Versicherungstarif

Versicherungstarif

Ein Versicherungstarif ist der Tarif eines Versicherers. Er beschreibt stets nur die Konditionen einer bestimmten Gruppe von gleichartigen Versicherungsverträgen (in der Fachsprache der Versicherungswirtschaft als Produkt bezeichnet), wie sie Versicherungsnehmern bereits bestehender Verträge, sehr selten der Öffentlichkeit, verbindlich angeboten werden. So gibt es z. B. in der Autoversicherung einen Tarif, der für den Fall eines Fahrzeugwechsels vertraglich verbindlich die danach geltenden Konditionen beschreibt. Diese Tarife sind für den Versicherer verbindlich, denn sie werden Vertragsbestandteil. Sie regeln verbindlich nachfolgende Vertragsänderungen. In der Fachsprache der Versicherungswirtschaft werden aber auch ungenau interne Vorgaben für Vertragsabschlüsse als Tarif bezeichnet, obwohl sie den Versicherer nicht nach außen binden. Im Unterschied zu anderen Wirtschaftszweigen stellen Tarife in der Versicherungswirtschaft daher oft nicht ein verbindliches Angebot zum Vertragsabschluss dar, sondern sind nur interne Vorgaben der Geschäftsführung für die von damit Beauftragten abzuschließenden Verträge. Versicherer sind meist in der Entscheidung frei, Verträge zu diesen Tarifen abzuschließen, abzulehnen oder andere Konditionen zu vereinbaren. Hierfür gibt es allerdings rechtliche Grenzen. Normalerweise erstellt ein Versicherer für jedes seiner Produkte einen solchen eigenständigen internen Tarif.

Inhaltsverzeichnis

Zweck der Versicherungstarife

Versicherungsverträge sind der Natur nach Produkte, die in großen Zahlen abgeschlossen werden müssen, um ihrer Funktion gerecht zu werden. Denn durch Versicherung wird das einzelne Risiko mit anderen ähnlichen Risiken in einem Portefeuille zusammengefasst und auf Grund mathematischer Grundsätze ist das sich damit insgesamt für den Versicherer ergebende Risiko deutlich geringer, als es für den einzelnen Versicherungsnehmer war. Daher müssen Versicherer Versicherungsverträge möglichst einheitlich abschließen, damit die übernommenen Risiken sehr ähnlich sind. Hierzu verwenden die Versicherer für alle Verträge einer Art einheitliche Versicherungsbedingungen, also einheitliche Vertragsgestaltungen. Damit Vertragsabschlüsse in der Masse möglich sind, müssen auch alle anderen Vertragsbestimmungen, insbesondere die Beiträge und die damit erworbenen Anwartschaften auf Leistungen vorab von der Geschäftsführung als Handlungsanweisung für die mit den Vertragsabschlüssen Beauftragten festgelegt werden. Die Festlegung des Tarifs wird Tarifierung genannt. Es ist bei der großen Zahl der Abschlüsse meist nicht möglich, die Beiträge individuell zu bestimmen. Nur in wenigen kommerziellen Versicherungszweigen oder bei ungewöhnlichen Großrisiken erfolgt eine Einzelfestlegung der Beiträge (Einzeltarifierung). Zudem stellt der Versicherer mit der Anwendung eines einheitlichen Tarifs auf alle Vertragsabschlüsse auch die Einhaltung verschiedener rechtlicher Vorschriften sicher, wie das Gleichbehandlungsgebot des § 11 Abs. 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und des AGG). Bei einer Einzeltarifierung müssen diese Vorgaben jeweils besonders beachtet werden. Auch ist mit der Vorgabe eines Tarifs sichergestellt, dass die Verträge in der von der Geschäftsführung gewünschten Form, insbesondere mit wirtschaftlich ausreichenden Beiträgen abgeschlossen werden. Die Vereinbarung ausreichender Beiträge ist z. B. nach § 11 Abs. 1 VAG für Lebensversicherungsverträge verpflichtend.

Lebensversicherung

Tarifvielfalt

Normalerweise gibt es für jedes Produkt einen eigenen Tarif; so bieten Lebensversicherungsunternehmen typischerweise Tarife für Rentenversicherungen, Risikolebensversicherungen, Kapitallebensversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen etc. an. Es sind aber auch Sondertarife für bestimmte Kundengruppen oder Vertriebswege möglich. Alternativ sehen umfassende Tarife Sonderregelungen für verschiedene Fälle vor.

