Urdolmen

Urdolmen
Die Entwicklung von der Blockkiste (oben links) zum Urdolmen mit Gang (unten rechts)
Parallellieger und Querlieger
Urdolmen im Dammerstorfer Wald (Mecklenburg-Vorpommern)
Urdolmen bei Grevesmühlen

Der Typ des Urdolmen wurde von Ernst Sprockhoff definiert und Ewald Schuldt übernahm diesen Begriff bei der Publikation seiner Ausgrabung von 106 Megalithanlagen in Mecklenburg-Vorpommern. Er steht am Anfang der Entwicklung der Megalithanlagen der Trichterbecherkultur (TBK) und kommt um 3500 v. Chr. beinahe im gesamten Verbreitungsraum der steinernen Kultbauten der nordischen Megalitharchitektur vor, allerdings nicht in den Niederlanden, in Niedersachsen nicht westlich der Weser und nur ein Mal in Schweden (Lejeby Laholm).

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung zwischen Urdolmen und Steinkiste

In vielen Fällen ist eine klare Trennung unmöglich. [1] In der Nekropole von Brüssow-Wollschow, in der Uckermark, kommen Urdolmen und Steinkisten gemeinsam vor. Die Unterschiede bestehen im Grad der Einsenkung und im Material der Wandsteine. Bei den Urdolmen bestehen sie aus Geschieben, bei den Steinkisten aus Platten. Ob dies für die neolithischen Menschen von Relevanz war, bleibt fraglich.

Entwicklungen

Die kleinsten Urdolmen liegen auf der dänischen Insel Seeland, wo die Längen-Breitenverhältnisse der südlichen Inselhälfte (Dolmen von Jyderup) (1,7 x 0,6 m) im Nordteil noch unterboten werden. Diese Kleinheit veranlasst Forscher wie Hans-Jürgen Beier, dem Urdolmen den Status einer Megalithanlage zu verweigern. Ob die ebenfalls sehr kleinen Monolithgräber die Voraussetzungen erfüllen, ist noch offen.

Man kann am Urdolmen die Entwicklung, die für die frühen Baumeister ein Lernvorgang war, Schritt für Schritt nachvollziehen und erkennen, wie sie der gestellten Anforderung mit immer ausgereifteren (und größeren) Lösungen begegneten. Dies gilt auch beim Ausbau des Urdolmens zum Erweiterten Dolmen (bzw. Rechteckdolmen), zu seiner runden Variante, dem Polygonaldolmen und zum Großdolmen.

Blockkiste

Der Prototyp des Urdolmens ist die allseits geschlossene und in den Boden eingetiefte, so genannte Blockkiste. Sie hat keinen Zugang und ist, einmal verschlossen, durch die technisch weniger geschulten Nutzer schwerlich noch einmal zu öffnen und wiederzuverwenden. Sie war somit für eine einmalige Nutzung vorgesehen. Auf der Insel Sylt in Schleswig-Holstein wurden bereits zwei Urdolmen im gemeinsamen Hünenbett gefunden. Sie liegen in Langhügeln (Hünenbetten) meist parallel zur Längsachse, als so genannte „Parallellieger“. Nördlich der Eider sind Urdolmen bei etwa 20 % der Monumente von einem Rundhügel bedeckt.

Zugängliche Urdolmen

Erste Fortschritte – im Sinne der Mehrfachnutzung – gelangen durch die Schaffung eines Zugangs. Bei weiterhin im Boden eingetieften Exemplaren bot sich dafür zunächst (in Dänemark und Mecklenburg-Vorpommern belegt – beispielsweise beim Urdolmen von Barkvieren) die Oberseite an. Durch eine Teilung der Decke in einen großen und einen handhabbaren Stein wurde eine Einstiegsmöglichkeit von oben geschaffen. Diese Variante ist jedoch wenig verbreitet.

