Beduinen

Beduinen
Beduine mit Familie

Beduine (von arabisch ‏بدويbadawī „nicht sesshaft“, „nomadisch“) bezeichnet einen nomadischen Wüstenbewohner (arabisch: al-bādiya, „Steppe, Wüste“) der syrischen Wüste, der arabischen Halbinsel, Teilen der Sahara, des Sinai und des israelischen Negev. Das Wort badawī wird als Eigenbezeichnung von den Beduinen gewöhnlicherweise gar nicht benutzt. Sie selbst nennen sich arab im Gegensatz zu den Sesshaften (Nichtnomaden), ḥaḑar. Dieser Begriff bezog sich auf Städter und Bauern gleichermaßen und bedeutet im Arabischen: fallāḥūna (fallāḥīn). Darauf wiederum geht der Begriff zur Abgrenzung zu den Beduinen, nämlich Fellache („Spalter, Pflüger“) zurück.[1]

Die Beduinen sind Araber und folgen in großer Mehrheit dem Islam. Sie betrachten Ismael als ihren Stammvater.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach Afrika gelangten arabische Beduinen nachweislich bereits während des ersten vorchristlichen Jahrhunderts: 46 vor Christus erbeuteten die Römer von Beduinen in Nordtunesien 22 Dromedare. Rund 400 Jahre später bildeten berittene Kamelnomaden eine ständige, ernstzunehmende Bedrohung für die römischen Afrika-Provinzen. In der Moderne wird die Lebensart der Beduinen zunehmend bedroht, insbesondere durch feste Grenzziehungen, staatliche Programme zur Ansiedlung (mit festem Wohnsitz) und die zunehmende Wasserknappheit.[2]

Lebensweise

Beduine in Nord-Jordanien

Beduinen leben hauptsächlich von der Viehzucht. Unter anderem züchten sie Dromedare, Schafe und Ziegen, für die sie in der Wüste und vor allem in den Randzonen der Wüsten Weideplätze suchen. Beduinen schlachten ihre Dromedare nur zu seltenen Anlässen. Es verbindet sie Respekt und Liebe mit diesen für sie so wichtigen Tieren. Außerdem hat das Dromedar einen hohen Statuswert. Sie leben meist von Brot, Milch, Käse, Gemüse, Datteln, Hülsenfrüchten und Oliven. Leben sie am Meer, gehören auch Fisch und Meeresfrüchte zur Tafel. Ihre Tiere (Ziegen, Schafe, usw.) werden meist nur zu besonderen Anlässen geschlachtet und stellen ein wahres Festmahl dar.[3] Sie benutzen nur ihre rechte Hand zum Essen. Ihre linke Hand gilt, wie bei den meisten islamischen Völkern, als unrein, weil diese Hand zur Reinigung benutzt wird. Die Kleiderordnung ist klar geregelt. Männer und Frauen tragen ihre Kleider und Tücher in traditionell vorgegebenen Farben. Es ist für Männer und Frauen unschicklich, nackte Haut zu zeigen.

In einigen Gebieten wie Ägypten oder Sinai leben Beduinen vom Tourismus, den sie bei Globetrottern durch ihre Gastfreundschaft ins Leben riefen und danach entweder für Veranstalter arbeiteten oder eigene Feriencamps, z. B. in Mahash, Nuweiba, Dahab gründeten. Beispielsweise an den ursprünglichen Stränden im Sinai sind seit den späten 1980ern selbstverwaltete Beduinen-Camps entstanden, die von Gästen aus der ganzen Welt besucht werden.[4]

Außerdem arbeiten Beduinen als Führer für Studienreisen oder Wüstentrips. Diese Einnahmequellen werden jedoch zunehmend erschwert durch Landverkauf, Verdrängung durch internationale Veranstalter und staatliche Stellen oder Anschläge im Urlaubsgebiet.

Die arabisch sprechenden Beduinen sind nicht mit dem berbersprachigen Volk der Tuareg in Nordafrika zu verwechseln.[5] Auch die Bedscha sind traditionell Beduinen.

Stammeswesen

Beduinen sind bis heute eng verknüpft mit ihrem jeweiligen Stamm, dessen Patriarchen und Scheichs sie oft bis in lang zurückliegende Jahrhunderte hinein nennen können. Einige führen ihren Stammbaum bis auf den Propheten Mohammed zurück. Zwistigkeiten betreffen nicht nur die Streitenden, sondern den gesamten Stamm und werden notfalls bei einem Gericht geklärt, dem die Scheichs des jeweiligen Stammes vorsitzen. Auch für eine Hochzeit ist wichtig, dass die Brautleute aus dem gleichen oder zumindest aus einem befreundeten Stamm kommen. Bei den meisten Beduinen ist bis heute die Heirat mit der bint ʿamm, der Cousine sehr verbreitet.

