Wedige von der Schulenburg

Wedige von der Schulenburg

Joachim Albrecht Ludolf Wedige von der Schulenburg[1] (* 14. August 1896[2]; † 1977 in Wilhelmshöhe bei Eutin) war ein deutscher Offizier.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Wedige von der Schulenburg (ganz links im Hintergrund, in Uniform) beobachtet Paul von Hindenburg Anfang 1934 beim Verlassen von Gut Neudeck. Außerdem im Bild (von links nach rechts): F. G. von Tschirschky (Adjutant Papens), F. von Papen, O. Meissner, Staatssekretär Riedel, Staatssekretär Körner. Ganz im Hintergrund: Hindenburgs Schwiegertochter Margarete. Im Vordergrund neben Hindenburg sein Sohn Oskar.

Wedige von der Schulenburg wurde 1896 als Sohn des preußischen Landrates und Herrenhausmitglieds Werner von der Schulenburg (1841–1913) geboren.[3] Ferner war er entfernt mit der Familie von Hindenburg verwandt.[4]

Anlässlich des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs im August 1914 trat Schulenburg in das Dragonerregiment 18 in Parchim ein. Während der Schlacht um Wilna im September 1915 geriet er zusammen mit dem Rest seiner Schwadron in russische Gefangenschaft, in der er bis zum Kriegsende verblieb. Nach seiner Entlassung im Jahr 1919 kehrte Schulenburg zu seinem alten Regiment zurück. Im selben Jahr schloss er sich einem freiwilligen Dragonerregiment an. 1920 wurde er in die Reichswehr übernommen.

Adjutant des Reichspräsidenten

Am 23. November 1925 wurde Schulenburg zum 2. militärischen Adjutanten des einige Monate zuvor zum Reichspräsidenten gewählten ehemaligen kaiserlichen Feldmarschalls Paul von Hindenburg berufen. In dieser Eigenschaft oblag es ihm, zusammen mit dem 1. militärischen Adjutanten, Oskar von Hindenburg, die Verbindung des Reichspräsidenten zur Reichswehrführung aufrechtzuerhalten. Diese Stellung sollte Schulenburg knapp achteinhalb Jahre lang, bis zum Tod Hindenburgs im August 1934 ausüben. Da Hindenburgs Sohn mit der Zeit in der Praxis zu einer Art persönlichen Assistenten des Präsidenten wurde, wurde Schulenburg schließlich das faktische Bindeglied zwischen dem Staatsoberhaupt und dem Reichswehrministerium in der Bendlerstraße.

Schulenburgs praktische Aufgabe in der Zusammenarbeit mit Hindenburg bestand darin, diesen über die wichtigen Entwicklungen und Ereignisse in der Armee zu unterrichten sowie Anfragen und Anweisungen des Präsidenten an das Reichswehrministerium und an hohe Truppenkommandeute zu übermitteln bzw. Anfragen und Ersuchen von diesen dem Präsidenten mitzuteilen. Durch seine unmittelbare Nähe zum Staatsoberhaupt in den Jahren 1925 bis 1934 wurde Schulenburg Augenzeuge zahlreicher bedeutender politischer Ereignisse während der Hindenburg-Präsidentschaft, insbesondere auch der dramatischen Ereignisse der Krisenjahre 1931 bis 1934. Schulenburgs, bislang ungedruckt gebliebene, jedoch verschiedentlich in historischen Werken zitierte Lebenserinnerungen erlauben einen seltenen intimen Einblick in das Denken und das persönliche Umfeld Hindenburgs in den Jahren der Präsidialkabinette und der Frühzeit der NS-Diktatur. So überlieferte Schulenburg in einer Tagebuchnotiz vom 14. August 1932 Hindenburgs Auffassung, dass eine Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler für ihn nicht in Frage käme, da er „doch nicht das Reich Kaiser Wilhelms und Bismarcks einem böhmischen Gefreiten anvertrauen“ könne.[5] 1930 wurde Schulenburg zum Rittmeister befördert.

