Visite

Visite
Historisch: Ärztliche Visite während der Arbeitstherapie in einer psychiatrischen Einrichtung in Lippstadt

Die Visite (lat.: visitare = besuchen), auch ärztliche Visite, bezeichnet im Krankenhaus die Begutachtung des Patienten am Krankenbett durch einen oder mehrere Ärzte. Als Visite wird auch der hausärztliche Besuch des niedergelassenen Arztes bei seinen Patienten bezeichnet.

Im Krankenhaus bzw. der Klinik nimmt die regelmäßige, in der Regel einmal täglich (meistens vormittags) stattfindende Visite eine wichtige Rolle im Ablauf des Stationsbetriebes ein, bei der Diagnostik und Therapie für den Patienten festgelegt werden. Dabei nimmt manchmal eine ganze Gruppe (z. B. Chefarzt, Stationsarzt, Studenten, Gesundheits- und Krankenpfleger/ innen) an der Visite teil.

Als Spezialformen gibt es unter anderem die Kurvenvisite (die Bezeichnung leitet sich von dem Umstand ab, dass dabei lediglich die Patientenkurven und die Pflegedokumentation herangezogen und die Patienten nicht persönlich aufgesucht werden) und die Chefarztvisite (meist einmal wöchentlich informiert sich der Chefarzt über die Patienten in seiner Abteilung und unterrichtet am Krankenbett).

Bei dem Gespräch anlässlich der Visite soll der Patient seine Beschwerden und Probleme äußern können und über sein Befinden und die Therapien aufgeklärt werden. Zum anderen soll sich der Arzt über Fortschritt oder mögliche Fehlschläge der Therapie am Patienten vergewissern und mit seinen Mitarbeitern das weitere Vorgehen abstimmen.

Bei der Visite im Krankenhaus wird der Klinikarzt in der Regel von Mitgliedern des Pflegepersonals begleitet. In Kliniken, die Medizinstudenten im praktischen Jahr haben, nehmen auch diese zu Ausbildungszwecken teil.

Schon die Muslime im 10. Jahrhundert kannten die Visite, fast im Sinne moderner ganzheitlicher Methoden. Dort wurde der Patient sowohl nach seinem körperlichen wie auch nach seinem seelischen Befinden befragt.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben der Visite

  • Patienten untersuchen
  • Krankenverlauf beobachten, kontrollieren und dokumentieren
  • Aktualisierung der Diagnostik
  • Medizinstudenten ausbilden
  • Verlegungen anordnen
  • Entlassung anordnen
  • Medikamente verordnen oder deren Dosierungen anpassen
  • Diäten verordnen
  • Anordnen von therapeutischen Maßnahmen
  • Untersuchungen anordnen
  • Operationen (OP) planen und Anweisungen zu deren Vorbereitung

Häufige Probleme

Geisler zählt typische Kommunikationsmängel und -defizite der Visite auf:

  • Die Hälfte der Beschwerden des Patienten kommen nicht zur Sprache.
  • Ärzte erhalten nur wenig Auskunft über die Bedeutung der Erkrankung für den Betroffenen und ihre emotionalen und sozialen Folgen.
  • Arzt und Patient stimmen in mehr als der Hälfte der Fälle nicht über das hauptsächliche Gesundheitsproblem des Patienten überein.
  • Die Patientenvisite im Krankenhaus wird wesentlich bestimmt durch das Rollenverständnis der Interaktionspartner.
  • Als Spezifikum der Visite im Krankenhaus kommt hinzu, dass es sich um Kommunikation unter institutionellen Bedingungen handelt.
    • Durchschnittlich liegt die Visitezeit bei drei Minuten.
    • Durchschnittlich stellt der Patient bei der Visite nur eine Frage.

Zitat

Thomas Bliesener
hat die traditionelle Visite schlichtweg einen "verhinderten Dialog" genannt.
W. Böker
"Bleibt die Wahrnehmung des Kranken durch den Arzt unvollständig, fragmentiert, oberflächlich oder auf ein hervortretendes Störungssymptom beschränkt, wird die Diagnose unzureichend ausfallen." (2003; s. u. Weblinks)
L. Geisler
weist auf das dialogische Denken aus der humanistischen Medizin hin, das mit der "sprechenden Medizin" verbunden sei: "Das dialogische Denken wurde in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von den "Philosophen des Dialogs" wie F. Ebner, M. Buber, F. Rosenzweig, G. Marcel und V. v. Weizsäcker entwickelt, dem auch der Begriff der "sprechenden Medizin" zugeschrieben wird." (2003; s. u. Weblinks)

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Bliesener, Karl Köhle: Die ärztliche Visite. Chance zum Gespräch. 1986. ISBN 3531117696. Ein Buch, das aus einer wissenschaftlichen Untersuchung zur Visite entstanden ist.
  • Klaus Dörner: Der gute Arzt. Lehrbuch der ärztlichen Grundhaltung. Stuttgart/New York, Schattauer Verlagsgesellschaft, Stuttgart - New York. 2001. ISBN 3794520505
  • L.S. Geisler: Arzt und Patient im Gespräch - Wirklichkeit und Wege. Vortrag am 10. Mai 1989 in Berlin. Heft 7, Gesundheitspolitische Gespräche Schering, 1989.

S. Simon (Hrsg.), Der gute Arzt im Alltag 2004. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2007, ISBN 978-3-7691-0480-6. (Anleitung zur ärztlichen Grundhaltung in Klinik und Praxis).

Zeichnungen
  • Markus Oberhauser: Oberhausers Visite: Die besten Cartoons aus ÄRZTLICHE PRAXIS. ISBN 3936506019. Ein mehr humoristischer Ansatz zu Höhen und Tiefen der ärztlichen Visite.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Visite – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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