Wasserwerk Haltern

Wasserwerk Haltern

Das Wasserwerk Haltern befindet sich in Haltern am See im nördlichen Ruhrgebiet. Das 1908 in Betrieb gegangene Wasserwerk versorgt rund 1 Million Menschen, sowie Industrie und Gewerbe im nördlichen Ruhrgebiet, westlichen Münsterland und Duisburg mit Trinkwasser.

Die Kapazität beträgt etwa 125 Millionen m³ pro Jahr, das sind zirka 350.000 m³ pro Tag. Betreiber ist die Gelsenwasser AG, die dort auch ihr 1996 eröffnetes Informationszentrum zur Wassergewinnung stationiert hat.

Das Wasserwerk ist ein Teil der Route der Industriekultur, Themenroute Industriekultur an der Lippe und kann nach Voranmeldung besichtigt werden.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Wasserwerk befindet sich in Haltern am See zwischen Wesel-Datteln-Kanal, Lippe und dem Halterner Stausee auf dem Wassergewinnungsgelände (Schutzzone 1, zirka 200 Hektar mit dem Südbecken: 56 Hektar). In Luftbildaufnahmen ist es anhand seiner 26 Versickerungsanlagen (Gesamtfilterfläche: 335.000 m²) deutlich zu erkennen.[1] Zusätzlich existieren Brunnenanlagen auf dem Wasserwerksgelände (zirka 200 Vertikalbrunnen mit Tiefen von 40 m bis 70 m und einer Gesamtförderleistung bis maximal 3.200 m³/Tag) und in den Waldgebieten der Haard (21 Vertikalbrunnen, Tiefe bis 93 m, maximal 3.000 m³/Tag) und der Hohen Mark (10 Vertikalbrunnen, Tiefe bis 165 m, maximal 1.500 m³/Tag). Pumpwerke an den Stauwerken des Halterner und des Hullerner Sees sorgen dafür, dass auch bei Niedrigstand jederzeit Wasser entnommen werden kann. Die Anlagen sind durch zirka 29.500 m lange Wasserleitungen mit dem Wasserwerksgelände verbunden.

Wassergewinnung

Das Trinkwasser wird zu zirka 60 % aus natürlich durch Niederschlag gebildetem Grundwasser (Brunnen in der Haard und der Hohen Mark) und zu etwa 40 % durch Grundwasseranreicherung gewonnen. In niederschlagsarmen Zeiten können aus dem Dortmund-Ems-Kanal bis zu 200.000 m³ Wasser täglich entnommen und bei Senden in die Stever eingeleitet werden, sodass an der Talsperre Hullern mittels der Pumpwerke weiterhin Wasser zur Verfügung steht.

Die Wassergewinnung und Aufbereitung in einzelnen Schritten[2]:

  • Das Wasser durchläuft zunächst eine Vorreinigung im Südbecken des Halterner Stausees. Bei Bedarf erfolgt die Zugabe von Flockungs- und Aktivkohlemitteln. Die dadurch ausfallenden Flocken binden weitgehend die gelösten und ungelösten Inhaltsstoffe (auch Pestizide), vermindern den Phosphatgehalt und damit die Eutrophierung. Sie werden durch Sedimentation entfernt.
  • Das Rohwasser wird dann aus dem Südbecken durch Pumpwerke (20.000 m³/Stunde Gesamtförderleistung) entnommen und über 4500 m lange Betonleitungen zu den 26 unterschiedlich großen Versickerungsbecken (4.000 m² bis 21.000 m², Gesamtfläche: 335.000 m²) geleitet.
  • Die natürlich vorhandenen Sande wirken als Langsamsandfilter, das Wasser verbleibt etwa 6 Wochen im Untergrund.
  • Durch die Vertikalbrunnen auf dem Wasserwerksgelände wird das gereinigte Grundwasser entnommen.
  • Ein Teil des aus der Haard und der Hohen Mark gewonnenen Brunnenwassers wird zur biologischen Entmanganung durch, mit Quarzkies gefüllte, Druckfilterkessel geleitet.
  • In den Tiefbehältern auf dem Wasserwerksgelände (insgesamt 28.000 m³ Inhalt) werden alle gewonnenen Wasser zusammengeführt.
  • Nach der Qualitätskontrolle kann noch Natronlauge (pH-Wert-Anpassung), Monophosphat (Korrosionsschutz) oder Chlorbleichlauge (Desinfektion) zugesetzt werden.
  • Zuletzt wird das Trinkwasser mittels elektrischer Pumpen in das Versorgungsnetz eingespeist. Bei Stromausfall übernehmen Dieselaggregate die lokale Stromversorgung.

