Vratěnín

Vratěnín
Vratěnín
Wappen von ????
Vratěnín (Tschechien)
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Basisdaten
Staat: Tschechien
Region: Jihomoravský kraj
Bezirk: Znojmo
Fläche: 1475 ha
Geographische Lage: 48° 54′ N, 15° 36′ O48.90352315.597239468Koordinaten: 48° 54′ 13″ N, 15° 35′ 50″ O
Höhe: 468 m n.m.
Einwohner: 297 (1. Jan. 2011) [1]
Postleitzahl: 671 08
Struktur
Status: Gemeinde
Ortsteile: 1
Verwaltung
Bürgermeister: Martin Kincl (Stand: 2007)
Adresse: Vratěnín 88
671 08 Vratěnín
Gemeindenummer: 595110
Website: www.vratenin.cz

Vratěnín (deutsch Fratting) ist eine Gemeinde in Tschechien. Sie liegt an der österreichischen Grenze in Südmähren. Südlich des Ortes befindet sich der Grenzübergang Vratěnín/Drosendorf. Die Ortschaft selbst ist als ein Längsangerdorf angelegt.[2]

Nachbardörfer sind Uherčice (Ungarschitz) im Osten, Mešovice (Nespitz) im Norden, Luden im Westen und Oberthürnau im Süden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Anlage des Ortes und die bis 1945 gesprochene Ui-Mundart (bairisch-österreichisch) mit ihren speziellen Bairischen Kennwörtern, weist auf eine Besiedlung durch bayrische deutsche Stämme hin, wie sie, um 1050, aber vor allem im 12/13. Jahrhundert erfolgte.[3] Fratting wurde 1251 erstmals urkundlich erwähnt, als Wichard von Tyrna die ›ecclesia Wratingen‹ dem Stift Geras übergab, dem die Pfarrei bis nach dem Zweiten Weltkrieg inkorporiert blieb. 1325 erhielt der Ort von Johann von Luxemburg die Stadtrechte verliehen. Vladislav II. erneuerte 1498 die alten Privilegien und erweitere sie um die Abhaltung eines Jahrmarktes.

1560 kam Fratting in den Besitz Wenzels Kraiger von Kraigk. Ab dem Jahre 1561 erhielt Fratting die Erlaubnis Heiratsverträge abzuschließen und mittels eines eigenen Gerichtes Zwiste unter den Untertanen zu schlichten.[4] In dem Ort, durch den die Poststraße von Wien nach Prag führte, befand sich eine Umspanne mit Herberge für die Reisenden. 1723 wurde diese Station zu einer Hauptpoststation erhoben. Die zu Zeiten Maria Theresias angelegte neue Kaiserstraße von Wien nach Prag führte nicht mehr über Fratting sondern weit nördlich vorbei. Dadurch verlor die Poststation ihre Bedeutung, was sich auch negativ auf das Städtchen auswirkte. Das Augustiner-Eremitenkloster wurde im Jahre 1784 durch Kaiser Josef II. aufgelöst. Im Jahre 1821 brannte die Kirche völlig nieder. Bis ins 19. Jahrhundert war Fratting als Wallfahrtsort auch bekannt für seinen Loretoaltar.

1904 entstand ein Projekt einer elektrischen Eisenbahn von Znaim über Fratting nach Raabs an der Thaya, das sich jedoch wegen der Staudammpläne an der Thaya verzögerte und schließlich durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der danach erfolgten Gründung der Tschechoslowakei nicht mehr verwirklicht wurde. Zu dieser Zeit fanden die Jahrmärkte immer an Fabian, am Dienstag nach Mariä Verkündigung, am Montag nach Margarethe, am Dienstag nach Ägidius und am Dienstag nach Katharina statt. Auch gab es jeden Mittwoch einen Wochenmarkt.[5]

