Variable Annuitäten

Variable Annuitäten

Variable Annuitäten (engl. Variable Annuities) ist die Bezeichnung für eine besondere Form der fondsgebundene Rentenversicherung gegen Einmalzahlung oder gegen laufende Beitragszahlung mit einer garantierten Mindestleistung. Im Gegensatz zu älteren Formen einer fondsgebundene Rentenversicherung mit Garantie wird hier die Garantie durch Derivate dargestellt.[1] Neben einer Rentenzahlung können diese Verträge weitere Leistungen, zum Beispiel Zahlungen im Todesfall garantieren.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Die Kapitalanlage und die „Garantieerzeugung“ erfolgt grundsätzlich getrennt voneinander. Im Unterschied zu anderen Formen der privaten Rentenversicherung mit Garantien ist über eine explizite Garantiegebühr erkennbar, welche Kosten dem jeweiligen Vertrag für die gegebenen Garantieversprechen entnommen werden. In der Regel erfolgt die Kapitalanlage in einen oder mehrere Fonds, das heißt unabhängig von der Entwicklung des Finanzmarkts wird zum Beispiel eine garantierte Renten- oder Kapitalzahlung gewährt.

Variable Annuitäten sind relativ neue Versicherungsprodukte, die in den USA und Japan bereits etabliert sind und die nun auf den europäischen und deutschen Markt kommen. In Japan betrug die Versicherungssumme dieser Verträge 2007 80 Milliarden US Dollar[2].

Garantien

Während traditionelle Rentenversicherungen dem Kunden keine Einflussmöglichkeiten auf die Anlagepolitik geben, kann der Kunde bei fondsgebundene Rentenversicherungen die Asset Allokation selbst über die Fondsauswahl steuern. Im Gegenzug entfällt die Garantie der Versicherungsgesellschaft auf eine Mindesthöhe der Rente oder eine bestimmte Kapitalleistung. Gerade bei einer Rentenversicherung ist aber die verlässliche Erwartung beispielsweise einer bestimmten Rentenhöhe ein wesentliches Entscheidungskriterium für den Kunden.

Aus diesem Grund wurden Ende der 90er Jahre in Deutschland fondsgebundene Produkte mit Beitragsgarantien (Zweitopf-Hybride) auf den Markt gebracht, die das Garantieversprechen über konventionelles Deckungskapital oder die Geldanlage in Garantiefonds darstellten. Diese Garantien waren jedoch mit einem erheblichen Verlust an Rendite verbunden. Mit der Reduzierung des Rechnungszinses für das konventionelle Deckungskapital auf 2,25 % und den erkannten Probleme des Cashlocks.

Cashlocks bedeutet Folgendes: Wenn der Anleger auf einem hohen Garantieniveau den Fonds erwirbt und die Kurse anschließend fallen, muss der Fonds auf Kosten der Performance in risikolosen Anlagen investiert bleiben, um das Garantieniveau auch weiterhin halten zu können. Damit sinkt der Anreiz neuer Kunden, diesen Fonds zu zeichnen.

Als Weiterentwicklung wurden in jüngster Zeit die dynamischen Dreitopfhydriden entwickelt. Diese bilden die Garantie über einen speziellen (i) CPPI-Mechanismus auf vertragsindividueller Ebene ab. Dazu wird einem mathematischen Modell folgend zwischen klassischem Deckungsstock, Garantiefonds und einer relativ freien Fondsauswahl hin- und hergeschichtet. Zu jedem Zeitpunkt des Vertrags wird die Garantie somit entweder über den Garantiefonds oder den klassischen Deckungsstock erstellt. Erst wenn der Barwert der Garantien abgesichert ist, kann eine Investition in weitere, ungarantierte Anlagen erfolgen.

Bei diesen Produkten werden die Kosten für die Garantien nicht explizit ausgewiesen, sondern können als implizite Kosten durch eine stochastische Analyse als Renditeverlust ausgedrückt werden.

