Walisische Geschichte

Walisische Geschichte

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Paläolithikum

Die frühesten archäologischen Funde aus Wales stammen aus der Altsteinzeit. Der berühmteste ist wohl die red Lady aus den Höhlen von Paviland. Von dem Entdecker, William Buckland 1823 für eine Frau gehalten, identifiziert man das Skelett heute als einen jungen Mann, der mit der C14-Methode auf 26.350+−550 (OxA 1815) datiert wird. Der Fund wird von den Knochen kälteliebender Tiere wie Höhlenbär (Ursus arctos), Rentier (Rangifer tarandus) und wolliges Rhinocerus (Coleodonta antiquitatis) begleitet und stammt aus der letzten Eiszeit, der archäologischen Epoche des Aurignacien II. Während des letzten Pleniglazials (Höhepunkt einer Eiszeit) war Wales vermutlich unbesiedelt, man nimmt eine Wiederbesiedlung vom Kontinent aus um 12.000–13.000 BP an. Hoyle's Mouth Cave in Pembrokeshire, mit zahlreichen Rückenmesserfunden (Flintartefakte) ist ein Beispiel für die epipaläolitische Besiedlung.

Mesolithikum

Funde aus dem Mesolithikum sind zahlreicher, besonders an der Küste (z. B. Prestatyn, Nordwales). Ein neues Forschungsprojekt stellt die Ausgrabung auf Caldey Island, in Pembrokeshire, South Wales dar, wo versucht wird, die Verschiebungen in der Ernährung durch Isotopenanalyse festzustellen. Die letzten mesolithischen Funde menschlicher Überreste stammen von ca. 5000 v. Chr., die frühesten neolithischen Funde konnten auf ca. 3150 v. Chr. datiert werden, obwohl eine Besiedlung der Region sicherlich früher erfolgt ist.

Neolithikum

Das Neolithikum beginnt in Wales im 4. Jahrtausend v. Chr. Während Causewayed camps und Henge-Monument im Vergleich zu England kaum vorkommen, besteht eine eindrucksvolle Hinterlassenschaft aus der Jungsteinzeit in etwa 40 Alignements, diversen Menhiren und über 150 erhaltenen Megalithanlagen, insbesondere in Caernarvonshire und auf Anglesey (je etwa 23); in Pembrokeshire (etwa 40). Etwa 50 Anlagen liegen in Langhügeln, der Rest hat runde (vermutlich ältere, da sie auch überbaut wurden) oder andere Formen. Einige der Stätten haben bekannte Namen und wurden den vergangenen 200 Jahren mehrfach erforscht und beschrieben. Darunter sind Bryn celli Ddu, Capel Garmon, Ffostill North, Gwernvale, Nicholaston, Parc Cwm, Pen y Wyrlod II, Pentre Ifan, Tinkinswood, Ty Illtyd und Ty Isaf. Aber erst die jüngst untersuchten Stätten (Dyffryn Ardudwy, Gwernvale) haben akzeptable Rückschlüsse auf die Geschichte der Anlagen erbracht. Die organischen Überreste des Frühneolithikums sind spärlich, aber in Gwernvale in Powys (am Ortsrand von Crickhowell) hat man vor dem Steingrab die Reste eines Holzbaues entdeckt.

Bronzezeit

Die Bronzezeit in Wales dauert ca. von 2500 bis 750 v. Chr., wobei die Glockenbecherkultur (2500–1400 v. Chr.) bereits zur Bronzezeit gerechnet ist, während man sie in der kontinentalen Chronologie noch dem Endneolithikum zurechnet. In dieser Periode entstehen über 30 Steinkreise, die etwa 5% der Gesamtzahl in Großbritannien ausmachen. Hinzu kommen dreieckige und quadratische Steingehege. Die walisischen Kreise, einschließlich der von Penmaenmawr in Caernarvonshire (Griffiths 1960; Lynch 1995) sind fast alle bronzezeitlich.

Eisenzeit

Kelten und Römer

Ob die Kelten tatsächlich zu Beginn der Eisenzeit (750 v. Chr. bis 48 n. Chr.) in mehreren Wellen aus Kontinentaleuropa einwanderten, wie es bis Ende der 1960er anerkannte Lehrmeinung war, wird heute stark bezweifelt. Dazu konnte man bis heute nichts Genaueres herausfinden.

Münzfunde belegen in Wales während der Eisenzeit mehrere Kleinkönigreiche. Die Deceangli saßen im Nordosten, die Ordovizier im Nordwesten, die Demeter im Südwesten und Silurer im Südosten und die Cornovii im Grenzgebiet zu England. Während der Eisenzeit war Wales fast völlig akeramisch, es gibt aber reiche Funde von Metallgegenständen.