Nach dem Ersten Weltkrieg, zerfiel der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn. Der Vertrag von Saint-Germain, 1919, erklärte den Ort, dessen Bewohner im Jahre 1910 zu 99 % als Mährer den bairisch-österreichischen Dialektraum angehörten, zum Bestandteil der neuen Tschechoslowakischen Republik. Zwischen den Volkszählungen 1910 und 1930 war der Ortsanteil der tschechischen Bevölkerung von 0,6 % auf 24 % angestiegen. So wie in Fratting führte dies zu Spannungen innerhalb der Volksgruppen. Als auch die von den Deutschmährern (Sudetendeutsche war ein später gängigerer Begriff für den deutschsprachigen Bevölkerungsanteil in der Tschechoslowakischen Republik) geforderte Autonomie nicht verhandelt wurde und bewaffnete Konflikte drohten, veranlassten die Westmächte die tschechische Regierung zur Abtretung, der von Sudetendeutschen bewohnten Randgebiete an Deutschland. Dies wurde im Münchner Abkommen geregelt. Somit wurde Fratting mit 1.Oktober 1938 ein Teil des deutschen Reichsgaues Niederdonau.[6][7][8]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der 22 Opfer forderte, kam die Gemeinde am 8.Mai 1945 wieder zur Tschechoslowakei zurück. Am 10.Juni 1945 wurden fünf Frattinger, darunter der Bürgermeister, in Döschen hingerichtet. Noch vor dem Potsdamer Protokoll wurde alle deutschen Bürger von Fratting, am 9. Juni 1945 in einer „Wilden Vertreibung“ über die Grenze nach Österreich vertrieben. Laut dem Beneš-Dekret 108 vom 25.Oktober 1945, wurde das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen der deutschen Einwohner konfisziert und unter staatliche Verwaltung gestellt. Seitens der Tschechischen Republik erfolgte keine Abgeltung für das eingezogene Vermögen.

200, der in Österreich befindlichen Ortsbewohner wurden im März 1946, in Übereinstimmung mit den ursprünglichen Überführungs-Zielen[9] der Potsdamer Protokolls, nach Deutschland weiter transferiert.[10]

Matriken (Kirchenbücher) werden seit 1655 geführt. Onlinesuche über das Landesarchiv Brünn. [11]

Wappen und Siegel

Fratting führte seit dem Jahre 1646 ein eigenes Siegel. Es zeigte eine Barockschild mit den Initialen „F“ (=Fratting) in der Mitte, den Namen der Marktgemeinde im oberen Kreisrund und drei Rosenblüten im Siegelfeld.[12]

Bevölkerungsentwicklung

Volkszählung Einwohner gesamt Volkszugehörigkeit der Einwohner
Jahr Deutsche Tschechen Andere
1880 552 521 1 1
1890 536 530 6 -
1900 528 521 7
1910 487 484 3
1921 528 398 103 27
1930 529 375 127 27

[13]

Sehenswürdigkeiten

Kirche des Jakobus des Älteren
  • barocke Kirche Jakobus der Älteren (1773 erbaut), Deckenfresken und drei Altarblätter von Anton Franz Zeller (1770)
  • ehemalige Umspanne an der alten Poststraße Prag – Wien, heute als Gasthaus und Gemeindeamt genutzt
  • mehrere barocke Bildsäulen
  • Marterlsäule an der Straße nach Rancířov
  • Marktsäule mit Ritterfigur (1595)
  • Ruine des Augustinerklosters (1821 durch Brand zerstört)
  • Schloss aus der Frührenaissance
  • Postamt (schon im 16. Jahrhundert, 1732 Hauptposthalterstelle)[14]

Brauchtum

  • Bis zur Vertreibung der deutschen Einwohner erfolgte alljährlich zu Pfingsten eine Wallfahrt nach Maria Dreieichen.
  • Und am Ostersonntag umritten alle männlichen Pfarrlinge die Äcker und Wiesen (Gemarkung des Ortes) und tragen an vier Stationen die Evangelien vor.[15]

Sagen aus dem Ort

Unter den vertriebenen, deutschen Ortsbewohnern kursierten eine Vielzahl von Ammenmärchen:

