Vereinigte Bühnen Bozen

Vereinigte Bühnen Bozen

Das deutschsprachige Berufstheater in Bozen, die Vereinigten Bühnen Bozen (kurz VBB), sind der größte deutsche Sprechtheaterbetrieb im Stadttheater Bozen und damit das Pendant zum italienischen Teatro Stabile di Bolzano.

Mit Eigenproduktionen der Sparten Sprechtheater und Musical spielen die VBB ensuite etwa 120 Vorstellungen pro Spielzeit. Mit wechselnden Produktionsensembles aus festen freien Gästen und 22 festen Mitarbeitern bespielen die Vereinigten Bühnen Bozen das Große Haus und die Studiobühne des Stadttheaters Bozen. Die Vereinigten Bühnen Bozen sind ein rechtlich anerkannter Verein und werden von Land Südtirol und der Stadtgemeinde Bozen subventioniert. Intendant ist seit 2001 Thomas Seeber.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Bereits Ende der 1970er-Jahre versuchten Südtiroler Theatermacher vergeblich und gegen den Willen der damaligen offiziellen Kulturpolitik, das seit Kriegsende bestehende Theatersystem von im „Bund Südtiroler Volksbühnen“ (heute "Südtiroler Theaterverband") zusammengefassten Laienbühnen und das auf Gastspiele spezialisierte „Südtiroler Kulturinstitut“ um ein ständiges Südtiroler Berufstheater zu ergänzen.

Gründung der Vereinigten Bühnen Bozen

Die sonst eher individuell agierenden Bozner Theatermacher erkannten die Notwendigkeit, sich zu einer „Interessensgemeinschaft“ zusammenzuschließen, um räumliche, technische und finanzielle Ressourcen effektiver zu nutzen. Man wollte bei der angestrebten Etablierung eines Berufstheaters mehr Gewicht in den Verhandlungen mit den öffentlichen Geldgebern erhalten. Im Februar 1992 schlossen sich vier Bozner Theatervereine („Südtiroler Ensembletheater“ (Erich Innerebner), „Initiative“ (Waltraud Staudacher), „Kleinkunstbühne“ (Manfred Schweigkofler) und „Talferbühne Bozen“ (Johann Winkler) zu den „Vereinigten Bühnen Bozen“ zusammen. Erstmals wurde die Stadt Bozen (auf Betreiben der theaterengagierten Stadträtin Inge Bauer-Polo) Gründungs- und Vorstandsmitglied in einem deutschsprachigen Theaterverein. Gemeinsam standen dem neuen Verein ein fester Sitz mit Verwaltungsräumen, eine hauptamtlich tätige Bürokraft, zwei Probelokale und ein Fundus zur Verfügung. Die Aufführungen der drei bis vier Produktionen pro Jahr verteilten sich auf die zur Verfügung stehenden Theaterräume der Stadt Bozen. Die Erstellung eines inhaltlich und konzeptionell einheitlichen Spielplans gestaltete sich jedoch schwierig, da jeder der vier Vereine in der Wahl der Stücke weiterhin unabhängig vom Interessenverband Vereinigte Bühnen Bozen agierte.

Der Weg zu professionellem Theaterbetrieb 1995–1999

1995 erfolgte eine erste Umbildung des Vereins. Die Bühnen beauftragten Alfred Meschnigg als externen künstlerischen Berater mit der Planung der Spielzeit 1996/97. Aufgabe Meschniggs war es außerdem, die strukturellen Voraussetzungen für die Bestellung eines künstlerischen Direktors zu schaffen. Georg Mittendrein wurde im Jahre 1998 unter 60 Kandidaten (die Stelle wurde öffentlich ausgeschrieben) zum künstlerischen Direktor der Vereinigten Bühnen Bozen ernannt. Mit seiner Berufung wurde ein entscheidender Schritt in Richtung professioneller Theaterbetrieb gemacht. In der „Baracke am Bahnhof“, der provisorischen Spielstätte für die Spielzeit 1998/99, setzte Mittendrein erstmals auf einen professionellen Spielbetrieb mit regelmäßigen wöchentlichen Spieltagen und einem „Rumpfensemble“ von vier festen Schauspielern. Er stockte den Personalstab auf zehn feste Mitarbeiter auf und gestaltete ein beachtliches Programm von neun Eigenproduktionen und zahlreichen Gastspielen. Seine künstlerischen Erfolge mit dem Musical „Nonnsense“, BüchnersWoyzeck“ oder der Wirtshausoper „Heimatlos“ sind vielen Zuschauern noch in Erinnerung. Georg Mittendrein verließ die Vereinigten Bühnen Bozen kurz vor dem Einzug in das neue Stadttheater, nachdem er mit seinem Spielplan 12.414 Zuschauer und Zuschauerinnen in 145 Vorstellungen erreichen konnte.

