Venusstatuetten

Venusstatuetten
Venus von Willendorf

Venusfigurinen ist ein Sammelbegriff für einige vorgeschichtliche Funde von offensichtlich weiblichen Statuetten. Die meisten stammen aus dem Aurignacien oder Gravettien im Jungpaläolithikum West-Europas bzw. dem Pavlovien und Kostenkien Osteuropas und sind bis zu 30.000 Jahre alt.

Inhaltsverzeichnis

Aussehen und verwendetes Material

Die meisten der gefunden Figurinen zeigen stark ausgeprägte weibliche Merkmale, so sind besonders die Brüste und das Gesäß stark akzentuiert, aber auch Bauch und Schenkel wurden überproportional dargestellt, so dass die Figurinen hochschwanger oder stark übergewichtig wirken. Massiv vernachlässigt oder auch gar nicht ausgeführt wurde dagegen meistens das Gesicht der Statuetten. Die Figuren sind jeweils nur wenige bis etwa 15 cm hoch.

Hergestellt wurden die Venusfigurinen aus Stein (z. B. Venus von Willendorf), Knochen oder Elfenbein (z. B. Lespugue, Moravany, Venus II von Willendorf), sie wurden aber auch aus Ton und Lehm geformt und gebrannt (Venus von Dolní Věstonice). Letztere stellen somit einige der ältesten bekannten Formen von Keramik dar.

Kulturelle Bedeutung

Die kulturelle Bedeutung dieser Objekte ist ungeklärt; einen offensichtlichen Nutzen haben sie nicht. Die meisten Interpretationen beziehen sich auf zwei Deutungsmöglichkeiten: Darstellung oder Förderung der menschlichen Fruchtbarkeit durch Fruchtbarkeitssymbole oder Abbildungen von Göttinnen oder eine Mischung aus beidem. Gelegentlich wurde auch von paläolithischen Pin-ups gesprochen. Ein Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit von Feldern ist auszuschließen, da der Ackerbau erst später erfunden wurde. Interpretiert man die Überzeichnung der Formen als Fettleibigkeit, kann auch der Wunsch nach einer guten Versorgung mit Nahrung der Hintergrund sein. Von einigen Autoren wurden die Figurinen als Hinweise auf ein Matriarchat gedeutet. Diese Interpretation gilt in der Fachwissenschaft allerdings als unbelegt.

Es gibt Vermutungen über einen Zusammenhang zwischen den Figurinen und der Steatopygie der Khoisan. Genetische Untersuchungen bestätigen die Sonderstellung der Khoisan. Demnach spalteten sich die Khoisan relativ früh von den anderen genetischen Gruppen der Menschheit ab.

Venus von Berekhat Ram

Zwei - allerdings viel ältere - Funde werden oft ebenfalls in die Kategorie der Venusfigurinen eingeordnet. Die Venus von Berekhat Ram (gefunden auf den Golanhöhen), auf ein Alter zwischen 300.000 und 200.000 Jahren datiert, und die Venus von Tan-Tan (Marokko), zwischen 500.000 und 300.000 Jahre alt, also dem Acheuléen zugehörig. Allerdings scheinen diese beiden aus Stein bestehenden Venusfigurinen durch geologische Prozesse bereits zu einer menschenähnlichen Form vorgeformt gewesen zu sein. Beide sind sehr rau ausgeführt, bei der Venus von Berekhat Ram finden sich Spuren einer Bearbeitung mit einem Steinwerkzeug. Die Venus von Tan-Tan scheint mit einer fettigen Substanz, in der sich Spuren von Eisen und Mangan fanden, dekoriert oder bemalt gewesen zu sein. [1]

Beispiele für Venusfigurinen:

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Angeli, Die Venus von Willendorf, Edition Wien Verlag, Wien, 1989. ISBN 3-85058-035-0
  • Richard Rudgley: Abenteuer Steinzeit. Die sensationellen Erfindungen und Leistungen prähistorischer Kulturen. Magnus Verlag, 2004. ISBN 3884004204
  • Desmond Morris: Die nackte Eva. Der weibliche Körper im Wandel der Kulturen. Wilhelm Heyne Verlag, München, 2004. ISBN 3-453-12006-x
  • LeRoy McDermott, Self-Representation in Upper Paleolithic female figurines. Current Anthropology 37/2, 1996, 227-275.
  • Clive Gamble, Interaction and alliance in Palaeolithic Society. Man NS 17/1, 1982, 92-107.
  • Catherine Hodge McCoid/Leroy D. McDermott, Toward decolonizing gender: Female vision in the Upper Paleolithic. American Anthropologist NS 98/2, 1996, 319-326.
  • Neugebauer-Maresch, C. 1989, Zum Neufund einer weiblichen Statuette an der Aurignac-Station Stratzing/Krems-Rehberg, Niederösterreich, Germania 67, 1989, 551-559.

Weblinks

Referenzen

  1. Die Venus von Tan-Tan bei BBC News

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