Verkehrsunterricht

Verkehrsunterricht
Polizeikasper zur Verkehrserziehung von Kindern

Verkehrsunterricht dient der Vermittlung von Verkehrsregeln bzw. der Verkehrssicherheit und hat zwei Bedeutungen

Inhaltsverzeichnis

Der Verkehrsunterricht an Schulen

Mit der KMK-Empfehlung vom 7. Juli 1972 wurde das Fach "Verkehrskunde" in der Bundesrepublik Deutschland zu einem fächerübergreifenden Lehrbereich "Verkehrserziehung" umgewandelt und nach und nach in den Lehrplänen der Bundesländer als verpflichtender Aufgabenbereich verankert. Seine Durchführung wurde den Schulen überantwortet, wobei Beamte der Verkehrspolizei mit den Lehrern bis heute eng zusammenarbeiten.

Verkehrsunterricht als verkehrspädagogisches Angebot

Verkehrsteilnehmern, die nach Ansicht der Straßenverkehrsbehörde nachgeschult werden müssen, kann auf Anordnung der Behörde ein durch die Verkehrspolizei erteilter Verkehrsunterricht auferlegt werden. Der Vorschlag hierfür geht zumeist von der Polizei aus, wobei es jeweils einen konkreten Anlass geben muss (schwerwiegende Verstöße oder mangelnde Kenntnis der Verkehrsregeln).

Rechtliche Grundlage ist § 48 Straßenverkehrs-Ordnung sowie die dazugehörige Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (Vwv-StVO).

Die Schulung wird gewöhnlich im Frontalunterricht in Gruppen durchgeführt und findet oft in den Abendstunden in einer Sitzung statt. Es ist auch eine Einzelbeschulung möglich. Die Teilnahme ist Pflicht (das Fernbleiben ist gem. § 49 Abs. 4 Nr. 6 StVO bußgeldbewehrt).

Struktur der Vorschrift

§ 48 StVO formuliert eine Pflichtaufgabe für die Straßenverkehrsbehörden, den Verkehrsunterricht in ihrem Zuständigkeitsbereich einzurichten.

Bereits der Verordnungsgeber des Jahres 1970 konstatierte, dass über den Verkehrsunterricht „die Meinungen über die Zweckmäßigkeit der Beibehaltung geteilt“ seien, äußerte sich aber eindeutig zu dessen Sinnhaftigkeit, indem der Bundesminister für Verkehr unmissverständlich feststellte: „Der bloße Umstand, dass (noch) nicht überall geeignetes Personal in ausreichender Stärke zur Verfügung steht, rechtfertigt nicht, eine Einrichtung aufzugeben, die bei vernünftiger Anwendung ein gutes Mittel zu unfallverhütender Aufklärung der Bevölkerung ist.“

Auch die Vwv-StVO zu § 48 unter I. geht davon aus, dass die Einrichtung des Verkehrsunterrichts eine Pflichtaufgabe der Straßenverkehrsbehörde ist, wenn sie formuliert: „Zum Verkehrsunterricht sind auch Jugendliche von 14 Jahren an, Halter sowie Aufsichtspersonen in Betrieben und Unternehmen heranzuziehen, wenn sie ihre Pflichten nicht erfüllt haben“. Das Wort „auch“ bedeutet im Erst-recht-Schluss, dass die Heranziehungspflicht zuerst für die „Verhaltenssünder“ gilt.

Die Voraussetzung: „Nichtbeachten von Verkehrsvorschriften“

Die Vorschrift über den Verkehrsunterricht ist für eine andere Gruppe von Verkehrsteilnehmern konzipiert worden, nämlich für Regelverletzer im Straßenverkehr.

Als Voraussetzung für eine Anordnung und Vorladung zum Verkehrsunterricht fordert der § 48 lediglich die Tatsache, dass von der vorzuladenden Person die Verkehrsvorschriften nicht beachtet werden. Nichtbeachten heißt i.d.S. das Zuwiderhandeln gegen Rechtsvorschriften, umfasst jedoch von der Wortbedeutung her nicht grundsätzlich ausschließliche Verstöße gegen mit Sanktionen bedrohte Vorschriften. In jedem Fall muss jedoch der Verkehrsverstoß dokumentiert sein, also eindeutig feststehen.

