Ventilatorkennlinie

Ventilatorkennlinie

Ein Ventilator, der in einem Gerät oder in einer Anlage eingebaut ist, muss gegen einen Strömungswiderstand arbeiten. Der Ventilator erzeugt dazu einen Überdruck (Druckerhöhung) und sein Volumenstrom nimmt ab. Die Ventilatorkennlinie (auch Lüfterkennlinie, engl. fan characteristics) stellt diese gegenseitige Abhängigkeit von Volumenstrom und Druckerhöhung dar. Der Verlauf der Ventilatorkennlinie hängt von der Bauart des Ventilators ab.

Die Ventilatorkennlinien werden in den Datenblättern angegeben. Sie werden vom Hersteller am Ventilatorprüfstand gemessen. Sie sind für die Auslegung der Kühlung von Anlagen und Geräten wichtig (siehe auch en:Thermal management of electronic devices and systems). Zu beachten ist dabei, dass die Kennlinien in Datenblättern unter Idealbedingungen - an einzelnen freistehenden Lüftern mit ungehinderter Strömung - gemessen wurden. Die realen Kennlinien unter Einbaubedingungen können davon abweichen.

Typischer Verlauf von Lüfterkennlinien verschiedener Bauart. Axiallüfter, Radiallüfter und Diagonallüfter.

Inhaltsverzeichnis

Physikalische Einheiten

In den SI-Einheiten wird der Druck in Pascal (Pa) und der Volumenstrom in m3/s angegeben. In Katalogen der Lüfterhersteller werden auch andere Einheiten verwendet. Für den Druck findet man häufig die Einheit mmH2O (mm Wassersäule) oder auch inH2O (inch Wassersäule). Für den Volumenstrom findet man die Einheiten m3/h (Kubikmeter pro Stunde), l/s (Liter pro Sekunde), oder cfm (cubic feet per minute).

Umrechnung der Zahlenwerte für den Druck

1 Pa = 0.1019716 mmH2O
1 Pa = 0.00401463 inH2O

Umrechnung der Zahlenwerte für den Volumenstrom

1 m3/s = 1000 l/s
1 m3/s = 3600 m3/h
1 m3/s = 2118.88 cfm

Arbeitspunkt (Betriebspunkt)

Ventilatorkennlinie, 2 Gerätekennlinien und deren Schnittpunkte

Der Arbeitspunkt (Betriebspunkt, engl. operating point) eines Lüfters, der in ein Gerät eingebaut ist, ergibt sich als Schnittpunkt von Ventilator- und Gerätekennlinie. Am Betriebspunkt erzeugt der Lüfter eine Druckerhöhung, die den Druckverlust im Gerät genau kompensiert. Der tatsächliche Volumenstrom durch das Gerät ist daher durch den Betriebspunkt bestimmt.

Die Kennlinie A repräsentiert das Verhalten eines Gerätes mit einem großem Strömungswiderstand (hoher Druckverlustbeiwert), der Druckverlust steigt steil an. Die Kennlinie B hat einen flacheren Verlauf, sie repräsentiert das Verhalten eines Gerätes mit einem kleinen Strömungswiderstand (kleiner Widerstandsbeiwert). Mit dem gleichen Lüfter wird man also im Gerät B einen wesentlich größeren Volumenstrom erzeugen können als im Gerät A.

Der Arbeitspunkt C ergibt sich bei einer vollkommen ungehinderten Durchströmung des Ventilators - Lüfter freiblasend. Der Arbeitspunkt D würde sich bei einem vollkommen blockierten Lüfter ergeben.

Gerätekennlinie

Die Gerätekennlinie - auch Systemkennlinie (engl. system impedance) genannt - beschreibt, analog zu der Ventilatorkennlinie, die gegenseitige Abhängigkeit von Volumenstrom und Druckerhöhung bei der Strömung durch das Gerät. Die Druckverluste im Gerät steigen annähernd quadratisch mit dem Volumenstrom nach dem folgendem Gesetz

\Delta p = \frac 1 2 \cdot \zeta \cdot \rho \cdot v^2
Δp = Druckverlust
ζ = Druckverlustbeiwert
ρ= Luftdichte
v = mittlere Strömungsgeschwindigkeit

Die Gerätekennlinie kann am Ventilatorprüfstand gemessen werden. Mit Hilfe moderner numerischer Methoden ist es auch möglich, die Druckverluste durch das Gerät zu berechnen und die Gerätekennlinie durch numerische Simulation zu ermitteln (numerische Strömungsmechanik). Die Genauigkeit solcher Simulation ist jedoch stark davon abhängig, wie genau sich alle Einflussparameter bestimmen lassen.

Kennlinie einer Lüfterkombination

Häufig werden mehrere Lüfter in einer Anlage gleichzeitig eingesetzt. In Analogie zu Elektrotechnik spricht man dann von der parallelen Anordnung (Parallelschaltung) oder der Reihenanordnung (Reihenschaltung). Die Kennlinie der Lüfterkombination kann aus den Kennlinien der einzelnen Lüfter abgeleitet werden.

