Welthunger-Index

Welthunger-Index

Der Welthunger-Index (Abkürzung WHI) ist ein jährlich im Oktober erscheinender Bericht über den Welthunger auf globaler, kontinentaler und staatlicher Ebene. Im engeren Sinne ist der Welthunger-Index ein Zahlenwert, der sich aus den Anteilen von Unterernährten sowie von untergewichtigen und verstorbenen Kindern unter fünf Jahren zusammensetzt.

Das mathematische Konzept wurde vom International Food Policy Research Institute (engl. für ‚internationales Forschungsinstitut für Ernährungspolitik‘) entwickelt. Zusätzlich zu Erläuterungen zum globalen WHI-Wert sowie lokaler Ausprägungen enthält jeder Bericht thematische Schwerpunkte über Ursachen und Wirkungen des Welthungers, woraus Vorschläge für eine Verbesserung der Situation abgeleitet werden.

Verfasst und veröffentlicht wird der jeweilige Bericht seit 2006 gemeinsam vom IFPRI in Washighton D.C., der Welthungerhilfe in Bonn und seit 2007 Concern Worldwide in Dublin.

Beispiel für eine Grafik in einem WHI, Ausschnitt aus dem Bericht 2011

Inhaltsverzeichnis

Konzept

Mehrdimensionaler Ansatz

Der Welthunger-Index basiert auf einem mehrdimensionalen Ansatz, der unterschiedliche Aspekte von Hunger und Unterernährung erfasst und diese in einer Zahl abbildet. Ziel ist es, einen schnellen Überblick über das komplexe Problem zu ermöglichen. Der Index berücksichtigt sowohl die Versorgungssituation der Bevölkerung insgesamt als auch die Folgen und Begleitfaktoren einer unzureichenden Ernährung für die physiologisch sehr gefährdete Gruppe der Kinder, für die Mangelernährung ein hohes Krankheits- und Todesrisiko bedeutet. Darüber hinaus können durch die Kombination unabhängig voneinander gemessener Indikatoren zufallsbedingte Messfehler verringert werden.

Wichtig ist hierbei die Unterscheidung zwischen akutem Hunger, der durch Naturkatastrophen oder Konflikte ausgelöst wird, und chronischem Hunger, der von Armut betroffene Bevölkerungsgruppen dauerhaft betrifft. Chronischer Hunger macht den überwiegenden Teil des heutigen Welthungers aus.[1]

Berechnung

Der WHI basiert auf drei gleichwertigen Indikatoren. Sie zeigen in einem betrachteten Gebiet den jeweiligen Prozent-Anteil von

  1. Unterernährten an der Gesamtbevölkerung. Als Unterernährte werden hierbei Menschen verstanden, die ihren Kalorienbedarf nicht decken können.
  2. Kindern unter fünf Jahren mit Untergewicht an allen Kindern unter fünf Jahren. Dies ist der Indikator für den Anteil der Kinder, die an Gewichtsverlust und Wachstumsstörungen leiden.
  3. innerhalb ihrer ersten fünf Lebensjahre verstorbenen Kindern an Lebendgeburten der vergangenen fünf Jahre. Dieser Indikator spiegelt das laut den Autoren teilweise fatale Zusammenwirken von mangelnder Nährstoffversorgung und einem schlechten gesundheitlichen Umfeld wider.

Der jeweilige WHI-Wert ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel dieser Anteile. Die Datengrundlage für die 2011er-Werte bilden Angaben der UN-Organisationen für Ernährung und Landwirtschaft und dem UN-Kinderhilfswerk und von Measure DHS, einem Projekt der United States Agency for International Development, aus den Jahren 2004–2009. Ergänzend kommen bei fehlenden Daten Schätzungen von Mitarbeitern der Organisationen hinzu.[2011 1]

Was ist der WH-Index.jpg

Der jeweilige WHI-Wert liegt auf einer Skala von 0 bis 100, wobei keiner dieser Extremwerte tatsächlich erreicht wird. Je höher der Wert ist, desto schlechter wird die Ernährungslage bewertet.

Welthunger-Indexe in Staaten mit Hunger

Hunger heißt in diesem Zusammenhang ein WHI-Werte größer als 5.