  • An gewissen Abenden in der Adventszeit hörten die Leute eine jammernde Stimme aus dem Wald die immerzu fragte "Wo soll ich ihn hintragen?" Keiner wusste darauf eine Antwort und lief sogleich davon. Eines Abends jedoch vernahm ein Handwerksbursche die Stimmte und rief "Dort hin, wo du ihn weggenommen hast." Daraufhin antwortete die Stimme "Vergelt's Gott!" und verschwand für immer. Der Geist soll ein Bauer gewesen sein, der zu Lebzeiten einen Grenzstein versetzt hatte und nun als Strafe diesen Grenzstein so lange zu tragen hatte bis ein mutiger Mensch ihm eine Antwort auf seine Frage geben würde.[16]
  • Bei dem "öden Kirchl" zwischen Nondorf und Unter-Thürnau bei Drosendorf hauste einst ein rotbärtiger Riese in einer Höhle. Er bewachte eine verwunschene schöne Jungfrau. Es hieß, wenn es einem Burschen gelingt, die Maid zu erlösen, dann reitet sie ihm auf einer großen Schnecke entgegen, die ein goldenes Haus trägt und wird seine Frau. Eines Tages versuchte ein Frattinger Schmiedgeselle mit einer großen Axt sein Glück um die Jungfrau zu befreien. Doch weil der junge Mann bereits eine Liebschaft hatte war er nicht mehr unschuldig und so erschlug ihn der Riese.[17]

Literatur

  • Felix Bornemann: Kunst und Kunsthandwerk in Südmähren, Fratting, s. 9, C. Maurer Verlag, Geislingen/Steige 1990, ISBN 3-927498-13-0
  • Bruno Kaukal: Die Wappen und Siegel der südmährischen Gemeinden , Fratting, s. 61, Josef Knee,Wien 1992, ISBN 3-927498-19-X
  • Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. Die Geschichte der deutschen Südmährer von 1945 bis zur Gegenwart. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, S. 328f (Fratting). 
  • Walfried Blaschka, Gerald Frodl:Die Kreise Neubistritz und Zlabings von A bis Z,Fratting, (2008), s.172f
  • Geschichte der Pfarre Fratting (1801)
  • Wenzel Max: Thayaland, Volkslieder und Tänze aus Südmähren, 1984, Geislingen/Steige
  • B. Paøízek: 450 Jahre Marktgemeinde Fratting, 1498-1948 (Übersetzung) (1990)
  • B. Paøízek: 450 Jahre Marktgemeinde Fratting (erweiterte Übersetzung) (1990)
  • Luise Thiel: Geschichten aus Fratting in Südmähren

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2011 (XLS, 1,3 MB)
  2. Leopold Kleindienst: Die Siedlungsformen, bäuerliche Bau- und Sachkultur Südmährens ISBN 3-927498-09-2
  3. Leopold Kleindienst:Die Siedlungsformen, bäuerliche Bau- und Sachkultur Südmährens, 1989, S. 9
  4. Gregor Wolny:Die Markgrafschaft Mähren, 1836, s.544
  5. Walfried Blaschka, Gerald Frodl:Die Kreise Neubistritz und Zlabings von A bis Z,2008, s.175
  6. Felix Ermacora: Der unbewältigte Friede: St. Germain und die Folgen; 1919 -1989 , Amalthea Verlag, Wien, München, 1989, ISBN 3-85002-279-X
  7. Wolfgang Brügel: Tschechen und Deutsche 1918 – 1938, München 1967
  8. O. Kimminich: Die Beurteilung des Münchner Abkommens im Prager Vertrag und in der dazu veröffentlichten völkerrechtswissenschaftlichen Literatur, München 1988
  9. Cornelia Znoy:Die Vertreibung der Sudetendeutschen nach Österreich 1945/46, Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie, Geisteswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, 1995
  10. Alfred Schickel, Gerald Frodl: Geschichte Südmährens. Band 3. Die Geschichte der deutschen Südmährer von 1945 bis zur Gegenwart. Südmährischer Landschaftsrat, Geislingen an der Steige 2001, ISBN 3-927498-27-0, S. 328 (Fratting). 
  11. Acta Publica Registrierungspflichtige Online-Recherche in den historischen Matriken des Mährischen Landesarchivs Brünn (cz,dt). Abgerufen am 31 März 2011.
  12. Codex Diplomaticus et epistolaris Moraviae, S.111/174
  13. Historický místopis Moravy a Slezska v letech 1848–1960, sv.9. 1984
  14. Felix Bornemann:Kunst und Kunsthandwerk in Südmähren, 1990, s.9
  15. Walfried Blaschka, Gerald Frodl: Der Kreis Znaim von A bis Z,2009
  16. Südmährisches Jahrbuch, 1978, S. 164
  17. Franz Kießling: Frau Sage im nö. Waldviertel, Heft 6, S. 52

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