Beduinen in Israel

Der Großteil der inzwischen nur noch halb-nomadisch lebenden Beduinen ist während des Palästinakrieges von 1948 geflohen oder wurde vertrieben.[6] Im Folgenden wurde ein großer Teil des Negev staatliches bzw. militärisches Gebiet und die Beduinen wurden auf ein Reservat-ähnliches Gebiet im Nordosten des Negev umgesiedelt,[7] welches lediglich 10% der Fläche des Negev ausmacht.

Seit den 1960er Jahren versucht die israelische Regierung sowohl verstärkt jüdische Siedler zur Niederlassung zu bewegen, als auch die verbleibende beduinische Bevölkerung in teils dafür gegründete Städte umzusiedeln und Landenteignungen vorzunehmen.[8][9] Um juristisch gegen die nomadisch lebende Bevölkerung vorgehen zu können, wurde 1950 im Namen des Umweltschutzes das Grasen von Viehherden - die Beduinen züchteten seit Jahrhunderten insbesondere Ziegenherden in dieser Region - in großen Teilen des Negev verboten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) rief im Jahr 2008 zu einem sofortigen Stopp von Zerstörungen von Häusern von Beduinen auf sowie zu einer unabhängigen Untersuchung der diskriminierenden Behandlung. Laut Angaben von HRW hat Israel seit den 70er Jahren tausende von solchen Häusern zerstört.[10]

Ismail Khaldi ist der erste hochrangige beduinische und muslimische Diplomat des Staates Israel.[11]

Beduinen im Westjordanland

Nach Angaben des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ist die Rate von Unterentwickeltheit bei beduinischen Gemeinden im Westjordanland doppelt so hoch wie bei Kindern im Gazastreifen. Fast die Hälfte der Kinder leide an Durchfall, welches eine der größten Todesursachen weltweit bei Kindern unter 5 Jahren ist. Nach Angaben des OCHA bewirken die israelischen Einschränkungen bzgl. dem palästinensischen Zugriff auf Agrarland in diesem Gebiet, dass tausende Menschen Hunger leiden.[12]

Siehe auch

Traditionelle Wirtschaftsordnungen (Jemen): In diesem Artikel werden die traditionellen Lebensweisen der jemenitischen Beduinen und ihr Stammeswesen beschrieben.

Literatur

  • Ralf Elger, Friederike Stolleis (Hrsg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. Beck, München 2001. Lizenzausgabe: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2002
  • Rolf Herzog: Beduinen. In: Klaus E. Müller (Hrsg.): Menschenbilder früher Gesellschaften. Ethnologische Studien zum Verhältnis von Mensch und Natur. Gedächtnisschrift für Hermann Baumann. Campus, Frankfurt am Main 1983, S. 256–273 (Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  • Staatliches Museum für Völkerkunde (Hrsg.): Beduinen im Negev. Philipp von Zabern, Mainz 1980, ISBN 3-8053-0462-5 (Ausstellung in München vom 25. Juli 1980 bis 1. März 1981)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Staatliches Museum für Völkerkunde Beduinen im Negev S. 14f
  2. Vergessene Beduinen in Negev? in Neues Deutschland
  3. Beduinen - Leben in der Wüste
  4. "Was unter dem Dach geschieht, sieht Allah nicht" in Welt Online
  5. Beduinen-Lexikon
  6. Ismael Abu Sa'ad.BEDOUIN TOWNS IN ISRAEL AT THE START OF THE 21st CENTURY: The Negev Bedouin And The Failure Of The Urban Resettlement Program" Ben-Gurion University of the Negev, 2000
  7. The Indigenous Bedouin of the Negev Desert in Israel. Negev Coexistence Forum. Abgerufen am 16. Juli 2010.
  8. Initiative: Evacuation-compensation for Negev Bedouins (Englisch), Ynetnews. 27. Juli 2008. Abgerufen am 24. September 2010. 
  9. Israel's Bedouin Villagers Demand Justice (Englisch), AOL News. 9. September 2010. Abgerufen am 24. September 2010. 
  10. Israel: End Systematic Bias Against Bedouin (Englisch), HRW. 30. März 2008. Abgerufen am 24. September 2010. 
  11. Zionist Personalities-Ismail Khalidi
  12. OPT: West Bank Bedouins worse off than Gazans (Englisch), IRIN Middle East. 28. Juli 2010. Abgerufen am 26. September 2010. 

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