Wanderfeldbau

Wanderfeldbau

Unter Wanderfeldbau oder Wanderwirtschaft (engl. Shifting Cultivation) versteht man verschiedene Formen der Landnutzung, bei welchen Felder für einen bestimmten Zeitraum intensiv genutzt und anschließend aufgegeben werden. Eng mit dem Wanderfeldbau verknüpft steht die Brandrodung, so dass häufig auch von „Brandrodungswirtschaft“ gesprochen wird. Bei der Brandrodung bleiben die in den Pflanzen enthaltenen Nährstoffe in der Asche auf der zukünftigen Anbaufläche zurück und sorgen kurzfristig für Fruchtbarkeit.

Der Wanderfeldbau ist eine der ältesten landwirtschaftlichen Nutzungsformen der Erde, und nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) leben und wirtschaften heute noch etwa 258 Millionen Menschen in diesem Agrarsystem.

Der Begriff Wanderfeldbau wird in der deutschen Literatur heute häufig durch den englischen Begriff „Shifting Cultivation“ ersetzt. Wanderfeldbau wird vor allem von Naturvölkern in tropischen und subtropischen Waldgebieten betrieben, wo sie Ländereien für 3-5 Jahre bewirtschaften und die Felder anschließend auf erneute Brandrodungsflächen verlegen, so dass die vorherige Rodungsfläche in den folgenden Jahren durch Sekundärwald ersetzt werden muss (Monokulturen oder Graslandschaften). Die Übergänge vom Wanderfeldbau zu räumlich enger begrenzten und stationäreren Wirtschaftsformen mit dem Wechsel zwischen Anbau und Brache sind fließend. Werden nur die Wirtschaftsflächen und nicht die Hofstellen im wechselnden Turnus verlegt, spricht man von Landwechselwirtschaft.

Inhaltsverzeichnis

Übergänge zu anderen Wirtschaftsformen

Auch die heute höher entwickelten Gesellschaften haben lange Zeit, zumindest zum Teil Wirtschaftsformen betrieben, die eine lang andauernde Brache beinhalteten. In dieser Weise findet sich Wanderfeldbau beziehungsweise heutzutage Landwechselwirtschaft zum Beispiel in Mittelamerika (Milpa-Wirtschaft), zum Teil durch Bewässerungsmaßnahmen ergänzt, oder auch bei den westafrikanischen Bauernvölkern. Auch im frühen europäischen Mittelalter wurde zum Teil Wanderfeldbau betrieben. Ein bemerkenswerter Übergang von der Brandrodungswirtschaft zur andauernden Intensivnutzung findet sich historisch bei den Tupí im Amazonasgebiet: In den letzten Jahren verdichten sich die Hinweise darauf, dass die so genannte „Terra preta“ künstlich hergestellt wurde, indem die durch Brandrodung entstandene kurzfristige Bodenverbesserung (Melioration) durch die Beigabe von bewusst hergestellter Holzkohle (die sich länger im Boden hält) deutlich verlängert wurde.

Nährstoffkreislauf und Regenerationsphase

Die Länge der erforderlichen Brachphase hat direkte Auswirkungen auf die Bevölkerungsdichte: Je länger sie andauert, umso weniger Menschen können in einem bestimmten Gebiet vom Wanderfeldbau leben. Die Länge der Brachphase ist von der Art der Nutzung und der Nutzpflanzen, klimatischen Bedingungen und der Bodenqualität abhängig. Bei tropischen Böden, welche meist tiefgründig verwittert und nährstoffarm sind, kann die Regenerationsphase bis zu 25 Jahren dauern. Durch die tropischen Rahmenbedingungen wie Feuchtigkeit und Temperatur und durch das hohe Alter der Böden ist deren Fähigkeit zur Speicherung von Nährstoffen stark eingeschränkt (geringe Kationen-Austausch-Kapazität, KAK). Die Nährstoffe sind deshalb in den immerfeuchten Tropen in einem ständigen Kreislauf (tropischer Nährstoffkreislauf). Fast die gesamten Nährstoffe des tropischen Regenwaldes sind dadurch in den Pflanzen und Tieren enthalten.