2006 wurden erstmals variable Annuitäten (VA) in Deutschland eingeführt. Anders als bei den Vorgängerprodukten wird die Garantie damit nicht mehr durch „Töpfe“ mit sicheren Vermögensbestandteilen herbeigeführt. Die erforderlichen Garantien werden stattdessen durch einen entsprechenden Hedgingprozess sichergestellt. Die Besonderheit besteht darin, dass die Produkte durch die Trennung von Kapitalanlage und Garantieerzeugung so gestaltet sind, dass die „Rendite nach Garantiegebühren“, also die „Effizienz“ des Produktes höher ist als bei Produkten, die die Garantie durch und mit der Kapitalanlage selbst generieren.

Vorteilhaft für den Kunden sind hierbei Garantien in den Bereichen, in denen diese benötigt werden, bei gleichzeitig hoher Renditechance. In Abhängigkeit von der Produktgestaltung häufig auch mehr Flexibilität (zum Beispiel Fondsentnahmemöglichkeiten während der Rentenbezugsphase) und Transparenz als bei klassischen Garantie- und Hybridprodukten.

Zwar ist formal bereits heute ein Angebot auch durch deutsche Versicherer möglich, aber durch die Vorgaben der Anlageverordnung (keine Optionen zur Bedeckung der Deckungsrückstellungen erlaubt) und der Deckungsrückstellungsverordnung (Garantien müssen „teuer“ mit 2,25 % diskontiert werden) sind die Produkte wirtschaftlich nicht darstellbar.

Dies sollte sich nach Initiative der Bundesregierung in 2008 ändern. Mit Blick auf die Finanzmarktkrise hat die Politik den Gesetzesvorstoß (im Rahmen der Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie) jedoch kontrovers diskutiert und den Weg schließlich für deutsche VA nicht geöffnet. Derzeit (Stand August 2010) ist kein neuerlicher Anlauf zu einer Änderung der derzeitigen Rechtslage abzusehen, so dass auch weiterhin keine Variablen Annuitäten durch deutsche Versicherer angeboten werden.

Bedeutung für das Unternehmen

Für die Unternehmen ist die Einführung von VA mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Beispielhaft für die vielen betroffenen Unternehmensbereiche lässt sich aufführen:

  • Das Produktmanagement muss das Wertsicherungskonzept als zentrale Produktkomponente mit gestalten.
  • Das Aktuariat muss neue Kalkulationsprinzipien anwenden und Kapitalmarktsimulationen durchführen.
  • Es muss ein Hedgingprozess etabliert werden, um die erforderlichen Garantie zu erzeugen. Sofern das Hedging durch einen externen Investment-Dienstleister durchgeführt wird, sind Schnittstellen zu einer Hedgingplattform technisch und organisatorisch zu etablieren.
  • Das Risikomanagement des Unternehmens ist zu stärken und um neue Aspekte zu erweitern.
  • Die Anforderungen des Vertriebes an anfängliche Schulung und laufende transparente Vertriebsinformation sind zu erfüllen und die Vertriebssteuerungssysteme sind entsprechend anzupassen.

Unternehmensrisiko

Bei einem allgemeinen Einbruch des Finanzmarktes kann der Versicherer weder auf andere (renditeträchtigere) Investments ausweichen, noch seine Verluste an den Kunden weitergeben. Da die Kundenansprüche durch die Garantien geschützt sind, muss der Versicherer eventuell auflaufende Verluste aus seinem Eigenkapital ausgleichen. Für den Kunden ist es somit wichtig, bei der Auswahl des Produktgebers auf dessen Kompetenz und finanzielle Stärke zu achten.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.news-times.de/Boersenlexikon/de/10482109/Annuit%C3%A4t
  2. Oliver Wyman GmbH (Hrsg.): Presseinformation - Variable Annuities: Produktinnovation für den europäischen Versicherungsmarkt. (online

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