Bei zu dichter Anordnung mehrerer Ventilatoren behindern sich die Luftströmungen jedoch gegenseitig und der Volumenstrom der Lüfterkombination erreicht nicht den Wert, der sich aus den Kennlinien der frei stehenden einzelnen Lüfter ergeben würde. Der Volumenstrom wird auch gemindert, wenn die Strömung in dichter Nähe des Ventilators (z.B. durch Schutzgitter) behindert wird.

Parallele Anordnung

Lüfterkennlinie bei Parallelbetrieb zweier Lüfter und Gerätekennlinie

Bei der parallelen Anordnung (Parallelschaltung) werden die Lüfter nebeneinander platziert. Der Volumenstrom vervielfacht sich dabei. Zwei parallel geschaltete identische Lüfter würden im Idealfall - freiblasende Lüfter - den doppelten Volumenstrom erzeugen. Überlagert man jedoch die Gerätekennlinie, ergibt sich ein neuer Arbeitspunkt und der tatsächliche Volumenstrom durch das Gerät wird kleiner. Je steiler die Gerätekennlinie ist, desto kleiner ist der Gewinn der parallelen Lüfteranordnung. Die parallele Lüfteranordnung ist vor allem für Geräte mit einer flachen Kennlinie geeignet.

Reihenanordnung

Lüfterkennlinie bei Reihenbetrieb zweier Lüfter und Gerätekennlinie

Bei der Reihenanordnung (Reihenschaltung) werden mehrere Lüfter im Luftstrom hintereinander geschaltet (engl. push-pull arrangement). Mit zwei hintereinander geschalteten identischen Lüftern würde man im Idealfall die doppelte Druckerhöhung erreichen. Bei der Überlagerung der Gerätekennlinie sieht man aber auch hier, dass sich ein neuer Arbeitspunkt einstellt. Wie stark der Luftstrom durch das Gerät erhöht werden kann hängt von der Steilheit der Gerätekennlinie ab. Je steiler die Gerätekennlinie ist, desto größer ist der Gewinn der Reihenanordnung.

Modifikationen der Kennlinie

Bei Änderung der Lüfterdrehzahl

Lüfterkennlinie bei reduzierter Drehzahl und Gerätekennlinie

Die Kennlinie ändert sich mit der Lüfterdrehzahl nach den folgenden Gesetzen (unter der Voraussetzung, dass alle anderen Parameter unverändert bleiben), genannt auch Proportionalitätsgesetzte (siehe auch en:affinity laws).

  • Der Volumenstrom ändert sich proportional der Drehzahl:
\frac{V_1}{V_2} = \frac {n_1}{n_2}
  • Die Druckerhöhung ändert sich proportional dem Quadrat der Drehzahl:
 \frac{p_1}{p_2} =\left( \frac {n_1}{n_2}\right)^2
  • Der Leistungsbedarf des Lüfters ändert sich proportional der dritten Potenz der Drehzahl:
 \frac {P_1}{P_2} = \left( \frac {n_1}{n_2}\right)^3

V1, V2 ... Volumenstrom bei der Drehzahl n1, n2
p1, p2 ... Druckerhöhung bei der Drehzahl n1, n2
P1, P2 ... Leistungsbedarf bei der Drehzahl n1, n2

Bei Änderung der Luftdichte

Lüfterkennlinie in 400 m Höhe und Gerätekennlinie

Die Kennlinie ändert sich mit veränderter Luftdichte nach den folgenden Gesetzen (unter der Voraussetzung, dass alle anderen Parameter unverändert bleiben):

  • Der Volumenstrom ist unabhängig von der Luftdichte:
V1 = V2
  • Der Druck ändert sich proportional der Luftdichte:
 \frac {p_2}{p_1} = \frac {\rho_2}{\rho_1}
  • Der Leistungsbedarf des Lüfters ändert sich proportional der Luftdichte:
 \frac {P_1}{P_2} = \frac {\rho_1}{\rho_2}

V1, V2 ... Volumenstrom bei der Luftdichte ρ1, ρ2
p1, p2 ... Druckerhöhung bei der Luftdichte ρ1, ρ2
P1, P2 ... Leistungsbedarf bei der Luftdichte ρ1, ρ2

Die Luftdichte nimmt mit steigender Höhe über Meeresspiegel ab. Wenn also das zu kühlende Gerät in einer größeren Höhe betrieben wird, muss mit der modifizierten Ventilatorkennlinie gerechnet werden.

Literatur

  • Harmsen, Siegfried: Gerätelüfter für die Elektronikkühlung. verlag moderne industrie 1991, Die Bibliothek der Technik Bd. 45, ISBN 3-478-93048-0. Neuauflage 2002 bei PAPST-MOTOREN GmbH & Co. KG
  • Woods: Leitfaden für die Lüftungstechnik, unter Mitarbeit von W. C. Osborne, C. G. Turner. Hrsg. durch Woods of Colchester Ltd., England, Orell Füssli Verlag Zürich 1972
  • Eck, Bruno: Ventilatoren. Entwurf und Betrieb der Radial-, Axial und Querstromventilatoren. 6. Auflage, Springer-Verlag 2003, ISBN 3-540-44058-5

Weblinks


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