Vorlande

Vorlande
Wappen von Österreich, 1512[1]

Vorderösterreich, früher die Vorlande, ist ein Sammelname für die früheren Besitzungen der Habsburger westlich von Tirol und Bayern. Diese liegen heute vor allem in der Schweiz, im Elsass, im Territoire de Belfort, in Baden-Württemberg und in Bayerisch-Schwaben.

Im ehemaligen Vorderösterreich liegen die ältesten bekannten Besitzungen der Habsburger wie die Burg Habsburg und die Abtei Ottmarsheim. Zwischen dem 13. Jahrhundert und dem Anfang des 19. Jahrhunderts ging die Landesherrschaft im Verlauf von etwa 550 Jahren nach und nach – bis auf Vorarlberg – von den Habsburgern an andere Inhaber über (verschiedene Orte bzw. Kantone der schweizerischen Eidgenossenschaft, Königreich Frankreich, Fürstentümer Bayern, Württemberg und Baden). Vorderösterreich war wie das Erzherzogtums Österreich vom 14. bis in das 19. Jahrhundert Teil des Heiligen Römischen Reiches sowie kurzzeitig des Kaisertums Österreich.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Nach der Verlagerung ihres Besitz- und Herrschaftsschwerpunkts ins Herzogtum Österreich waren die Vorlande ein zerstückeltes und kleinteiliges Anhängsel der Habsburgermonarchie. Scherzhaft sprach man von der „Schwanzfeder des Kaiseradlers“. Durch die Niederlagen von Morgarten 1315 und Sempach 1386 gingen die eigentlichen Stammlande der Habsburger an die Eidgenossen verloren. Hauptteile des österreichischen Schwaben waren nun der Sundgau (südliches Elsass) und der Breisgau. Sitz der Regierung war Ensisheim nahe Mülhausen. Freiburg im Breisgau, das sich 1368 den Habsburgern unterstellt hatte, war die meiste Zeit das geistige und kulturelle Zentrum. 1457 gründeten hier die Habsburger nach Wien ihre zweite Universität, während sich das Archiv im aargauischen Baden befand. Lose mit Vorderösterreich verbunden waren zerstreute Besitzungen in Oberschwaben und im Allgäu, die größte davon war die Markgrafschaft Burgau.

Frühe Neuzeit

Bei allen habsburgischen Herrschaftsteilungen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit kamen die Vorlande an diejenige Linie, die Tirol beherrschte, gehörte damit zu Austria SuperiorOberösterreich, im damaligen Sprachgebrauch – und wurde also immer von Innsbruck aus regiert. 1490 wurde eine Zentralbehörde für Tirol und die Vorlande geschaffen.

Im Dreißigjährigen Krieg brachte die verwitwete Erzherzogin Claudia von Tirol (Claudia de Medici) drei württembergische Herrschaften - die Pfandschaft Achalm, die Pfandschaft Hohenstaufen und das Amt Blaubeuren in ihren Besitz. Von 1640 bis 1648 waren diese Herrschaften vorderösterreichisch. Es gelang dem Kanzler Isaak Volmar jedoch nicht, die Besitzansprüche in den Westfälischen Friedensverhandlungen durchzusetzen, zumal die deutschen Fürsten auf des Seite des Herzogs Eberhard III. von Württemberg standen. Mit dem Westfälischen Frieden fiel 1648 das habsburgische Elsass, hier vor allem der Sundgau und auch Breisach an Frankreich. 1651 wurde daher Freiburg anstelle von Ensisheim Hauptstadt von Vorderösterreich. Württemberg erhielt die drei Herrschaften zurück.

Nach den Türkenkriegen wurden viele Bewohner Vorderösterreichs dazu bewogen, sich an den neuen Südostgrenzen des Habsburgerreiches im Königreich Ungarn niederzulassen. Ihre Nachfahren werden Donauschwaben genannt.

Die Reformen der Verwaltung unter Maria Theresia und Joseph II. stießen vielfach auf Ablehnung. Im 18. Jahrhundert wurden einige Gebiete wie Tettnang und das Amt Ortenau erworben und andere, wie die Gemarkung Gersbach im Südschwarzwald, an die Markgrafschaft Baden, verkauft.

Um 1780 hatte Vorderösterreich etwa 400.000 Einwohner. Dabei wurde Vorarlberg, das ab 1782 wieder von Innsbruck aus verwaltet wurde, mitgezählt.