Stadttheater Bozen

Der Vorstand der VBB richtete kurzfristig ein Leitungsgremium ein, das den von Mittendrein erstellten Spielplan für 1999/2000 umsetzte. Die Vereinigten Bühnen Bozen eröffneten ihre Theatersaison im Neuen Stadttheater Bozen im Oktober 1999 mit dem großen Shakespeareschen Liebesdrama „Romeo und Julia“ im Großen Haus und mit dem Südtiroler Gegenwartsdrama von Herbert Rosendorfer „Oh Tyrol oder Der letzte Stylit auf der Säule“ im Studiotheater. Es folgten in der Spielzeit 1999/2000 weitere sechs Eigenproduktionen. Die erste Zeit im Neuen Stadttheater war für die Vereinigten Bühnen Bozen äußerst turbulent: der neue professionelle Theaterbau erforderte einen professionellen Mitarbeiterstab, einen kontinuierlichen Spielplan, die Akquise entsprechender finanzieller Mittel, die Akzeptanz in der Südtiroler Gesellschaft und die Suche nach einer soliden Führungsstruktur, die alle diese Aufgaben bewältigen sollte. Das Übergangsdirektorium gab nach nur drei Monaten die künstlerische Leitung der VBB im Januar 2000 an Emanuel Bohn ab. Er plante und gestaltete die Spielzeit 2000/01, schaffte es jedoch nicht, den Erfolgskurs von Georg Mittendrein im Neuen Stadttheater weiter fort zu führen.

Intendantenwechsel und Neubeginn

Thomas Seeber, amtierender Präsident des Vereins, übernahm auf Wunsch des Vorstandes im Juli 2001 kurzfristig die Führung der Belegschaft und die künstlerische Gestaltung des Spielplans 2001/02. Was die lokalen Medien bereits als Untergang ankündigten, gestaltete sich als geglückter Neubeginn. Die bereits mit dem Einzug ins Stadttheater inhaltlich gesetzten Ziele, nämlich ein in Südtirol, für Südtirol und mit Südtirol produzierendes Theater zu sein, wurden eingelöst: Es fanden zwei Eigenproduktionen im Großen Haus und vier Eigenproduktionen im Studiotheater statt. Thomas Seeber reduzierte die Vorstellungen von 81 (im Jahre 1999/2000) auf 57 Vorstellungen im Jahr 2001/02. Trotzdem gelang es ihm, die Zuschauerzahlen zu erhöhen. Strukturell setzte Thomas Seeber neue Akzente: Für zwei der sechs Produktionen von 2001/02 suchte er Kooperationspartner im In- und Ausland (Elisabethbühne Salzburg und Stadttheater Bruneck). In der Spielzeit 2003/04 kooperierten die Vereinigten Bühnen Bozen nicht nur mit einem lokalen Städtetheater (dem Meraner Theater in der Altstadt), sondern auch mit den Partnern im eigenen Haus: Die Uraufführung von „Die Wette / La Scommessa“ wurde zusammen mit dem italienischsprachigen Teatro Stabile di Bolzano produziert, Shakespeares „Hamletas“ mit Teatro Stabile di Bolzano und der Stiftung Stadttheater. Dadurch fanden ein Anschluss an die lokale Theaterszene und eine Öffnung über die Grenzen Südtirols hinaus statt. Die Zusammenarbeit hatte auch praktische Vorteile: Kosten wurden gespart und die jeweilige Produktion einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.

