A2LL

A2LL

A2LL (Abkürzung für „Arbeitslosengeld II – Leistungen zum Lebensunterhalt“) ist eine Webanwendung, welche die Erfassung und Verwaltung von finanziellen Leistungen für Empfänger des „Arbeitslosengeldes II“ ermöglichen soll. Der Name erklärt sich aus einem Ziel des Hartz-Konzepts, die vorherigen Leistungen Arbeitslosenhilfe und Hilfe zum Lebensunterhalt („Sozialhilfe“) zusammen zu legen. A2LL ist europaweit eine der größten E-Government-Lösungen.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

A2LL wurde anfangs von den Firmen T-Systems und PROSOZ Herten in Herten erstellt und fortentwickelt. Die Firma PROSOZ Herten ist Anfang Mai 2005 aus dem gemeinsamen Projekt ausgestiegen und bietet ein alternatives Programm PROSOZ für Optionskommunen an. Nach einem Bericht der Hertener Allgemeinen hat sich die Firma bei diesem Projekt finanziell übernommen und stand kurz vor der Insolvenz. Das Projekt wird jetzt von T-Systems alleine fortgeführt. Die Programmierer des Projektes wurden von T-Systems übernommen.

Technik

Auf die Software kann nur per Webbrowser zugegriffen werden. Der Zugriff zur Nutzung erfolgt gesichert über das Internet; der Zugriff zur Administration dagegen ausschließlich über das Intranet der Bundesagentur für Arbeit (BA), betreut vom IT-Systemhaus der BA in Nürnberg.

Basis sind 16 Server mit jeweils vier Prozessoren, die unter dem Betriebssystem Linux einen Webserver bilden. Diese bilden das GUI-System mit Tomcat als Servlet-Container. Über das Webservice-Framework der Firma Systinet wird auf eine Serverfarm von zur Zeit 48 Windows-2003-Servern zugegriffen, auf welchen der von der Firma Prosoz Herten entwickelte Applikationsserver läuft. Der Applikationsserver benutzt Microsofts (D)COM-Technologie. Als Datenbank kommt Informix 10 auf einer Solaris-Maschine mit 80 CPUs und circa 300 GB Cache-RAM zum Einsatz.

Projektverlauf

Seit dem 18. Oktober 2004 steht die Software deutschen Großstädten (Köln, Hamburg, Frankfurt, etc.) zur Verfügung.

A2LL ging am 21. Oktober 2004 für alle anderen Städte und Gemeinden an den Probelauf. Die Anzahl der Zertifizierungen war zunächst auf ca. 20 Prozent der beantragten Anzahl beschränkt, um das System nicht durch zu hohe Zugriffszahlen zu überlasten. Bis Ende Oktober 2004 wurden dann alle 16.000 Benutzer freigeschaltet. Um eine Überlastung der Software zu verhindern und die rechtzeitige Auszahlung des Arbeitslosengeldes II zu gewährleisten, wurden in der Folge in mehreren großen Städten die eingegangenen Anträge durch die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen in verschiedenen Schichten bearbeitet.

Zum 23. Dezember 2004 waren 2,6 Mio. Bedarfsgemeinschaften in A2LL erfasst und ca. 1,3 Milliarden Euro an Hilfeleistungszahlungen für Januar 2005 in das Buchungssystem FINAS der Bundesagentur verbucht.

Seit dem Start des Wirkbetriebs wurden immer wieder grobe Fehler in der Software beziehungsweise angrenzenden Systemen entdeckt. So fiel beim Start auf, dass Kontonummern durch eine nachgelagerte Software von der falschen Seite her aufgefüllt wurden (Nummern wie 1234567 wurden zu 1234567000 statt 0001234567). Zahlungen auf solche Kontonummern blieben, da keinen Kunden zuordenbar, bei den Banken und Sparkassen auf sogenannten Scherbenkonten liegen. Banken mussten aufgrund der Menge der fehlerhaften Überweisungen Krisenstäbe bilden. Dieser Fehler wurde nicht von A2LL, sondern von einem nachgelagerten System verursacht. Er wird jedoch als Indiz für die Fehleranfälligkeit der zentralen Systemarchitektur bestehend aus zahlreichen, gekoppelten IT-Systemen bei der BA bewertet.

Zum Teil stieg man bei der Bundesagentur auf den Versand von Barschecks um. Dabei stellte sich dann heraus, dass die Software überlange Straßennamen kürzte – was dazu führte, dass Schecks zum Teil nicht zugestellt werden konnten.

Ende April 2005 geriet das Hertener Softwarehaus PROSOZ Herten (im Eigentum der Stadt Herten) in Schwierigkeiten und stand am Rande der Insolvenz. PROSOZ Herten war als Subunternehmer von T-Systems mit der Entwicklung von A2LL-Modulen betraut. Durch die Verzögerungen bei der Fertigstellung von A2LL war PROSOZ Herten finanziell und personell völlig überlastet. T-Systems finanzierte den Subunternehmer. Nachdem PROSOZ Herten aus dem Projekt ausstieg, übernahm T-Systems zeitweise die beteiligten Experten von PROSOZ Herten.