Verwaltungsgliederung 1790

Vorderösterreich um 1780

Vorarlberg (um 1780 Oberamt Bregenz) ist zu dieser Zeit Teil der Gefürsteten Grafschaft Tirol mit Vorarlberg.

Das Ende von Vorderösterreich

Grenzstein von Vorderösterreich, in Salhöhe, Schweiz

Bereits 1799 verlor Österreich die Gebiete südlich des Rheins. Das Fricktal wurde zunächst französisches Protektorat, 1802 ein eigener Kanton in der Helvetischen Republik, 1803 schließlich ein Teil des Aargaus. Im Pressburger Frieden von 1805 verloren die Habsburger Vorderösterreich vollständig. Die historischen Territorien gingen an das neue Königreich Bayern – vor allem Teile von Bregenz, Günzburg und Weissenhorn –, an das neue Großherzogtum Baden der Breisgau , an das Königreich Württemberg u.a. Rottenburg am Neckar und Horb am Neckar, an Hohenzollern Gebiete bei Sigmaringen sowie kleinere Gebiete an das Großherzogtum Hessen. (Siehe dazu auch: Territoriale Besonderheiten in Südwestdeutschland nach 1810). In einigen Teilen Vorderösterreichs trauerte man der Zeit der Zugehörigkeit zum Hause Habsburg nach: Die schwäbischen Günzburger beispielsweise konnten erst nach massivem Einwirken der bayrischen Regierung dazu bewogen werden, die österreichischen Farben gegen die bayrischen in ihrem Stadtwappen auszutauschen. Im zu Günzburg nahegelegenen Weissenhorn prangt noch heute der österreichische Adler am Stadttor, wie auch in Breisach am Rhein und Endingen am Kaiserstuhl. Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald führt bis heute die österreichischen Farben im Wappen. 1815, beim Wiener Kongress gab es die Überlegung, auf das Herzogtum Salzburg zu verzichten und stattdessen den Breisgau neu zu erwerben. Dies hätte zwar den Wünschen der Breisgauer entsprochen, die mit einer Delegation auf dem Wiener Kongress vertreten waren und mittels einer Botschaft an den Kaiser von Österreich und den russischen Zaren darum baten, bei Österreich zu verbleiben. Salzburg erwies sich aber als praktischer, weil das österreichische Staatsgebiet dadurch besser arrondiert wurde.

Historische Bedeutung

Die historische Bedeutung Vorderösterreichs liegt u.a. darin, dass es – zusammen mit den Besitzungen der Familien Fürstenberg und Hohenzollern sowie einer Anzahl geistlicher Gebiete – für die katholische Prägung der Südhälfte von Baden-Württemberg verantwortlich ist. Architektonische Zeugnisse hierfür sind die vielen großen Klosteranlagen und Kirchen wie etwa die Bauten der Familie Thumb.

Literatur

  • Volker Himmelein, Franz Quarthal (Hg.): Vorderösterreich, Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1999, ISBN 3-88294-277-0 (Katalog der Landesausstellung).
  • Christoph Döbeli: Die Habsburger zwischen Rhein und Donau. 2. Auflage, Erziehungsdepartement des Kantons Aargau, Aarau 1996, ISBN 3-9520690-1-9.
  • Hans Maier, Volker Press (Hg.): Vorderösterreich in der frühen Neuzeit. Thorbecke, Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-7058-6.
  • Friedrich Metz (Hg.): Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Rombach, Freiburg i. Br. 2000, ISBN 3-7930-9237-2.
  • Franz Quarthal: Vorderösterreich.In: Historischen Lexikon der Schweiz, Bern (Onlinedokument)
  • ders.: Vorderösterreich. In: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte. 1. Band, 2. Halbband, Seite 587-781. Stuttgart 2000. ISBN 3-608-91948-1 (wissenschaftliche Darstellung)
  • Klaus Rommel (Hg.): Das große goldene Medaillon von 1716.(Donativ des Breisgaus, Schwäbisch-Österreich und Vorarlberg zur Geburt Leopolds).Rommel, Lingen 1996, ISBN 3-9807091-0-8.
  • Andreas Zekorn, Bernhard Rüth, Hans-Joachim Schuster und Edwin Ernst Weber (Hg.): Vorderösterreich an oberem Neckar und oberer Donau. UVK Verlagsges., Konstanz 2002, ISBN 3-89669-966-0 (hrsg. im Auftrag der Landkreise Rottweil, Sigmaringen, Tuttlingen und Zollernalbkreis).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Privilegium maius. Titelseite, Exemplar Kaiser Maximilians I.

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