Die Vereinigten Bühnen Bozen als öffentlich-rechtliches Theater

Die Umstrukturierung des Vereins zu einem rechtlich anerkannten Verein, in dem neben einem Vertreter der Stadt nun auch die Ressortdirektorin der Kulturabteilung der Südtiroler Landesregierung Berta Linter im Vorstand vertreten war, und die Auflösung der ursprünglichen Einzelbühnen zugunsten des einheitlichen Theaterbetriebs Vereinigte Bühnen Bozen wurden vorangetrieben. Im Mai 2003 wurden die neuen Statuten, die den Vereinigten Bühnen Bozen die Funktion eines öffentlich-rechtlichen Theaters zusprechen, genehmigt. Die VBB gewannen in der Spielzeit 2002/03 weiter an Publikum: 18.464 Zuschauer sahen die sieben Eigenproduktionen in 76 Vorstellungen. Nicht nur Brechts „Dreigroschenoper“, sondern auch „Die Physiker“ oder „Amadeus“ erfreuten sich des breiten Zuspruchs der Bevölkerung. Die Highlights der Spielzeit 2003/04 waren Shakespeares „König Lear“ in der Regie von Kurt Veth, die Uraufführung „Ex“ von Selma Mahlknecht, das zweisprachige Theaterstück „Die Wette / La Scommessa“ von Ferruccio Cainero (in Zusammenarbeit mit dem Teatro Stabile di Bolzano) und „Der Zerrissene“ von Johann Nestroy, mit 5.614 ZuschauerInnen die erfolgreichste Sprechtheaterproduktion der VBB. In der Spielzeit 2004/05, die die Vereinigten Bühnen Bozen unter das Motto „Liebe, Lust und Leidenschaft“ stellten, galt eine besondere Aufmerksamkeit dem Tiroler Dramatiker Felix Mitterer. Mitterer schrieb im Auftrag der Vereinigten Bühnen Bozen das auf einer wahren Begebenheit beruhende Drama „Fleisch“. Weitere künstlerische Höhepunkte der Spielzeit waren „Die Möwe“ von Anton Tschechow in der Regie von Kurt Veth, der gelungene Versuch einer Wiederaufnahme („Die Wette / La Scommessa“) und als Saisonabschluss der Webber’sche Musicalklassiker „Jesus Christ Superstar“.

VBB Produktion erstmals in ganz Südtirol zu sehen

Die neue Theatersaison 2005/06 stellten die VBB unter das Motto „Menschenbilder“. In zwei Produktionen im Großen Haus, fünf Studio-Produktionen und erstmals einem Jugendstück auf der Probebühne des Stadttheaters rückten die VBB den Mensch und seine persönlichen, Schicksale in den Mittelpunkt. Erwähnenswert: „Wunschkonzert/Gassosa“ von Roberto Cavosi/Franz Xaver Kroetz, die zweite erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Teatro Stabile di Bolzano. An zwei Abenden wurden abwechselnd zwei Einakter jeweils in deutscher und italienischer Sprache auf die Bühne gebracht. Damit stellten die beiden Intendanten Marco Bernardi und Thomas Seeber die „deutsch/italienische Theaterzusammenarbeit“ auf eine ganz neue Basis. Neu im Spätherbst 2005 war auch die erste Südtiroltournee der VBB: mit „Der Messias“ von Patrick Barlow in ganz Südtirol unterwegs, trugen sie dem kulturpolitischen Wunsch nach einer Bespielung der wichtigsten Theatersäle des Landes Rechnung. Jährlich um die Weihnachtszeit bringen die VBB ein Kinderstück für die ganze Familie auf die Bühne, wobei „Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte“, nach dem gleichnamigen Roman von Luis Sepúlveda, in einer Bearbeitung von Horst Herrmann und Stephen Lloyd das bislang erfolgreichste Kinderstück war. Die zwei Highlights im Großen Haus bildeten die Komödie „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn und das Musical „West Side Story“ von Leonard Bernstein. Insgesamt war die Spielzeit 2005/06 hinsichtlich Besucherzahlen (32.019) und Aufführungsangebot (mit 127 Vorstellungen) die beste Spielzeit seit Bestehen der VBB.

Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen unserer Zeit

Die Spielzeit 2006/07 beschäftigte sich mit der geschlechtlichen Annäherung von Mann und Frau in der Shakespearekomödie „Was ihr wollt“ und mit der Bildungsdebatte in Willy Russells „Bildung für Rita“. Das im Dezember breit diskutierte Thema Sterbehilfe und würdevolles Sterben bekam in „Alices Reise in die Schweiz“ des Schweizer Dramatikers Lukas Bärfuss ein Theaterforum. Parallel dazu brachten die VBB pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum von „Floh im Ohr“ (UA 1907) die wohl bekannteste Feydeau- Komödie ins Große Haus des Stadttheaters. Zugleich feierten die Vereinigten Bühnen Bozen ihr 15-jähriges Bestehen. Eine weitere Neuerung in der Spielzeit 2006/07 war der Jugendtheaterclub, für den die VBB zehn jugendliche Schauspieltalente in Castings auswählten und das sozialkritische Jugendstück „Die Welle“ von Reinhold Tritt als Studioproduktion erarbeiteten. Den Abschluss der Saison 06|07 bildete das Musical „Jekyll & Hyde“ von Leslie Bricusse und Frank Wildhorn, nach der gleichnamigen Romanvorlage von Robert Louis Stevenson.

Weblinks

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