Ökologische und sozioökonomische Bedeutung

In seiner ursprünglichen Form war der Wanderfeldbau ökologisch nicht bedenklich, wenn die aufgegebenen Flächen einige Jahrzehnte in Ruhe gelassen wurden. Aufgrund der mangelnden Fläche und des Anstiegs der Bevölkerungszahl und der damit verbundene Nahrungsmittelknappheit, werden die Brachezeiten jedoch zunehmend verkürzt. In der Regel wanderten, in einem Turnus von 10 bis 15 Jahren, auch die Siedlungen in vorher unberührte Waldgebiete, wo ein neues Dorf mit neuen Feldern eingerichtet wurde. Heute bleiben die Siedlungen jedoch meist an Ort und Stelle, da durch Bevölkerungswachstum und zusätzliche Nutzungsformen (Plantagen, etc.) kein Raum mehr für die Verlegung der Siedlung ist. Zum Teil wurden die Brachephasen dadurch auf bis unter 5 Jahre reduziert, woraus sich schwerwiegende ökologische Probleme ergeben. Der Wanderfeldbau ist bei weitem nicht so effektiv wie zum Beispiel die Fruchtwechselwirtschaft, welche in den feuchten Tropen jedoch nur mit großem technischen Aufwand realisierbar und in der Regel nur für die Selbstversorgung geeignet ist. Viele junge Menschen verlassen die traditionellen Dörfer in Richtung Stadt, um den schweren Lebensbedingungen zu entkommen und um Geld zu erwirtschaften. Nur so können sie die „neuen“ Bedürfnisse (z.B. Kleidung, Radio, Fernseher, Autos, etc.) befriedigen.

Durchführung

Bei der kleinflächigen Brandrodung werden auf dem zukünftigen Feld kurz vor der Trockenzeit zunächst kleinere Bäume und Sträucher mit einer Machete oder einem Beil gerodet, größere Bäume werden auf einer Höhe von 3 Metern eingekerbt und sterben so nach kurzer Zeit ab. Am Ende der Trockenzeit wird dann die gefällte Vegetation abgebrannt. Nach dieser Brandrodung ist das Feld übersät mit gefällten und nicht gefällten Baumstrünken, Asche und verkohlten Stämmen. Erst durch die Asche, die wertvolle Nährstoffe enthält und als Dünger dient, wird eine Bewirtschaftung möglich. Die Aussaat von Mais, Gemüse und Maniok erfolgt dann vor der Regenzeit; manchmal werden auch Bananen angepflanzt. Nach zwei bis drei Jahren müssen neue Flächen gerodet, abgebrannt und bestellt werden, da das Nährstoffangebot der niedrigen Humusschicht schnell aufgebraucht ist. Je nachdem wie viel Anbaufläche benötigt wird, reichen die Flächen in der Nähe eines Dorfes nicht mehr aus, um die Bewohner zu ernähren. Dann wandert das gesamte Dorf in andere Gebiete, wo neue Felder angelegt werden können. Bei der Brandrodung besteht immer die Gefahr eines unkontrollierbaren Waldbrandes. Dabei werden oft große Teile der natürlichen Wälder sinnlos vernichtet.

Vor einigen Jahrzehnten war Madagaskar noch zu einem großen Teil mit Wald, und im Norden mit Regenwald bedeckt. Jetzt gibt es im Norden Madagaskars nur noch kleine Reste des Regenwaldes. Die Bäume sind gefällt und verbrannt worden. Das Klima auf Madagaskar ist dadurch viel trockener und heißer geworden. Es regnet nicht mehr so häufig und der Boden ist der Witterung schutzlos ausgeliefert. Weil 90 % der Wälder gerodet wurden, kommt es jetzt zu Erosion. Dort, wo sich kein Ackerbau mehr lohnt, weil die Menschen dem Boden zu viel abverlangt haben, bleibt das Land sich selbst überlassen. Wald, oder gar Regenwald, kann nicht mehr nachwachsen, weil es viel zu trocken ist. So wachsen jetzt Dornenbüsche und Kakteen in Gebieten, die einst mit Wald bedeckt waren. Diese Pflanzen benötigen nicht viel Wasser, beschatten den Boden allerdings nicht. Dieser trocknet ungeschützt völlig aus und wird von den seltenen, aber heftigen Regenfällen fortgespült.

So ist es in Madagaskar nicht etwa so, dass kein Wald mehr wächst, weil es zu heiß und zu trocken ist. Es ist deshalb heiß und trocken, weil der Boden nicht mehr mit Wald bedeckt ist.

Siehe auch


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