Villa dei Papiri

Villa dei Papiri
Tänzer aus der Villa dei Papiri

Als Villa dei Papiri (italienisch: „Villa der Papyri“) oder auch Pisonenvilla wird eine große antike Villenanlage bei Herculaneum bezeichnet. Ihre Namen erhielt sie von den dort gefundenen Schriftrollen, einer der wenigen Funde einer Bibliothek aus römischer Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Anlage und Besitzer

Nachbau der Villa dei Papiri in Malibu (Kalifornien), Blick vom großen Peristyl auf das Hauptgebäude

Sie wurde 1750 von dem Schweizer Archäologen Karl Weber entdeckt und liegt etwa 250 m von der eigentlichen Stadt entfernt. Weber erforschte die Villa, die von etwa 20 m vulkanischem Schlamm bedeckt ist, durch ein Tunnelsystem von 1750 bis 1765. Weitere Ausgrabungen, die u. a. zeigten, dass die Villa auf der Meerseite vier terrassenförmig angelegte Stockwerke besaß, wurden bis 1997 durchgeführt. In der Villa wurden zahlreiche Kunstwerke aus Bronze gefunden, die sich jetzt im Archäologischen Nationalmuseum Neapel befinden.

Über die Besitzer der Villa können nur Vermutungen angestellt werden. Möglicherweise wurde die Villa im 1. Jahrhundert v. Chr. von Lucius Calpurnius Piso erbaut, der als Schwiegervater Gaius Iulius Caesars bekannt ist (nach anderer Auffassung war der Erbauer Appius Claudius Pulcher, Konsul 38 v. Chr.).

Die Villa erstreckte sich einst über eine Länge von ca. 250 m am Meer entlang. Der Gebäudekomplex war auf verschiedene Terrassen verteilt, die sich vor allem auf das Meer ausrichteten und einen idealen Blick darauf gewährleisteten. Der Eingang lag wahrscheinlich an der dem Meer entgegengesetzten Seite. Hier befindet sich ein Atrium, das in ein kleines Peristyl führt. Links davon befinden sich ein Tablinum und Wohnräume, rechts befindet sich die Bibliothek. Von dem Tablinum gelangt man in ein weiteres Peristyl, das etwa 100 m lang und 37 m breit ist. Es ist von 25 × 100 Säulen geschmückt und hat ein 66 m langes Wasserbecken in der Mitte.

Die Reste der Villa sind heute nicht begehbar. Ein Nachbau der Villa wurde im kalifornischen Pacific Palisades, Los Angeles für das J. Paul Getty Museum errichtet.

Bibliothek und Papyrusrollen

Abgesehen vom Umfang der Anlage liegt die archäologische Bedeutung der Villa dei Papiri in der dort gefundenen (namengebenden) Bibliothek. Diese ist die einzige Bibliothek, die aus römischer Zeit in Italien erhalten ist.

In einem 3 mal 3 Meter großen Raum lagen die verkohlten Reste von etwa 1800 Papyrusrollen einer griechischen Bibliothek. Sie waren in der Mitte des Raumes und an den Wänden in Holzregalen gelagert. Die Büchersammlung – offenbar eine Spezialbibliothek – enthielt neben Werken Epikurs (342/41–271/70 v. Chr.) und seiner Schüler zahlreiche Schriften des epikureischen Philosophen Philodemos von Gadara (1. Jahrhundert v. Chr.). Man hat vermutet, dass es sich um die persönliche Bibliothek des Philodemos handelt, der sich nachweislich in der Region aufgehalten hat. Da man in anderen Räumen der Villa jüngere griechische und auch einige lateinische Papyri gefunden hat, kann angenommen werden, dass in der reich ausgestatteten, großen Villa zusätzlich die übliche griechische und lateinische Bibliothek vorhanden war.

Beim Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. wurden die Papyrusrollen durch Hitze karbonisiert und unter Asche begraben, wodurch sie zwar erhalten blieben, jedoch in einem sehr schlechten Zustand. Heute werden die Rollen in der Nationalbibliothek in Neapel aufbewahrt. Seit ihrer Entdeckung hat man sich darum bemüht, die verbackenen und verpressten Rollen vorsichtig aufzuwickeln und soweit wie möglich wieder lesbar zu machen. Erste Versuche, die Rollen zu öffnen, führten zur Zerstörung der betreffenden Exemplare. Fortschritte wurden erst durch ein von Antonio Piaggio, einem Piaristenmönch an der Vatikanischen Bibliothek, erfundenes Verfahren gemacht.

Padre Antonio Piaggio

Erste Ausgaben mit Kupferstich-Faksimile und Transkription der Texte erschienen ab 1793 (Herculanensium Voluminum quae supersunt Collection prior [1793–1855], Collectio altera [1862–1876]). Eine Faksimile-Ausgabe der Fragmente erschien in zwei Bänden 1824/25 (Hayter, Oxford).

In den letzten Jahren wurden von einer großen Zahl der Manuskripte multispektrale und mikrofotografische Aufnahmen gemacht. Die so gewonnenen Daten sollen in absehbarer Zeit auch online verfügbar gemacht werden.

Die Arbeit der Lesbarmachung und philogischen Bearbeitung der Papyri wird heute von verschiedenen Institutionen und internationalen Projekten weitergeführt. Dazu gehören:

  • Biblioteca Nazionale di Napoli (seit 1910 Besitzer der Papyri)
  • Centro Internazionale per lo Studio dei Papiri Ercolanesi "Marcello Gigante"
  • Center for the Study and Preservation of Ancient Religious Texts (CPART) der Brigham Young University, Utah
  • Philodemus Project der UCLA, Kalifornien unter Leitung von David Blank

Statuenausstattung

Seleukos I., Bronzebüste

In der Villa fanden sich auch mehr als achtzig Skulpturen. Es handelt sich meist um Kopien griechischer Werke. Hervorzuheben ist der Kopf des polykletischen Doryphoros (signiert von dem Athener Apollonios) und einer Amazone des Phidias. Es gibt weiterhin zahlreiche Porträtbüsten, darunter die des Epikur, Hermarch, Zenon und Demosthenes. Weiter gibt es Bildnisse zahlreicher Herrscher in Marmor und Bronze, wobei es sich nur um Griechen, nie um Bildnisse von Römern handelt. Neben diesen bekannten Persönlichkeiten findet man die Bronzefiguren eines Satyrs, des Hermes, zwei Ringerstatuen und fünf bronzene Mädchenfiguren.

Archäologie

In den letzten Jahren gab es eine andauernde Kontroverse um eine Wiederaufnahme der Ausgrabungen in der Villa dei Papiri, die von zahlreichen Wissenschaftlern gefordert wird, um die möglicherweise noch vorhandenen weiteren Teile der Bibliothek (insbesondere die vermutlich vorhandene lateinische Bibliothek) zu retten und die bedrohte Bausubstanz der Villa zu sichern. Der zuständige Denkmalpfleger wies dieses Ansinnen allerdings bisher zurück.[1] Das hat sich offenbar seit 2007 geändert, da jetzt Ausgrabungen am Ort den bisher ersten erhaltenen antiken römerzeitlichen Thron zu Tage förderten.[2]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kulturweltspiegel (WDR) zur Kontroverse um die Ausgrabungen, 9. Juni 2002.
  2. Der Standard/Wissenschaft, 17. Dezember 2007.
40.8074514.3447

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