Rang Land Welthunger-Index
1990 1996 2001 2011
1 Demokratische Republik Kongo 24 35,2 41,2 39
2 Burundi 31,4 36,3 38,5 37,9
3 Eritrea 37,7 37,6 33,9
4 Tschad 39,2 35,8 31 30,6
5 Äthiopien 43,2 39,1 34,7 28,7
6 Haiti 34 32,3 26 28,2
7 Osttimor 26,1 27,1
8 Zentralafrikanische Republik 27,6 28,6 27,7 27
9 Komoren 22,3 27,1 30,1 26,2
10 Jemen 30,4 27,8 27,9 25,4
11 Sierra Leone 33 30,5 30,7 25,2
12 Bangladesch 38,1 36,3 27,6 24,5
13 Angola 43 40,7 33,4 24,2
14 Sambia 24,7 25 27,6 24
15 Indien 30,4 22,9 24,1 23,7
16 Niger 36,2 36,2 30,8 23
17 Mosambik 35,7 31,4 28,4 22,7
18 Madagaskar 24,4 24,8 24,8 22,5
19 Dschibuti 30,8 25,8 25,3 22,5
20 Sudan 29,2 24,7 25,9 21,5
21 Liberia 23,5 26,9 25,8 21,5
22 Ruanda 28,5 32,7 25,2 21
23 Pakistan 25,7 22 21,9 20,7
24 Tansania 23,1 27,4 26 20,5
25 Laos 29 25,2 23,6 20,2
26 Togo 26,6 22,2 23,6 20,1
27 Nepal 27,1 24,6 23 19,9
28 Kambodscha 31,7 31,4 26,3 19,9
29 Mali 27,9 26,3 23,2 19,7
30 Guinea-Bissau 21,7 22,3 22,8 19,5
31 Nordkorea 16,1 20,3 20,1 19
32 Kenia 20,6 20,3 19,9 18,6
33 Malawi 29,7 27,1 22,4 18,2
34 Elfenbeinküste 16,6 17,6 16,4 18
35 Simbabwe 18,7 22,3 21,3 17,7
36 Kamerun 21,9 22,4 19,4 17,7
37 Guinea 22,4 20,3 22,4 17,3
38 Burkina Faso 23,7 22,5 21,7 17,2
39 Tadschikistan 24,4 24,5 17
40 Uganda 19 20,4 17,7 16,7
41 Myanmar 29,2 25,4 22.5 16.3
42 Nigeria 24,1 21,2 18,2 15,5
43 Gambia 15,8 20,3 16,4 15
44 Benin 21,5 20,2 16,9 14,7
45 Sri Lanka 20,2 17,8 14,9 14
46 Guatemala 15,1 15,8 15,1 14
47 Namibia 20,3 18,7 16,3 13,8
48 Senegal 18,7 19,7 19,3 13,6
49 Republik Kongo 23,2 24,2 16 13,2
50 Botsuana 13,4 15,5 15,9 13,2
51 Mauretanien 22,7 16,9 16,9 12,7
52 Indonesien 18,5 15,5 14,3 12,2
53 Bolivien 17 14,6 12,5 12,2
54 Lesotho 12,7 13,9 13,8 11,9
55 Philippinen 19,9 17,5 14,1 11,5
56 Mongolei 16,3 17,7 14,8 11,4
57 Vietnam 25,7 21,4 15,5 11,2
58 Swasiland 9,1 12,3 12,6 10,5
59 Dominikanische Republik 14,2 11,7 10,9 10,2
60 Armenien 14,4 11,3 9,5
61 Nicaragua 22,6 17,8 12,3 9,2
62 Ghana 21 16,1 13 8,7
63 Thailand 15,1 11,9 9,5 8,1
64 Surinam 10,4 9,4 10 8
65 Honduras 13,4 13,2 10,1 7,9
66 Ecuador 13,6 10,8 9 7,9
67 Guyana 14,4 8,9 7,8 7,1
68 Panama 9,8 9,7 9 7
69 Südafrika 7 6,5 7,4 6,4
70 Usbekistan 9,1 10,7 6,3
71 Turkmenistan 10,1 8,8 6,2
72 Peru 14,5 10,8 9 5,9
73 Marokko 7,7 6,7 6,1 5,9
74 Kolumbien 9,1 6,8 5,8 5,7
75 Trinidad und Tobago 6,9 7,5 6,3 5,6
76 Kirgisistan 9,1 8,7 5,5
77 El Salvador 10,1 9 5,4 5,5
78 China 11,7 9,1 6,8 5,5
79 Paraguay 7,7 5,5 5,2 5,4
80 Mauritius 8 7,4 6 5,4
81 Gabun 8,4 6,8 7,3 5,2

WHI 2010

Nur langsame Fortschritte

Der Welthunger-Index 2010 erschien im Oktober des Jahres und trägt den Untertitel Herausforderung Hunger. Die Chance der ersten 1000 Tage, was sich auf die ersten 1000 Tages eines Kindes nach der Empfängnis bezieht. Der Bericht befasst sich schwerpunktmäßig mit der Ernährungssituation von Kindern dieses Alters.

