Verzerrung (Empirie)

Verzerrung (Empirie)

Verzerrung oder Antwortverzerrung ist eine Art von Fehler in einer Erhebung und eine Systematische Verzerrung. Sie bezeichnet in der Empirie das Phänomen, dass bei Meinungsumfragen häufig nicht die tatsächlichen Einstellungen (= wahrer Wert) abgebildet werden. Dies ist eine Folge davon, dass die Befragung eine soziale Situation darstellt, die als solche einen Einfluss auf die Antworten haben kann (Reaktivität). Auch inhaltsunabhängige Faktoren können die Antworten so verändern, dass diese nicht mehr die eigentliche Meinung bzw. Einstellung widerspiegeln. Die Antwort gilt dann als verzerrt. Die Ursache für Systematische Verzerrungen kann bei dem Befragten, bei den Fragen oder bei dem Interviewer bzw. der Interviewsituation liegen.

  • Befragter
    • Soziale Erwünschtheit (Social-Desirability-Response-Set) resultiert aus der Tendenz, Items nicht nach der persönlich zutreffenden Einstellung zu beantworten, sondern nach sozialen Normen, die nach Auffassung der Versuchsperson erwünscht sind. Methoden, die Anzahl ehrlicher Antworten durch Anonymisierung zur erhöhen, sind die Randomized-Response-Technik und die Unmatched-Count-Technik (s.a. Sensitive Frage).
    • Akquieszenz: Die Ja-Sage-Tendenz (Inhaltsunabhängige Zustimmungstendenz, acquiescence tendency) ist die Neigung von Menschen, Fragen eher mit "ja", "stimmt" oder "richtig" zu beantworten und zwar unabhängig vom Inhalt der Fragen. Die Ja-Sage-Tendenz findet man häufiger bei autoritären Persönlichkeiten und ängstlichen und konservativen Menschen, als angepaßtes Verhalten.
    • Tendenz zur Mitte: Die Tendenz zur Mitte (engl. Error of central tendency) ist in der empirischen Sozialforschung die Tendenz von Befragten, bei mehrstufigen Skalen (z. B. Likert-Skalen) eher die mittleren Skalenpunkte auszuwählen.
    • Schweigeverzerrung (engl. non-response bias): Antwortende können ein anderes Antwortverhalten haben als es Nichtantwortende hätten, wenn sie an der Erhebung teilgenommen hätten. Die ausbleibenden Antworten verfälschen somit das Gesamtbild.
  • Frageeffekte
    • Reihenfolge-Effekte (auch: Fragereiheneffekte oder Positionseffekte) sind Effekte, die aus der Reihenfolge der Fragestellung resultieren. Dabei kann eine vorher gestellte Frage einen Einfluss auf die Interpretation und die Bewertung der folgenden Fragen haben. Die Positionierung einer Frage im Fragebogen kann sich also (verzerrend) auf die Antworten auswirken.
    • Frageformulierung
    • Ausstrahlungseffekte wie der Halo-Effekt
    • Antwortskalen oder Antwortkategorien

Mehrere Effekte gelten als Ursache für die Einheitsmethodenvarianz (engl. common-method variance).[1]

Siehe auch

Systematischer Fehler, Vorurteil, Bias, Störfaktor, non response, Selbstselektion, Rezenzeffekt, Recall Bias

Literatur

  • Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, Zu einer Fehlertheorie der Befragung. Opladen 1975.
  • Andreas Diekmann: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendung. 9. Aufl., Reinbek 2002.
  • Schnell/Hill/Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung. 6. Aufl., Oldenbourg, 1999, S. 330ff.

Einzelnachweise

  1. Williams, L.J., Hartman, N. & Cavazotte, F. (2010): Method Variance and Marker Variables: A Review and Comprehensive CFA Marker Technique. Organizational Research Methods, Vol. 13, No. 3, pp. 477-514.

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