiere als unvollkommene Substitute angesehen werden. Das heißt, in- und ausländische Wertpapiere können nicht nur nach ihrer Rendite beurteilt werden, da sie sich beispielsweise in ihren Risiken stark voneinander unterscheiden.[2]

Bezug zum Mundell-Fleming-Modell

Die Kapitalmobilität ist ein Baustein des Mundell-Fleming-Modells. Dieses Modell beschreibt, in Erweiterung des IS-LM-Modells, eine Volkswirtschaft in ihren Beziehungen zum Ausland. Dabei werden die bereits vorhandenen IS-LM-Kurven durch die sogenannte ZZ-Kurve ergänzt, wodurch nun auch offene Volkswirtschaften beschrieben werden können. Diese zusätzliche Kurve stellt alle Kombinationen aus Zins und Einkommen dar, bei denen es zu einer ausgeglichenen Zahlungsbilanz kommt. Der Grad der Kapitalmobilität hat einen großen Einfluss auf den Verlauf dieser Kurve.

Auswirkung auf die ZZ-Kurve

Verlauf der ZZ-Kurve bei unvollkommener Kapitalmobilität.[3]

Die ZZ-Kurve hat bei unvollkommener Kapitalmobilität eine positive Steigung, wie in der Grafik deutlich zu sehen ist. Angenommen das Inlandseinkommen steigt, ausgehend von dem Zahlungsbilanzgleichgewicht A, auf Y1. In Folge dessen erhöht sich die Importnachfrage, weil das Inland verstärkt ausländische Güter nachfragt. Dadurch gerät die Zahlungsbilanz bei unveränderten inländischen Zinsniveau r0 im Punkt B in ein Defizit. Um das Zahlungsbilanzgleichgewicht aufrechtzuerhalten, muss nun auch der Zins steigen. Somit wird ein zusätzlicher Kapitalimport induziert, weil ausländische Anleger ihr Kapital nun verstärkt in inländische Vermögenstitel umschichten, um von dem höheren Zinssatz zu profitieren. Das Defizit in der Leistungsbilanz wird also in Punkt C durch diesen zusätzlichen Kapitalimport kompensiert. Alle Punkte auf der ZZ-Kurve stellen ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht dar, da in diesen Punkten die Zahlungsbilanz ausgeglichen ist.[VK 1]

Im Falle einer vollkommenen Kapitalmobilität verläuft die ZZ-Kurve parallel zur Abszisse (Nationaleinkommen Y), und bei fehlender Kapitalmobilität parallel zur Ordinate (Zinssatz r).

Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht bei unvollkommener Kapitalmobilität

Ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht liegt – ausgehend von dem Mundell-Fleming-Modell – erst vor, wenn sich die ZZ-Kurve zusammen mit der IS- und LM-Kurve in einem gemeinsamen Punkt schneidet.[VK 2] Dabei ist in der folgenden Betrachtung zwischen dem Vorhandensein von festen und flexiblen Wechselkursen zu unterscheiden, wovon die Art der Anpassungsprozesse entscheidend beeinflusst wird.

Feste Wechselkurse

expansive Fiskalpolitik

In Folge einer expansiven Fiskalpolitik (staatliche Diskriminierungspolitik) unter unvollkommener Kapitalmobilität steigen der Zinssatz und das gesamtwirtschaftliche Einkommen an, weil die öffentliche Hand ausschließlich inländische Güter nachfragt. Dieser Anstieg führt zu einem Überschuss in der Zahlungsbilanz. Um eine nun folgende Aufwertung der inländischen Währung zu vermeiden, muss die Zentralbank Auslandswährungen aufkaufen bis ein neues gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht erreicht ist.[VK 3]

expansive Geldpolitik

Bei einer expansiven geldpolitischen Maßnahme kommt es kurzfristig zu einem höheren gesamtwirtschaftlichen Einkommen und zu einem niedrigeren Zinsniveau, worauf sich ein Zahlungsbilanzdefizit einstellt. Im Falle der unvollkommenen Kapitalmobilität kann die Zentralbank versuchen den Zins dauerhaft zu senken und damit die eigene Volkswirtschaft auf einem höheren Produktionsniveau zu stabilisieren. Dazu muss sie in jeder Periode Devisen mit dem von ihr selbst geschaffenen Geld aufkaufen.[VK 4]

Flexible Wechselkurse

expansive Fiskalpolitik

Bei einer expansiven Fiskalpolitik zu flexiblen Wechselkursen steigen das Zinsniveau und das gesamtwirtschaftliche Einkommen. Diese Expansion führt in der Zahlungsbilanz zu einem Überschuss, wodurch sich die inländische Währung aufwertet. Durch diese Aufwertung verringert sich zwar die Exportnachfrage und die Importe werden stimuliert, sie kann jedoch über die indirekte Wirkung bei unvollkommener Kapitalmobilität den expansiven fiskalpolitischen Impuls nicht vollständig kompensieren.[VK 5]

expansive Geldpolitik

Durch eine expansive Geldpolitik werden das Zinsniveau und das gesamtwirtschaftliche Einkommen erhöht. Dies führt jedoch zu einem Defizit in der Zahlungsbilanz und somit zu einer Abwertung der inländischen Währung. Es stellt sich ein neues gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht bei einem höheren Gleichgewichtseinkommen ein.[VK 6]

Einzelnachweise

  1. vgl. Exenberg, Andreas(2001), Das Mundell-Fleming-Modell, http://homepage.uibk.ac.at/~c43207/die/MFM.pdf
  2. vgl. Wohltmann, Hans-Werner: Grundzüge der makroökonomischen Theorie, 3.Auflage, München, 2000, S. 277
  3. in Anlehnung an Bender, Dieter / Berg, Hartmut et al: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 1, 8.Auflage, München, 2003, S. 172

Bender, Dieter / Berg, Hartmut / Gabisch, Günther et al: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 1, 8.Auflage, München, 2003

  1. S. 172
  2. S.172
  3. S. 176
  4. S. 177
  5. S. 180
  6. S. 181

Literatur

  • Dieter Bender, Hartmut Berg, Günther Gabisch, Heinz Grossekettler, Karl-Hans Hartwig, Lothar Hübl, Wolfgang Kerber, Volker Nienhaus, Jürgen Siebke, Heinz-Dieter Smeets, Jörg Thieme, Uwe Vollmer: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Band 1, 8.Auflage, München, 2003, ISBN 3-8006-2895-3
  • Oliver Blanchard, Gerhard Illing: Makroökonomie, 4. Auflage, München, 2006, ISBN 3-827-37209-7
  • Wolfgang Cezanne: Grundzüge der Makroökonomik, 7.Auflage, München, 1998, ISBN 3-486-24933-9
  • Klaus Rittenbruch: Makroökonomie, 11.Auflage, München, 2000, ISBN 3-486-25486-3
  • Hans-Werner Wohltmann: Grundzüge der makroökonomischen Theorie, 3.Auflage, München, 2000, ISBN 3-486-25385-9

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