Bis zur und während der römischen Besatzungszeit Britanniens war Wales kein eigenständiges Land, denn alle Einwohner der britischen Inseln sprachen die keltische Sprache und hatten im wesentlichen dieselbe ethnische Abstammung. Die Römer besetzten ganz Wales, wo sie Straßen und Kastelle bauten, Gold abbauten und Handel trieben. Ihr Interesse in Wales jedoch war wegen der schwierigen geographischen Lage und des knappen Ackerlands begrenzt. Die Römer errichteten nur eine Stadt in Wales: Caerwent (Venta Silurum). Die Silurer waren der einflussreichste Stamm im Südosten von Wales. Ihr militärischer Führer Caratacus (Caradoc) schloss sich ihnen von einem besiegten Stamm an. Unter seiner Führung konnten die Silurer den Römern für eine Zeit trotzen, Caratacus wurde jedoch gefangen genommen und nach Rom verschleppt, wo seine würdevolle Haltung so großen Eindruck beim Volk hinterließ, dass sein Leben verschont wurde.

Völkerwanderungszeit und frühes Mittelalter

Infolge der Völkerwanderung germanischer gentes (gens, gentis = Geschlecht, Gattung, Volk) nach Westen wurde die Aufrechterhaltung einer römischen Besatzung in Britannien immer schwieriger. Neben einer allgemeinen Schwächung der römischen Macht in Europa bedingte vielleicht auch die Ankunft der Angeln und Sachsen in Britannien den Rückzug der letzten römischen Legionen im Jahre 410. Während einige Forscher annehmen, die Angelsachsen seien schon um 380 nach Britannien gelangt – zunächst auf Einladung der Römer –, geht die Mehrheit der Historiker davon aus, dass dies erst um 440 geschah.

Wie dem auch sei: Römisch beeinflusste Kleinreiche rangen mit den Angeln und Sachsen um die Vorherrschaft im östlichen Britannien, während Wales sich selbst überlassen blieb. Infolgedessen wurde Wales von seinen keltischen Nachbarn in Schottland und Cornwall abgeschnitten, auch wenn Spuren römischer Zivilisation noch längere Zeit erhalten blieben – so setzte man noch im 6. Jahrhundert lateinische Inschriften, in denen korrekt nach Consuln datiert wurde. Insgesamt aber dominierte im heutigen Wales früh das keltische Element.

Wales blieb überwiegend christlich, und das „Zeitalter der Heiligen“ (etwa 500–700) wurde durch die Errichtung von Klöstern durch Führer wie Illtud und Teilo quer durch das Land begleitet. Wales wurde in eine Vielzahl kleiner Gebiete aufgeteilt und es gab kaum einzelne Herrscher, die das ganze Land in dieser Zeit regieren konnten; der erste war offenbar Rhodri Mawr während des 9. Jahrhunderts. Rhodris Enkel Hywel Dda konnte erfolgreich ein Rechtssystem errichten, welches dem Land Frieden gab, jedoch wurde das Land nach seinem Tod erneut geteilt.

Ein großes Problem, nationale Einheit zu erreichen, war das auf keltischen Bräuchen basierende Erbrecht, welches in Wales angewandt wurde. Alle Söhne erhielten den gleichen Teil der Besitztümer ihres Vaters (auch alle illegitimen Söhne). So liberal das System auch war, die Folgen waren oft mörderische Gewalt und die erneute Teilung der kleinen Ländereien in immer kleinere.

Englische Eroberung

Während der normannischen Eroberung Englands 1066 wurde Wales wieder aufgeteilt. Die Prinzen von Gwynedd im Norden wurden stetig mächtiger. Owain Gwynedd († 1170) besaß ein mächtiges Fürstentum im Norden. Seine Söhne stritten um ihr Erbteil und brachten sich gegenseitig um. Aus den Machtkämpfen erwuchs der größte Führer der Waliser, Llywelyn ap Iowerth, auch als Llywelyn Fawr oder Llywelyn der Große bekannt. Nach seinem Tod jedoch brach erneut Unfrieden aus, der darin gipfelte, dass die Macht seines Enkels Llywelyn ap Gruffydd, auch Llywelyn der Letzte, anwuchs. Als Ergebnis seiner Verwegenheit erregte er die Feindschaft von König Eduard I. von England, der sich die endgültige Eroberung von Wales zum Ziel setzte. Nach Llywelyns Tod im Kampf (1282) gab es nur kleine Anzeichen von Widerstand durch die überlebenden Prinzen. Ein von Eduard errichteter, beeindruckender Ring aus Festungen half bei der Beherrschung von Wales, und Eduard krönte seinen Erfolg mit der Ernennung seines Sohnes und Erben zum Fürsten von Wales im Jahr 1301.