Nach über sechs Monaten Echtbetrieb in den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn), die für die Bewilligung der Leistungen nach SGB II zuständig sind, waren im Juni 2005 wesentliche Funktionen der Software noch nicht verfügbar. Es konnten zum damaligen Zeitpunkt zum Beispiel überzahlte Leistungen nicht direkt im Programm verrechnet werden und die einzelnen Sachbearbeiter waren gezwungen, zur korrekten Abwicklung eines Leistungsfalles komplexe „Umgehungslösungen“ zu verwenden. Auch die Erstellung von Dokumenten ist sehr starr und kann nicht ausreichend den individuellen Bedürfnissen angepasst werden.

Ende Juli 2005 wurde bekannt, dass die A2LL-Software Probleme mit Einmalzahlungen hat. Wenige Tage später wurde bekannt, dass die Software Anmeldungen, Abmeldungen und Veränderungsmitteilungen zur Krankenversicherung aus unbekannten Gründen storniert hat.

Anfang September 2005 wurde des Weiteren durch Presseberichte bekannt, dass die Software seit ihrem Start 25 Millionen Euro pro Monat zu viel an die Krankenkassen überwiesen hat, da die A2LL-Software den zwischenzeitlich gesunkenen durchschnittlichen Beitragssatz in der Krankenversicherung nicht berücksichtigt hat. Den Krankenkassen entstanden durch die beiden letztgenannten Probleme erhebliche Verwaltungsmehraufwendungen. Stimmen in der Bundesagentur wurden laut, nach denen die Software als „nicht mehr wartungs- und entwicklungsfähig“ eingestuft worden sei. Nach nur neun Monaten Wirkbetrieb ein verheerendes Urteil für eine neu entwickelte Software.

Im Februar 2006 wurde eine Meldung veröffentlicht, aus der mit Verweis auf eine Bundestagsdrucksache deutlich wird, dass kurzfristige gesetzliche Änderungen in A2LL nicht eingepflegt werden können. Dies nahmen verschiedene Hersteller von Standardlösungen, die zu A2LL vergleichbar sind und dezentral eingesetzt werden (bspw. Lämmerzahl GmbH mit der Stadt München u.a. als Referenzkunden), zum Anlass und erklärten, dass mit ihren Produkten (welche in den Optionskommunen im Einsatz sind) Gesetzesänderungen innerhalb von Wochen umgesetzt werden könnten. Vertreter von CDU/CSU seien laut Presseberichten inzwischen auch nicht mehr bereit, kurzentschlossene Gesetzesänderungen vom Funktionieren von A2LL abhängig zu machen. Auch die Bundesregierung erklärte, dass der Einsatz von alternativen Software-Lösungen erwogen werden müsste. Jedoch räumte die Bundesregierung ein, dass auch bei diesen noch Schwachstellen bestehen würden.

Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung weitere Berechnungsfehler der Arbeitslosengeld-II-Software A2LL eingeräumt. So wird die Berechnung des Zuschlags gestört, die Grundsicherungsempfänger unter bestimmten Voraussetzungen beziehen können, die innerhalb der vergangenen zwei Jahre Arbeitslosengeld I bezogen haben.

Die Behebung der schwerwiegendsten Fehler soll nach aktuellem Planungstand im Januar 2008, alle weiteren Fehler im Juni 2008 behoben werden. Bis zur Behebung sämtlicher Fehler im IT-Verfahren A2LL stehen den Anwendern in den Arbeitsgemeinschaften von Arbeitsagentur und Kommunen „fehlerfreie Umgehungslösungen in Form einer Berechnungshilfe“ zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine Berechnungshilfe in Form einer Microsoft Excel Tabelle (sh. BTDS 16/6306).

Bei der Übermittlung von Meldungen an die Krankenkassen kommt es aufgrund von Softwareproblemen zur Übertragung falscher Daten. Zudem führen im Beitragsverfahren verschiedene Softwarefehler zu vorübergehend falschen Beitragszahlungen an die Krankenkassen. Diese sollen zu einem späteren Zeitpunkt korrigiert werden.

Die BA hält offenbar nicht mehr an dem Einsatz von A2LL fest. Im März 2008 hat sie angekündigt, dass A2LL durch ein neues System ersetzt werden soll. Nach Informationen der BA wird diese neue Software (Projektname „Allegro“) eine Eigenentwicklung werden. Mit der Fertigstellung wird 2012, mit dem Einsatz im „Realbetrieb“ 2013 gerechnet. Damit kommt auf alle A2LL-Anwender die Umstellung auf eine neue Software zu.

Quellen


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