Weltweit fiel der WHI-Wert zwischen 1990 und 2010 von 19,8 auf 15,1. Laut dem Bericht ist die weltweite Ernährungssicherheit „weiter entfernt denn je“.[2010 1] Gemessen an den Millennium-Entwicklungszielen der UN für das Jahr 2015 werden bei der globalen Hungerbekämpfung nur langsame Fortschritte erzielt. Der Bericht zitiert eine Schätzung der FAO, nach der die Zahl der unterernährten Menschen von einer Milliarde (2009) auf 925 Millionen (2010) sinken wird.

Globale und regionale Trends ===

Im Jahr 2010 wurde der WHI für 122 Entwicklungs- und Schwellenländer ermittelt. 84 von ihnen wurden in einer Rangliste klassifiziert, die übrigen 38 Länder, die sowohl 1990 als auch 2010 einen WHI von unter 5 („wenig Hunger“) hatten, wurden nicht aufgenommen.

Im Vergleich der WHI-Indizes von 1990 und 2010 machten nur wenige Länder signifikante Fortschritte und reduzierten ihren Welthunger-Index um 50 Prozent oder mehr. Gleichzeitig erreichten etwa ein Drittel der Länder mäßige Fortschritte und verringerten die WHI-Werte um 25 bis 49,9 Prozent. Ein weiteres Drittel konnte seine WHI-Werte um 0 bis 24,9 Prozent verbessern.

Einige Staaten werden in dem Bericht besonders hervorgehoben:

  • Kuwait: Die stärkste Senkung des WHI wird hier auf die schlechte Ernährungssituation im Vergleichsjahr 1990 zurückgeführt, als irakische Truppen einmarschierten.
  • Malaysia schneidet am zweitbesten ab und schaffte eine „enorme Senkung des Anteils untergewichtiger Kinder“ von 22,1 % (1990) auf 7 % (2005). Der WHI 2010 bezieht sich auf eine Arbeit von Martin Khor, die diesen Erfolg auf schnelles Wirtschaftswachstum und Maßnahmen der Regierung zurückführt, zum Beispiel „Nahrungsmittelhilfen für wirtschaftlich schwache Familien mit fehlernährten Kindern, Programme zur Nahrungsergänzung für Vor- und Grundschuldkinder, die Ausgabe von Mikronährstoffen an Schwangere und die Durchführung von Informationsveranstaltungen zur richtigen Ernährung.“[2010 2]
  • Demokratische Republik Kongo: Hier ist der WHI-Wert mit 41,0 am höchsten, auch fand hier mit mehr als 65 % die größte Steigerung seit 1990 statt. Der Staat hat eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt und einen Unterernährtenanteil an der Gesamtbevölkerung von über 75 %. Zurückgeführt wird dies auf langwierige Bürgerkriege seit den 1990er-Jahren, eine geringe Lebensmittelproduktion und durch schlechte Infrastruktur isolierte Regionen.
  • Ghana ist das einzige afrikanische Land südlich der Sahara, das seinen WHI um mehr als 50 Prozent senken konnte; es zählt damit als einziges Land der Region zu jenen zehn Staaten, die seit 1990 ihren WHI am meisten verbesserten. Signifikante Verbesserungen erreichten neben Kuwait, Malaysia und Ghana auch die Türkei, Mexiko, Tunesien, Nicaragua, der Iran, Saudi-Arabien und Peru.
  • Negative Entwicklungen sind nicht nur in der Demokratischen Republik Kongo, sondern auch in mehreren anderen afrikanischen Staaten zu verzeichnen, vor allem auf den Komoren, in Burundi, Swasiland und Simbabwe, daneben in Nordkorea.