Wales wurde so in gewisser Weise ein Teil von England, auch wenn die Bevölkerung ethnisch unterschiedlich war und eine ganz andere Sprache besaß. Während der Westen und der Norden von Wales in Verwaltungsgrafschaften eingeteilt wurde, entstanden im Süden und im Osten entlang der Grenze zu England eine Vielzahl von Markgrafschaften unter englischen wie auch unter walisischen Markgrafen. Die englischen Könige bewahrten ihre Verantwortlichkeit dadurch, dass sie einen Walisischen Rat beriefen, dem manchmal der königliche Erbe vorstand. Der Rat tagte normalerweise in Ludlow in der Grafschaft Shropshire, knapp hinter der englischen Grenze. 1400 rebellierte der walisische Adlige Owen Glendower (Owain Glyndwr) gegen König Heinrich IV. von England, fügte ihm einige militärische Niederlagen bei und konnte der Gefangennahme entgehen, hatte jedoch nicht die Stärke, als Führer zu überleben.

Später errang ein Waliser, Heinrich Tudor, den Thron als König Heinrich VII. von England. Unter seinem Sohn Heinrich VIII. wurde der Act of Union von 1536 verabschiedet, durch den Wales auch rechtlich ein Teil des englischen Staates wurde.

Industrialisierung und Neuzeit

In späteren Jahrhunderten wurden Teile von Wales stark industrialisiert. Wales hatte umfangreiche Rohstoffvorkommen, der Schiefersteinbruch von Penrhyn war Ende des 19. Jahrhunderts das bis dahin größte von Menschenhand erzeugte Loch im Erdboden. Die Zeit zwischen 1830 und 1850 war von Unruhen und Aufständen geprägt. 1831 wurde ein Aufstand in Merthyr Tydfil blutig niedergeschlagen. 1839 rebellierten Chartisten in der Region um Casnewydd, Newport. Im selben Jahr sowie 1842 bis 1843 wurden von Vertretern der Landbevölkerung in Südwest-Wales mit Zentrum in Carmarthenshire die sogenannten Rebecca Riots durchgeführt, welche die Abschaffung der Maut auf den neuen Turnpike Roads zur Folge hatten[1]. Für zusätzliche Spannungen sorgte 1847 die Publikation eines im wesentlichen von anglikanischen Geistlichen erarbeiteten Parlamentsreports (Blue book), welcher die Bevölkerung von Wales als „faul und moralisch schwach“ bezeichnete und die Schuld dafür der Zugehörigkeit zu nonkonformistischen Kirchen und der Nichtbeherrschung der englischen Sprache gab.[2] Wales wurde in den folgenden Jahrzehnten eine Hochburg der Gewerkschaften, des Syndikalismus und Sozialismus. Von 1901 bis 1903 wurde der Steinbruch von Penrhyn bestreikt, wobei gelegentliche Auseinandersetzungen nicht ausblieben. Wiederholt wurde in dieser Zeit auch Militär eingesetzt, um Streiks niederzuschlagen. Bei einem Eisenbahnstreik 1911 wurden zwei Arbeiter vom Militär erschossen. Das erste Mitglied der Labourpartei im Parlament, Keir Hardie wurde für den walisischen Wahlkreis von Merthyr im Jahr 1900 gewählt. Religiöser Nonkonformismus prägte die walisische Gesellschaft in dieser Zeit.

Nationalismus wurde ein größere Erscheinung im 20. Jahrhundert mit der politischen Partei Plaid Cymru, die 1966 ihren ersten Parlamentssitz erringen konnte. Größtenteils als Ergebnis dessen wurde Dezentralisierung zu einem Hauptanliegen der Labour Party, und 1998 wurde schließlich die Nationalversammlung von Wales gebildet, die die Vollmacht über die öffentlichen Ausgaben innerhalb von Wales erhielt.

Weblinks

Literatur

  • Frances Lynch, Stephen Aldhouse-Green, Jeffrey L. Davies: Prehistoric Wales. London, Sutton 2000, ISBN 0-7509-2165-X.
  • Rodney Castleden, Neolithic Britain: New Stone Age Sites of England, Scotland, and Wales. London, Routledge 1992, ISBN 0-415-05845-7.
  • Vicky Cummings, Alasdair Whittle: Places of Virtue. Megaliths in the Neolithic Landscapes of Wales. Oxbow books 2004.
  • John Davies: A History of Wales. Penguin, London 1994, ISBN 0-14-014581-8.

Quellen

  1. John Davies: A History of Wales Penguin, London 1994, S. 366–367 und S. 377–382.
  2. John Davies: A History of Wales. Penguin, London 1994, S. 391–393.


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