Verkröpftes Gebälk

Verkröpftes Gebälk
Verkröpfte Gesimse an der Westfassade des Salzburger Doms

Eine Verkröpfung (insbesondere in älteren Quellen auch Kröpfung) ist in der Architektur das Herumführen eines waagerechten Gesimses um einen senkrechten Wandvorsprung.

Inhaltsverzeichnis

Begriffe

Der Fachbegriff geht auf die Bedeutung von Kröpfen als ‚krumm biegen‘ zurück.[1] Neben dem stehenden Begriff verkröpftes Gesims wird auch vom verkröpftem Gebälk gesprochen. Dabei ist zu beachten, dass unter dem Begriff Gebälk in der Architektur unterschiedliche Dinge verstanden werden, die sich auch mit den Begrifflichkeiten von Gesims überschneiden können: Unter Gebälk versteht man die aus der klassisch-antiken Architektur übernommenen Formenelemente auch in Stein.

Die vorspringende Kante, die bei der Verkröpfung entsteht, wird auch als Kropfkante bezeichnet wird.[2] Senkrechte Wandvorsprünge können in diesem Zusammenhang beispielsweise Säulen, Pfeiler oder Pilaster sein.[3]

Verspringt ein Gesims nicht waagerecht, um einen Vorsprung, sondern senkrecht, beispielsweise um eine Wandöffnung herum, spricht man von einer Aufkröpfung[4] oder dem Aufkröpfen[2].

Verkröpftes Gesimse

Portal mit Verkröpfungen am Gebälk des Stadtschloss in Berlin

Bereits seit der römischen Architektur wurden hervortretende, profilierte Gesimse um Wandsäulen geführt, die aus der Fassade heraustreten. Während Elemente wie Säule und Pilaster optisch aus der Fassade hervortreten, sorgt das darüberlaufende Gesimse dafür, dass die Felder dazwischen zurücktreten: So ergibt sich eine gegliederte, lebhafte Fassade, in der der Architekt wählen kann, ob ein und welches Element dominiert. Eine große Bedeutung erlangten verkröpfte Gesimse bzw. verkröpftes Gebälk als Element der Fassadengestaltung und -gliederung im Barock.

J. G. Krünitz führt in seiner Oekonomischen Encyklopädie[5] als Beispiel für ein verkröpftes Gesims bzw. verkröpftes Gebälk den Septimius-Severus-Bogen in Rom an, den er als Vorbild für das Berliner Stadtschloss sieht, und zwar sowohl hinsichtlich des großen Portals von Eosander als auch im von Andreas Schlüter konzipierten Schlüterhof. Er meinte: "Das große Portal an dem königlichen Schlosse in Berlin, welches eine Nachahmung des Triumphbogens des Kaisers Septimus Severus ist, und noch mehr die sonst prächtige Faßade gegen den zweyten Hof, wo die Haupttreppe des Schlosses ist, sind durch Verkröpfungen völlig verdorben."

Dies entsprach nicht immer dem späteren Zeitgeschmack. So sprach Johann Georg Sulzer 1771 - an der Grenze zwischen Spätbarock und Klassizismus - in seiner Allgemeinen Theorie der Schönen Künste[6] von der „Brechung eines sonst gerade laufenden Gliedes“. Er kritisierte:

„Man sieht an neuern Gebäuden nur gar zu ofte Beyspiele hiervon. [...] Sie sind nicht nur, wie schon angemerkt worden, völlig ungereimt und den wesentlichsten Regeln entgegen, sondern geben auch den Gebäuden ein sehr überladenes gothisches, oder vielmehr arabisches Ansehen; weil das Aug nicht gerade über ein Gebälke weglaufen kann, sondern alle Augenblike an Eken anstößt. [...] Es läßt sich nicht begreifen, wie es kommt, daß man diese Würkung eines verdorbenen Geschmaks nicht schon längst gehemmt hat.“

Verkröpfter Giebel

Verkröpfter Giebel

Ein verkröpfter Giebel ist ein Giebel, bei dem das Mittelteil gegenüber den Seitenteilen vor oder zurück tritt.[7] Damit ist keine Aussage zur Giebelform (halbrund, segmentbogenförmig, spitz) verbunden.

Als Beispiel für einen verkröpften Giebel[8]wird das Portal der Kathedrale in Lecce (Apulien) aufgeführt, das in den Jahren 1659-70 vom Architekten Zimbalo gestaltet wurde. Dieses Portal zeigt einen verkröpften Segmentgiebel.

Architekturbeispiele

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Satz nach Günther Wasmuth (Hrsg.): Wasmuths Lexikon der Baukunst, Berlin, 1929-1932 (4 Bände), Lemma gekröpft, verkröpft
  2. a b nach Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur, 4. Auflage, Stuttgart, Kröner, 2005, Lemma Verkröpfung
  3. Satz nach Hans-Joachim Kadatz: Wörterbuch der Architektur, Leipzig, 1988, Lemma Verkröpfung
  4. nach Wilfried Koch: Baustilkunde, 27. Auflage, Gütersloh/München, 2006, Stichwortverzeichnis Verkröpfung [810]
  5. Eintrag Kröpfen. In: Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, kruenitz1.uni-trier.de
  6. Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, 1771, Lemma Kröpfung, online zeno.org, abgerufen 2008-11-04
  7. Satz nach Nikolaus Pevsner, Hugh Honour, John Fleming: Lexikon der Weltarchitektur, 3. Auflage, München, Prestel, 1992, Lemma Giebel. Vergleichbar auch bei Fritz Baumgart: DuMont's kleines Sachlexikon der Architektur, Köln, 1977, Lemma Giebel
  8. nach Wilfried Koch: Baustilkunde, München 1988, S. 242

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