Subsahara-Afrika und Südasien verzeichnen die höchsten regionalen WHI-Werte (21,7 bzw. 22,9). Die prekäre Ernährungssituation in beiden Regionen ist auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen: In Südasien sind untergewichtige Kinder unter fünf Jahren der wichtigste Faktor. Dieser ist zu einem großen Teil auf den schlechten Ernährungs- und Bildungsstatus der Frauen zurückzuführen. Dagegen erklärt sich der hohe WHI in Subsahara-Afrika durch die hohe Kindersterblichkeitsrate und den hohen Anteil von Menschen die ihren Kalorienbedarf nicht decken können. Dies wird hauptsächlich durch schlechte Regierungsführung, Konflikte, politische Instabilität und hohe HIV- und AIDS-Raten bedingt.

Einzelne Ergebnisse:

Verglichen mit 1990 ging der WHI in Subsahara-Afrika um 14 Prozent, in Südasien um zirka 25 Prozent, in Nahost und in Nordafrika um 33 Prozent zurück. Die regionalen Fortschritte in Südostasien, Lateinamerika und der Karibik waren mit einer Verringerung von jeweils mehr als 40 Prozent am größten.

Der Welthunger-Index 2010 vergleicht zudem die regionale Veränderung der Armutssituation mit deren WHI-Wert: In Südasien, der Region mit den meisten in Armut lebenden Menschen, ist die Verringerung der Armut proportional mit der Verringerung des WHI-Wertes. In Südostasien ging die Armut (seit 1990) um 8 Prozent zurück, während der WHI um 3 Prozent sank. In Lateinamerika und der Karibik hingegen ging die Armut um 1 Prozent zurück, während der WHI um 3,5 Prozent sank.

Frühkindliche Unterernährung

Besonders von Hunger gefährdet sieht der Welthunger-Index 2010 die Bevölkerungsgruppe der Kleinkinder und weist auf die besondere Lebensbedrohlichkeit und langfristigen Folgeschäden von mangelnder Ernährung in den ersten zwei Lebensjahren hin. In den Entwicklungsländern sind ca. 195 Millionen Kinder unter fünf Jahren – etwa ein Drittel aller Kinder weltweit – für ihr Alter zu klein und damit unterentwickelt. Fast ein Viertel der unter Fünfjährigen, 129 Millionen, ist untergewichtig und ein Zehntel stark untergewichtig. Über 90 Prozent der unterentwickelten Kinder leben in Afrika und Asien. Allein in Indien leben 42 Prozent aller untergewichtigen Kinder weltweit.

Laut Welthunger-Index umfasst entscheidende Handlungsfenster zur Bekämpfung frühkindlicher Unterernährung den Zeitraum von -9 bis +24 Monaten, also die 1000 Tage zwischen Empfängnis und der Vollendung des zweiten Lebensjahres. Kinder, die in den ersten 1000 Tagen ihres Lebens unzureichend ernährt wurden, können bleibende Schäden davontragen, etwa eine eingeschränkte körperliche und geistige Entwicklung, ein schwaches Immunsystem bis hin zu einer geringeren Lebenserwartung. Nach Vollendung des zweiten Lebensjahres sind die Folgen von Unterernährung größtenteils reversibel.

Politische Handlungsempfehlungen

Auf der Grundlage des publizierten Materials geben die Herausgeber des WHI-Index eine Reihe von Handlungsempfehlungen:

  • Priorität von Ernährung bei politischen Entscheidungen
  • Bekämpfung indirekter Ursachen von Unterernährung, zum Beispiel durch Programme zur Förderung der Landwirtschaft und sozialen Sicherheit, die insbesondere die „Ärmsten der Armen“[2010 3] betreffen
  • Gezielte Ernährungsinterventionen für schwangere sowie stillende Frauen und Kinder unter 2 Jahren, die sich „an bereits erfolgreichen Methoden und lokalen Gegebenheiten orientieren“[2010 3]: Förderung von gesunden Stillpraktiken, einem ausreichenden Impfschutz, angemessener Beikostgaben, des Jodsalzverzehrs und je nach Bedarf die Verfügbarkeit von Nahrungsergänzungsstoffen wie Vitamin A und Zink.
  • Förderung der Gleichstellung von Frauen, da der WHI 2010 eine enge Verknüpfung von deren Benachteiligung und mangelhafter Ernährung sieht und sich dabei u.a. auf diverse Autoren beruft; insbesondere die Ernährungssicherheit von Mädchen und jungen Frauen soll mit Hilfe von Programmen erreicht werden, „die sich mit Gesundheit, Ernährung, Bildung und sozialer Sicherung in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter befassen“[2010 3]

WHI 2011

Der im Oktober des Jahres erschienene Welthunger-Index 2011 trägt den Untertitel Herausforderung Hunger: Wie steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise den Hunger verschärfen.