Tarif und Vertrag

In der Lebensversicherung ist der Tarif kein Vertragsbestandteil, aber gemäß Anlage D Abschnitt I 1.b des VAG muss der verwendete Tarif dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden. Der Versicherer ist frei, soweit dies nicht gesetzlichen Vorschriften wie dem AGG oder dem Gleichbehandlungsgebot widerspricht, im Einzelfall, insbesondere aus Risikogründen, den Abschluss eines Vertrages zu dem Tarif abzulehnen oder Änderungen vorzunehmen. Dies geschieht normalerweise im Zusammenhang mit der Risikoprüfung auf Grund von besonderen gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Risiken. Auch für Vertragsänderungen ist der Tarif nicht maßgeblich. Soweit der Vertrag bestimmte Gestaltungsrechte für eine Partei vorsieht, müssen die Bestimmungen hierfür im Vertrag vereinbart sein. So müssen beispielsweise die Rechnungsgrundlagen der Beitragskalkulation, mit denen eine Beitragsfreistellung durchzuführen ist, im Vertrag vereinbart sein. Interne Dokumente des Versicherers, wie ein Tarif, sind hierfür nicht maßgeblich.

Tarifierung

Da Tarife in der Lebensversicherung heute ausschließlich ein internes Organisationsmittel des Versicherers sind und keine rechtliche Bedeutung haben, sind die Versicherer in deren Gestaltung völlig frei. Viele Versicherer organisieren auch heute noch Tarife ähnlich den früher für vor 1995 abgeschlossene Verträge durch die Aufsichtsbehörde weitgehend vorgegebenen Geschäftsplänen. Daher ist für diese eine Beschreibung möglich, die aber nicht allgemein gültig ist. Bis 1994 waren die Versicherer verpflichtet, ihre Tarifierungsgrundlagen in ihrem Geschäftsplan darzulegen und diesen vom BAV genehmigen zu lassen. Die Tarife sind daher weitgehend nach den Wünschen der Aufsichtsbehörde gestaltet. Sie sind zur Arbeitserleichterung der Aufsichtsbehörde standardisiert, vor allem aber um dem Willkürverbot gerecht werden zu können. Seit 1995 ist die Genehmigungspflicht entfallen. Die mathematischen Grundlagen der Beitragskalkulation sind aber gemäß § 13 d Nr. 6 VAG der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.

Übliche Tarifeigenschaften

Zu den in Tarifen vorgebebenen Einzelheiten der abzuschließenden Verträgen bei Lebensversicherungen gehören

  • der bei der Berechnung der Beiträge zu verwendende Rechnungszins,
  • die zu verwendende Sterbetafeln,
  • die Höhe der einzurechnenden Abschluss- und Verwaltungskosten,
  • die zu verwendenden Formeln,
  • der zu vereinbarende Rückkaufswert und die beitragsfreien Summen,
  • der Stornoabschlag für Rückkauf und Beitragsfreistellung,
  • Beschränkungen für das Eintrittsalter, die Laufzeit und die Versicherungssumme,
  • die zu verwendenden Versicherungsbedingungen, insbesondere die Allgemeinen Versicherungsbedingungen,
  • übrige Einzelheiten der Vertragsausgestaltung.

Tarife und Deckungsrückstellung

Oft sehen die Tarife auch technische Vorgaben für die Bewertungen im Rahmen des Jahresabschlusses vor. Diese sind, außer für vor 1995 abgeschlossene Verträge, aber nicht verbindlich; verbindlich sind vielmehr die Vorschriften der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung. Die den Jahresabschluss aufstellende Geschäftsführung ist an den Tarif nicht gebunden. Der Jahresabschluss ist nach den handelsrechtlichen Vorschriften aufzustellen, wobei der Verantwortliche Aktuar unter der Bilanz zu bestätigen hat, dass die Deckungsrückstellung gemäß den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gebildet ist. Der Tarif spielt hier keine maßgebliche Rolle. Nur für vor 1995 abgeschlossene Verträge sieht das Handelsrecht eine Maßgeblichkeit der Geschäftspläne für die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen vor, soweit diese eine aus handelsrechtlicher Sicht ausreichende Vorsicht zur Folge haben.

Andere Versicherungszweige

Die Tarife in der Krankenversicherung und der Autoversicherung unterliegen noch weitgehenden staatlichen Kontrollen. Gleiches gilt auch für die Tarife von Pensionsfonds.

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