Halterner Sande

Die künstliche Grundwasseranreicherung ist ein besonderes Verfahren, das aufgrund der geologischen Situation in Haltern etabliert wurde.

Die bis zu 300 m mächtige Sandschicht mit einer zirka 100 m dicken Grundwasserführung bietet besondere hydrogeologische Voraussetzungen zur Filterung des langsam durchfließenden Wassers (Fließgeschwindigkeit etwa 0,5 bis 1,5m pro Tag). Sie hat eine Gesamtausdehnung von zirka 770 km² und reicht im Süden von Dorsten, Marl, Oer-Erkenschwick bis nach Seppenrade, im Osten berührt sie die Städte Dülmen und Coesfeld, im Norden geht es bis zu den Städten Gescher und Borken und im Westen bis zu den Gemeinden Raesfeld und Schermbeck. Die Schichten bestehen zum größten Teil aus lockeren, schluffigen Sanden, in tieferen Bereichen auch verfestigt und durchsetzt von Kiesen, Kalksandstein- und Quarzit-Bänken. Sie werden von den Recklinghäuser Sandmergeln unterlagert.

Die Halterner Sande haben eine hohe Höffigkeit, also eine hohe Fähigkeit zur Wasserspeicherung und zum Wassertransport. Die Brunnen in den Sanden erreichen eine hohe Ergiebigkeit (über 1.000 m³ Förderleistung). Das theoretisch nutzbare Grundwasservolumen beträgt 17 km³ (17 Milliarden Kubikmeter).[3]

Das aus den Halterner Sanden entnommene Grundwasser enthält nur geringe Mengen an Mineralien (Calcium-Hydrogencarbonat-Wasser) und eignet sich daher besonders für die Trinkwassergewinnung.[4]

Einflüsse auf die Wasserqualität

Die Wasserwerke Haltern liegen im Bereich des Kohlebergbaus am nördlichen Rand des Ruhrgebietes. Um Schäden durch Bergsenkungen und durch Zustrom von salzhaltigem Bergwasser zu vermeiden, wurde eine Vereinbarung zwischen dem Bergbau und dem lokalen Wasserversorger geschlossen. Darin sind unter anderem Abbaugrenzen südlich des Wasserwerkes festgelegt und regelmäßige geodätische Messprogramme zur Überwachung beschlossen worden.

Das Einzugsgebiet der Stauseen wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Die dabei eingesetzten Pflanzenschutz- und Düngemitteln führten in den 80er Jahren zu erhöhten Schadstoffwerten in den Zuflüssen und in den Stauseen selbst.[5] Besonders bekannt wurden die Atrazin-Werte, die durch den Maisanbau erhöht waren. Zur Erhaltung der Wasserqualität wurden Sofortmaßnahmen (Aktivkohledosierung in der Vorreinigung) und längerfristige Maßnahmen (Kooperation mit der Landwirtschaft) eingeleitet.[6] Die Kooperation mit der Landwirtschaft zeigte deutliche Erfolge, sodass die Aktivkohledosierung bis auf die Jahre 2001 und 2004 nicht in Betrieb genommen werden musste.[7]

Zur besseren Zusammenarbeit untereinander, mit den staatlichen Wasserbehörden und der Landwirtschaft wurde im Juni 1998 von den Stadtwerken Borken, Coesfeld, Dülmen, Gescher, der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft mbH (RWW) und der Gelsenwasser AG die AWHS – Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Halterner Sande gegründet.

Es gibt Wasserschutzgebiete in den Waldgebieten rund um die Stauseen und teilweise auch in den Wassereinzugsgebieten.[8] Da das Wasser nicht direkt aus den Stauseen entnommen wird, stehen diese für kontrollierte Freizeitaktivitäten zur Verfügung. Auf dem Halterner Stausee und teilweise auch auf der Zwischenstever darf Wassersport (Seebad Haltern, Segelsport, Ausflugsboot „Möwe“, Bootsverleih usw.) betrieben werden, auf der Hullerner Talsperre ist dies nicht erlaubt (Naturschutz steht im Vordergrund). Beide Seen und die vielfältige Landschaft rundherum sind mittels Wander- und Radwegenetz erschlossen.