Brüning bezeichnet ihn als den geheimen Informanten, der die Leitung der NSDAP über die Besprechungen beim Reichspräsidenten detailliert unterrichtete.[6] Von nicht abzusehender politischer Folgenschwere war Schulenburgs Praxis, den greisen Reichspräsidenten Hindenburg nach seinem Rückzug auf sein ostpreußisches Gut Neudeck Anfang Juni 1934 für seine restlichen Lebenswochen vollkommen von der Außenwelt abzuschotten und nicht einmal enge Freunde und konservative Politiker zu ihm vorzulassen.[7] Ein Ergebnis dieser Maßnahme war, dass die Versuche von Politikern wie Franz von Papen, beim Präsidenten vorzusprechen, um diesen über die brenzlige Lage die sich im Reich in der Sommerkrise von 1934 ergeben hatte, zu unterrichten und ihn dazu zu veranlassen, die ihm als Staatsoberhaupt zukommende Kommandogewalt über die Reichswehr zu nutzen, um die Errichtung der NS-Diktatur „in letzter Minute“ (bevor mit dem absehbaren Tod Hindenburgs das letzte Hindernis zwischen Hitler und der totalen Macht verschwunden war) zu verhindern, daran scheiterten, dass ihnen der Zugang zu Hindenburg verweigert wurde. Am 2. Juli 1934, auf dem Höhepunkt der als „Röhm-Putsch“ bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle, verweigerte Schulenburg Wilhelm Freiherr von Ketteler, dem Adjutanten von Franz von Papen, den Zugang zum Reichspräsidenten: Ketteler, der Hindenburg, der über die Vorgänge dieser Tage falsch informiert worden war und fälschlich an die Niederschlagung eines SA-Aufstandes glaubte, über die wahren Hintergründe des Mordgeschehens aufklären und das Staatsoberhaupt dazu bringen wollte, dem Morden mit Hilfe der Reichswehr ein Ende zu machen, konnte dementsprechend ebenfalls nicht zu Hindenburg vordringen. Immerhin gelang es Ketteler, Schulenburg dazu zu bewegen, ihn, Ketteler, auf dem Gut von Hindenburgs Nachbar, Elard von Oldenburg-Januschau aufzusuchen, wo er ihn über die Verhaftung von Papen informierte. Nachdem Schulenburg Hindenburg diese Meldung hinterbracht hatte, ließ er den Reichswehrminister Werner von Blomberg telefonisch befehlen, für die sofortige Freilassung des unter Hausarrest stehenden Papens zu sorgen und ihm ausrichten, dass er, Blomberg ihm dafür mit seinem Kopf hafte. Die Aufhebung des Hausarrestes erfolgte noch am Abend desselben Tages.[8]

Bereits im April 1934 hatte Schulenburg einen von Papen entworfen Entwurf für das Testament Hindenburgs – nach einigen Änderungen durch von Hindenburg – in Reinschrift übertragen

In der Truppe

1934 heiratete Schulenburg Christa von Bandemer, eine Tochter des königlich preußischen Majors von Bandemer.

Am 1. Januar 1938 übernahm Schulenburg im Rang eines Majors das Kommando über das Krad-Schützen-Bataillon 1, das er bis zum März 1940 führte. Ab 1939 nahm er – nun im Rang eines Oberstleutnants – am Zweiten Weltkrieg teil. Am 5. März 1940 kam Schulenburg als Oberst zum motorisierten Korps IIa. Aus dem Generaloberst Hoepner unterstellten Korps entstand danach die Panzergruppe 20, in die er übernommen wurde. Am 17. Februar 1941 wurde er zur Panzerarmee IIa versetzt, die im Verband der Heeresgruppe Nord 1941 am Angriff auf Moskau teilnahm. Auch an den Kämpfen des Jahres 1942 nahm Schulenburg mit der Panzertruppe teil, die im Januar zur 4. Panzerarmee erhoben wurde. Ab dem 15. März 1943 wurde Schulenburg im Heerespersonalamt verwandt. Anschließend war er von November 1943 bis zum Kriegsende im Stab des Wehrkreiskommandos XXI, Posen, tätig.

Nachkriegszeit

Bei Kriegsende geriet Schulenburg in britische Kriegsgefangenschaft. In der Nachkriegszeit leitete er eine Siedlung, die 1957 von der Gutehoffnungshütte übernommen wurde. In den folgenden Jahren führte er eine Kurpension.

Nach zweijährigem Wohnsitz in Thal bei Pyrmont in den Jahren 1968 bis 1970 siedelte Schulenburg 1970 nach Eutin über, als seine Nichte Margarethe von der Schulenburg dort die Leitung des Ruhesitzes Wilhelmshöhe bei Eutin übernahm.

Schulenburgs Nachlass wird heute im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg aufbewahrt. Er enthält im Wesentlichen Unterlagen über die Jahre 1922 bis 1949.

Literatur

  • Dietrich Werner Schulenburg, Hans Wätjen: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg. 1237 bis 1983. Niedersachsen-Druck und Verlag Hempel, Wolfsburg 1984, ISBN 3-87327-000-5.

Schriften

  • Erinnerungen, ungedruckt, Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg MSG 1/2779.

Einzelnachweise

  1. Hans Rudolf Hort-Lorenzen/ Anders Thiset: Danmarks Adels Aarbog, 1906, S. 396. Alternativ nennt Dietrich Werner Schulenburg: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg. 1237 bis 1983, 1984, S. 326 die Vornamenreihenfolge Ludolf Joachim Albrecht Wedige.
  2. Hans Rudolf Hort-Lorenzen/ Anders Thiset: Danmarks Adels Aarbog, 1906, S. 396.
  3. Dietrich Werner von der Schulenburg: Geschichte des Geschlechts von der Schulenburg. 1237 bis 1983, 1984, S. 318 und 326.
  4. Walter Görlitz: Die Junker. Adel und Bauer im deutschen Osten, 1964, S. 58.
  5. Erinnerungen, BA-MA, Freiburg MSG 1/2779, Blatt 140.
  6. Brüning, Heinrich: Memoiren 1918-1934, Stuttgart 1970, S.467
  7. Bella Fromm: Als Hitler mir die Hand küsste, 1994, S. 205.
  8. Fritz Günther von Tschirschky: Erinnerungen eines Hochverräters, S. 326.

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