Die 18 von E. Schuldt untersuchten Urdolmen

Dieser Entwicklungspfad wurde zugunsten unterschiedlicher axialer Lösungen aufgegeben. Der Urdolmen wurde nun weniger tief eingesenkt und die obere Hälfte einer der Schmalseiten wurde als Zugang genutzt. Diese Form findet sich z. B. bei den Hünenbetten von Grundoldendorf. Die Last des immer noch einzigen Decksteins wurde auf drei Tragsteine verteilt. Dieser Vorgang stellt die Entdeckung der Stabilität einer Dreipunktauflage dar.

Die immer parallelseitigen offenen Urdolmen sind mit 2,2 m bis 2,6 m Länge und 1,0 m bis 1,8 m Breite etwas größer als die geschlossenen. Für Schleswig-Holstein stellt die kleine Kammer von Dobersdorf, Kreis Plön, (nur 1,8 m Länge x 0,5 m Breite) in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar. Von den 20 Urdolmen Schleswig-Holsteins können 12 der allseits geschlossenen, fünf der an der Schmalseite geöffneten Variante zugerechnet und drei (zerstörte) Urdolmen nicht näher bestimmt werden. Von den einst etwa 88 Urdolmen in Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch 51.

In der Folge wurden (immer noch eingetieft in Gruben) bereits erste Rechteckdolmen (Steinkammer von Grammdorf in der Gemeinde Wangels) und Ganggräber (Steinkammer von Deinste) errichtet. Im nächsten Schritt verstand man es, die Fundamentierung der bei Urdolmen stets auf ihrer längsten Seite liegenden drei oder mehr Tragsteine so vorzunehmen, dass die Basis der Anlagen oberflächennah aufgeführt werden konnte. Die höhere Platzierung ermöglichte den Vorbau eines Ganges, der ebenerdig in die Kammer mündete (Bild unten rechts). Nun wurde jedoch ein Schwellenstein erforderlich, der die Kammer und den profanen Gang (mehr symbolisch) von einander trennt.

Der Aufwand wurde betrieben, um die Verschlussplatte des nun mehrfach nutzbaren Urdolmens auf eine für die Siedlungsgemeinschaft handhabbare Größe zu reduzieren. Der Urdolmen mit Gang leitete zu den erweiterten Dolmen über, die länger sind, in der Regel mehr als eine Deckenplatte haben und – bis auf den Übergangstyp von Neu Gaarz, Kr. Bad Doberan – Tragsteine haben, die auf einer ihrer beiden kleinsten Flächen stehen, also einen größeren Höhenausbau der Kammer erlauben.

Urdolmen lagen einst in Hünenbetten oder unter Rundhügeln, die allerdings zum größten Teil abgetragen sind. Der Urdolmen von Lindeskov auf Fünen liegt im mit 168 m zweitlängsten Hünenbett Dänemarks (nach der Kardybdysse mit 185 m). Zum Vergleich: Das längste deutsche Hünenbett misst 160 m. In Polen ist die Einfassung eines kammerlosen Hünenbettes 130 m lang.[2] In den Niederlanden ist nur eine Anlage im Hünenbett überkommen.

Siehe auch

Literatur

  • Mamoun Fansa: Großsteingräber zwischen Weser und Ems. 3. veränderte Auflage. Isensee, Oldenburg 2000, ISBN 3-89598-741-7 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland. Beiheft 33).
  • Michael Schmidt: Die alten Steine. Reisen zur Megalithkultur in Mitteleuropa. Hinstorff, Rostock 1998, ISBN 3-356-00796-3.

Einzelnachweise

  1. Ewald Schuldt: Die Nekropole von Wollschow Kreis Pasewalk und das Problem der neolithischen Steinkisten in Mecklenburg In: Jahrbuch der Bodendenkmalpflege in Mecklenburg 1974 (1975) S. 77-144
  2. Staatliches Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg J. A. Artymowski: Zur Ur- und Frühgeschichte Polens In: Altertümer aus Polen S. 11

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