Im Vergleich zu 2010 fiel der globale WHI-Wert von 15,1 auf 14,6 (im Jahr 1990: 19,7). Laut dem Bericht geht dieser Rückgang vor allem auf die verbesserte Ernährungssituation von Kindern unter fünf Jahren zurück, deren Anteil an allen Kindern unter fünf Jahren seit 1990 um 8 Prozent zurückging. Im selben Zeitraum ging die Kindersterblichkeit um 3 Prozent zurück. Der Anteil der unterernährten Menschen an der Weltbevölkerung ist seit dem Zeitraum 1995–1997 nahezu unverändert, seit 1990 hat er um 4 Prozent abgenommen. Am stärksten erfolgte die Verringerung des globalen WHI und damit Verbesserung der Ernährungssituation zwischen 1990 und 1996 um insgesamt 3.

Der Welthunger-Index legt ein besonderes Augenmerk auf die Länder, in denen dringender Handlungsbedarf besteht, und sieht sich so selbst als Beratungsgrundlage für Politikgestaltung und Advocacy-Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene.

Welthunger-Index 2011 Nach Schweregrad.jpg

Regionale Trends

Verglichen mit 1990 ging der WHI in Subsahara-Afrika um 18 Prozent, in Südasien um zirka 25 Prozent, in Nahost und in Nordafrika um 39 Prozent zurück. Die regionalen Fortschritte in Südostasien, Lateinamerika und der Karibik waren mit einer Verringerung von jeweils mehr als 44 Prozent am größten. Im Vergleich zu 1996 fiel der in Osteuropa und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten um 47 Prozent.

Den höchsten regionalen Wert verzeichnet Südasien, wo der WHI nach einem starken Absinken von 1990 bis 1996 trotz des Wirtschaftswachstums seit 2001 kaum zurückgegangen ist. Der Fortschritt wird nach dem Bericht durch soziale Ungleichheit und den niedrigen Ernährungs-, Bildungs- und Sozialstatus von Frauen behindert. Die etwas geringeren Verbesserungen in Afrika südlich der Sahara gehen auf das Ende mehrerer Konflikte in Afrika in den 1990er und 2000er Jahren, Wirtschaftswachstum sowie Erfolge im Kampf gegen AIDS zurück.

Steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise

Als drei wesentliche Ursachen von starker Volatilität, also Preisschwankungen, und Preisanstieg für Nahrungsmittel sieht der Bericht die zunehmende(n)

  • Verwendung von sog. Biokraftstoffen („Konkurrenz zwischen ‚Teller und Tank‘“), gefördert durch hohe Ölpreise, Subventionen in den Vereinigten Staaten (über ein Drittel der jeweiligen Maisernte 2009 und 2010) und Beimischquoten in der Europäischen Union, Indien u.a.
  • extreme Wetterereignisse infolge des Klimawandels
  • Warentermingeschäfte mit Agrargütern, exemplarisch werden steigende Investitionen in Fonds genannt, die auf Agrarprodukte spekulieren (2003: 13 Milliarden US-Dollar, 2008: 260 Milliarden US-Dollar), sowie die zunehmenden Handelsvolumina dieser Güter

Verstärkt werden Volatilität und Preisanstieg laut Bericht durch die Konzentration der Exporte von Grundnahrungsmitteln auf wenige Länder und deren Exportbeschränkungen, den historischen Tiefstand der weltweiten Getreidereserven und die häufige Nichtverfügbarkeit von zeitnahen Informationen über Nahrungsmittelproduktion, -lagerbestände und -preisentwicklungen, die bei den Marktteilnehmern Überreaktionen provozieren. Hinzu kommen saisonale Beschränkungen der Produktionsmöglichkeiten, begrenzte Anbau- und Weideflächen sowie begrenzte Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser und außerdem die steigende Nachfrage infolge von Bevölkerungswachstum, die Druck auf die Nahrungsmittelpreise ausüben.