Versorgungsgebiet

Direkt über die Gelsenwasser AG oder indirekt über Wiederverkaufspartner werden versorgt: Altenberge, Billerbeck (teilweise), Castrop-Rauxel (Pöppinghausen, nördlicher Teil Henrichenburgs), Datteln (Stadtgebiet außer Bereich Losheide und Am Schwarzbach), Dülmen (teilweise), Duisburg (teilweise), Gelsenkirchen (Stadtgebiet außer Feldmark, Neustadt, Rotthausen, Ückendorf, Bulmke-Hüllen), Haltern am See, Havixbeck, Herne, Herten, Lüdinghausen, Marl, Münster (teilweise), Nordkirchen (teilweise), Nordwalde (teilweise), Nottuln (teilweise), Oer-Erkenschwick, Olfen, Recklinghausen, Selm (teilweise) und Senden (Kernstadt, Bösensell).[9]

Sonstiges

Die höchste Tagesmenge wurde am 2. Juli 1986 mit 413.868 m³ abgegeben.

Im Wasserwerk Haltern sind rund 100 Mitarbeiter und bis zu 25 Auszubildende beschäftigt.

Am 17. August 2008 wurde das 100jährige Bestehen des Wasserwerkes mit einem Tag der offenen Tür begangen.

Einzelnachweise

  1. Google Map Satellitenbild
  2. Entnommen aus den Informationstafeln im Informationszentrum Halterner Wasserwerk
  3. AWHS „Halterner Sande“ Kurzversion
  4. http://www.awhs.de/Was_sind_die_Halterner_Sande/was_sind_die_halterner_sande.html
  5. Gewässergütebericht 1997 der LUA NRW
  6. Veröffentlichung des Umweltbundesamtes Ökonomisch und ökologisch nachhaltige Wasserversorgung am Beispiel der Halterner Seen
  7. Veröffentlichung der Landwirtschaftskammer "Kooperation Landwirtschaft und Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet der Stevertalsperre", 2007
  8. Karten der Wasserschutzgebiete
  9. Infos der Gelsenwasser AG über das Wasserwerk Haltern

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Haltern — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Haltern am See — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Wasserwerk Dorsten-Holsterhausen — Das Wasserwerk Dorsten Holsterhausen befindet sich in Nordrhein Westfalen im nördlichen Ruhrgebiet in Dorsten Holsterhausen etwa 300 m nordwestlich der Lippe. Das 1927 in Betrieb gegangene Wasserwerk gewinnt aus zwei Brunnengalerien… …   Deutsch Wikipedia

  • Stevertalsperre Haltern — Halterner Stausee Lage: Kreis R …   Deutsch Wikipedia

  • Talsperre Haltern — Halterner Stausee Lage: Kreis R …   Deutsch Wikipedia

  • Route der Industriekultur - Industriekultur an der Lippe — Industriekultur an der Lippe ist der Name der siebten Themenstrecke der Route der Industriekultur. Der Bergbau kam erst im 20. Jahrhundert in die ländlich geprägte Region rund um die Lippe. Auch Binnen Schifffahrt und Chemieindustrie prägen hier… …   Deutsch Wikipedia

  • Route der Industriekultur – Industriekultur an der Lippe — Industriekultur an der Lippe ist der Name der siebten Themenstrecke der Route der Industriekultur. Der Bergbau kam erst im 20. Jahrhundert in die ländlich geprägte Region rund um die Lippe. Auch Binnen Schifffahrt und Chemieindustrie prägen hier… …   Deutsch Wikipedia

  • Deuten — Die Neutralität dieses Artikels oder Abschnitts ist umstritten. Eine Begründung steht auf der Diskussionsseite. Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Fort I — Ruinen der Eisenbahnbrücke Wesel bei Rheinstrom km 815 Die von Fort I gesicherte eh …   Deutsch Wikipedia

  • Fort Nummer 1 — Ruinen der Eisenbahnbrücke Wesel bei Rheinstrom km 815 Die von Fort I gesicherte eh …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”