Straßenverkehrsbehörden haben es zu organisieren, dass ihnen von denjenigen Personen aktuelle Auszüge aus dem VZR vorgelegt werden, die den Adressatemkreis für den Verkehrsunterricht bilden. Sachlich ist mit der Formulierung des § 48 ein weites Feld angesprochen, das von der fachlichen Breite her grundsätzlich das gesamte Verkehrsrecht umfasst. Die amtliche Begründung zum § 48 grenzt den Kreis der Verkehrsvorschriften, die den Anlass für den Verkehrunterricht geben können nicht ein und auch die Vwv-StVO zu § 48 erwähnt unter II. als materielle Grundlage für eine Vorladung lediglich die Tatsache, dass „im Verkehr Fehler begangen“ worden sind.

Sinnvoll ist es i.d.S., die verschiedenen möglichen Verhaltensfehler zunächst der Schwere der Taten bzw. Tatfolgen nach einzuteilen, um in einem zweiten Schritt der in sinnvoller Auslegung folgenden Frage nachzugehen, bei welchen Taten ein Verkehrsunterricht überhaupt sinnvoll wäre und ob es nicht bei den derart ermittelten Taten bereits andere staatliche Sanktionen oder Reaktionen gibt, neben denen ein zusätzlich angeordneter Verkehrsunterricht inhaltlich nicht mehr sinnvoll ins Gewicht fiele. Je schwerer jedoch das begangene Delikt die Verkehrssicherheit und damit in erster Linie die Sicherheit für Menschen, vor Verletzungen im Straßenverkehr verschont zu bleiben, negativ beeinträchtigt, desto eher sollten die Täter zu einem straßenverkehrsbehördlichen Verkehrsunterricht vorgeladen werden. Dies gilt in jedem Fall nach Verkehrsstraftaten, die generell dazu geeignet sind, die Verkehrssicherheit einschneidend zu beeinträchtigen. Gegenüber erwachsenen Tätern bestehen nach Strafrecht, Strafverfahrensrecht und Strafvollzugsrecht keine ausreichenden Möglichkeiten, neben strafrechtlichen Sanktionen mittels präventiver Maßnahmen für ein künftig verkehrsgerechtes Verhalten der Straftäter zu sorgen.

Haben Jugendliche oder Heranwachsende Verkehrsstraftaten begangen, so können Jugendrichter den Tätern neben anderen Maßnahmen auch eine Erziehungsmaßregel in der Form einer Weisung zur Teilnahme an einem Verkehrsunterricht erteilen. Die Rechtsgrundlage für diese Weisung findet sich in § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 9 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 JGG bestimmt der Jugendrichter auch die Laufzeit der Weisung, die sich jedoch regelmäßig in der vollständigen Teilnahme am angebotenen Verkehrsunterricht erschöpfen wird.

Aber derselbe Anordnungsgrund für den Verkehrsunterricht gilt auch nach allen Ordnungswidrigkeiten, die dem Gewicht der Zuwiderhandlung folgend im BKat aufgeführt bzw. in den §§ 49 StVO, 69 a Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO), 75 Fahrerlaubnis-Verordnung (FEV) erwähnt und nicht geringfügig sind. Das Mehrfachtäter-Punktsystem (§§ 4 Straßenverkehrsgesetz (StVG), 40 ff. FeV) und die damit verbundene Aufarbeitungspraxis mittels Aufbauseminaren und verkehrspsychologischer Beratung sind zwar grundsätzlich dazu geeignet, den in den zahlreichen begangenen Verkehrsverstößen sichtbaren Fahreignungsdefiziten wirksam zu begegnen, jedoch bietet ein von behördlicher Seite in professionellem Rahmen angebotener Verkehrsunterricht daneben einen weiteren Ansatzpunkt, auf ein zukünftig regelkonformes Verhalten im Straßenverkehr hinzuwirken.

Wie im Falle des Verkehrsstrafrechts gilt auch im Falle von VerkehrsOWi ein möglicher Sonderweg für Jugendliche und Heranwachsende. Werden für Jugendliche und Heranwachsende wegen Verletzungen von Verkehrsvorschriften Geldbußen festgesetzt und können diese von den Tätern nicht gezahlt werden, so kann der Jugendrichter nach § 98 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) gegenüber den Delinquenten unter anderem auch die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht anordnen. In diesem Zusammenhang obliegt es dem Jugendrichter auch, die Art und den Umfang des Verkehrsunterrichts festzulegen.

Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde

Auf die Feststellung der genannten einschlägigen Delikte hin, würde von Seiten der Straßenverkehrsbehörde die Konsequenz der Notwendigkeit des Verkehrsunterrichts zu folgern und dieser anzuordnen sein. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Pflichtgemäßes Ermessen bedeutet in diesem Fall, dass die Anordnung des Verkehrsunterrichts nur zum Zwecke der Anhebung der Verkehrssicherheit erfolgen darf.

Erst die Vorladung durch die Straßenverkehrsbehörde statuiert die Teilnahmepflicht. Sie ist als Verwaltungsakt im Verwaltungsrechtsweg anfechtbar und kann über das Widerspruchsverfahren, Widerspruchsbescheid und Anfechtungsklage bis zum Verwaltungsgericht führen.

Adressaten des Verkehrsunterrichts

Mit dem erkennbaren und an den verschiedenen bereits verhängten staatlichen Sanktionen ablesbaren Status eines „Verkehrsrechtsbrechers“ ist noch nichts darüber ausgesagt, ob sich jeder Täter einer VerkehrsOWi auch als Adressat einer Vorladung zum Verkehrsunterricht eignet. Verkehrsunterricht richtet sich als pädagogisches Angebot von der Sache her nur an diejenigen Täter, die einem Verkehrsunterricht überhaupt zugänglich sind, also prinzipiell Einsicht in ihr jeweiliges Fehlverhalten zeigen.

Nach II. der Vwv-StVO zu § 48 liegen im Regelfall bei den Adressaten folgende Defizite vor:

– unzureichende Kenntnisse der Verkehrsvorschriften, – unzureichende Beherrschung der Verkehrsvorschriften, – Nichterfassen der Bedeutung und Tragweite der Verkehrsvorschriften.

Grundsätzlich ist eine Vorladung zum Verkehrsunterricht nur dann rechtmäßig, wenn der Betroffene nachweisbar einer verkehrspädagogischen Belehrung über sein an den Tag gelegtes Fehlverhalten bedarf. Dieses Bedürfnis ist im Falle des Bestreitens durch den Vorgeladenen von der einladenden Verwaltungsbehörde auf den Einzelfall bezogen nachzuweisen, was allerdings anhand der zuvor begangenen und statistisch festgehaltenen Verkehrsdelikte unproblematisch sein dürfte.

Vorgeladen werden dürfen nicht nur Täter, die im fließenden Verkehr gehandelt haben, sondern darüber hinaus auch verantwortliche Personen, die ihrer einschlägigen Aufsichtspflicht nicht oder nicht in dem wünschenswerten Umfang nachgekommen sind. Damit sind auch Fahrzeughalter und deren beauftragte Personen (etwa Fuhrparkleiter) angesprochen, die ein verkehrswidriges Handeln zumindest geduldet haben. Die Vwv-StVO zu § 48 spricht diesen Personenkreis unter I. in einem zu einengenden Kreis an als „Aufsichtspflichtige in Betrieben und Unternehmen“ an.

Verkehrsunterricht kann vom Alter der Adressaten her gegenüber allen Tätern angeordnet werden, die 14 Jahre alt und älter sind. Die Vorladung zum Verkehrsunterricht muss jedoch als Präventivmaßnahme auch auf die Möglichkeit des Adressaten zur Teilnahme Rücksicht nehmen (Vwv-StVO zu § 48 unter V.). Eine Anordnung zu ungewöhnlichen Zeiten (etwa Sonntagvormittag) sollte daher vermieden werden und wäre im übrigen unverhältnismäßig (entgegen Vwv-StVO zu § 48 unter V.). Würde der Verkehrsunterricht jedoch in den frühen Abendstunden eines Werktages oder am Samtsagvormittag stattfinden, wäre es für die vorgeladenen Personen kaum noch möglich, wegen terminlicher Probleme nicht zu erscheinen.

Zweck des Verkehrsunterrichts

Der Verkehrsunterricht sollte ausschließlich im Interesse einer Steigerung der Verkehrssicherheit angeordnet werden und ist weder als eine Buße noch als eine andere repressive Maßnahme nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht anzusehen.

Der Zweck der Vorschrift wird nicht im Text des § 48, wohl aber in der Vwv-StVO zu § 48 unter II. genannt. Über die Maßnahme der Belehrung einzelner Täter und von Tätergruppen im Rahmen des Verkehrsunterrichts soll die Verkehrssicherheit insgesamt angehoben werden.

Siehe auch

Weblinks

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