Dem Welthunger-Index 2011 zufolge haben Preistrends für arme und hungernde Menschen besonders schwerwiegende Folgen, weil sie kaum in der Lage sind, auf Preisspitzen und rapide Preisschwankungen zu reagieren. Handlungen infolge solcher Entwicklungen können sein: reduzierte Kalorienaufnahme, Kinder nicht mehr zur Schule schicken, riskante Verdienstmöglichkeiten wie Prostitution, Kriminalität und Durchsuchen von Müllhalden und Fortschicken von Haushaltsmitgliedern, die nicht mehr ernährt werden können. Außerdem sieht der Bericht aktuell ein Allzeithoch bei der Unstabilität und Unberechenbarkeit der Nahrungsmittelpreise, die nach Jahrzehnten des leichten Absinkens in der Gegenwart gehäuft Preisspitzen (starker und kurzzeitiger Anstieg) aufweisen.[2011 2]

Auf nationaler Ebene sind besonders Importländer von den Preisschwankungen betroffen, also solche mit negativer Nahrungsmittel-Handelsbilanz.

Politische Handlungsempfehlungen

  • Überprüfung und gegebenenfalls Aussetzung von Beimischquoten und Subventionen für Biokraftstoffe
  • Regulierung von Finanzaktivitäten auf Nahrungsmittelmärkten in Form von verschärfter Berichtspflicht, höherem Einlagekapital-Mindestanteil für kurzfristige Termingeschäfte und Verschärfung von Mengen- und Preisgrenzen für den Handel mit Agrarrohstoff-Derivaten
  • Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen
  • bessere Vorbereitung auf extreme Wetterereignisse
  • armutsorientierte Steigerung landwirtschaftlicher Produktion, die mehr Länder befähigen soll, Grundnahrungsmittel zu exportieren
  • internationale Nahrungsmittelreserven
  • verbesserter Zugang der Marktteilnehmer zu relevanten Informationen, als Beispiele genannt werden das bestehende Famine Early Warning Systems Network und das von den G-20 geplante Agrarmarkt-Informations-System
  • Weltweite Verbreitung von funktionierenden Grundsicherungssystemen auf nationaler Ebene
  • Förderung von Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft
  • Verbesserung der Ausbildungsangebote für Arme in Städten
  • kleinbäuerliche, nachhaltige und klimaangepasste Landwirtschaft
  • verbessertes Krisenmanagement auch bei langsam einsetzenden Hungerkrisen, analog zum Katastrophenschutz

Literatur

WHIs 2005–2011 in der Ausgabe in deutscher Sprache (für andere siehe die entsprechende Webseite des IFPRI), verfügbar auf der Website der Welthungerhilfe:

  • 2005Warnung vor dramatischer Zunahme von Hunger
  • 2006Kriege verschärfen Hunger – zehn afrikanische Länder bilden Schlusslicht
  • 2007Ein Drittel der Länder auf Kurs, Afrika bleibt Brennpunkt
  • 200833 Länder haben sehr ernste bis gravierende Hungersituation
  • 2009Wie die Finanzkrise den Hunger verschärft und warum es auf die Frauen ankommt
  • 2010Herausforderung Hunger: Die Chance der ersten tausend Tage
  • 2011Wie steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise den Hunger verschärfen (Werte der drei Indikatoren in 134 Staaten, engl.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. UN World Food Program: Was ist Hunger

Klaus von Grebmer, Marie T. Ruel, Purnima Menon, Bella Nestorova, Tolulope Olofinbiyi, Heidi Fritschel, Yisehac Yohannes (IFPRI); Constanze von Oppeln, Olive Towey, Kate Golden, Jennifer Thompson (Concern Worldwide und Welthungerhilfe): Welthunger-Index. Herausforderung Hunger: Die Chance der ersten 1.000 Tage. Bonn, Washington D. C. und Dublin 2010, 60 Seiten

  1. Vorwort
  2. S.13
  3. a b c S.45

Klaus von Grebmer, Maximo Torero, Tolulope Olofinbiyi, Heidi Fritschel, Doris Wiesmann, Yisehac Yohannes (IFPRI); Lilly Schofield, Constanze von Oppeln (Concern Worldwide und Welthungerhilfe): Welthunger-Index. Herausforderung Hunger: Wie steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise den Hunger verschärfen. Bonn, Washington D. C. und Dublin 2011, 68 Seiten

  1. Die Datengrundlage des WHI, Seite 8 unten
  2. Kapitel 3: Hohe und volatile Nahrungsmittelpreise verschärfen den Hunger und Kapitel 4: Die Auswirkungen von Preisspitzen und Volatilität auf lokaler Ebene, Seite 21–45

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