Wiener (Kaninchen)

Wiener (Kaninchen)

Als Wiener oder Wienerkaninchen bezeichnet man eine Gruppe mittelgroßer Kaninchenrassen, die eine ähnliche Größe und Körperform haben. Sie stellen keine Farbenschläge einer Rasse dar, sondern selbständige Rassen mit eigener Geschichte. Benannt sind die Wiener nach der Stadt Wien, da dort der Blaue und der Weiße Wiener erstmals gezüchtet wurden. Zur Gruppe der Wienerkaninchen zählen in Deutschland folgende Rassen:

Inhaltsverzeichnis

Weiße Wiener

Weisser Wiener.JPG

Der Weiße Wiener ist eine reinweiße Kaninchenrasse mit blauen Augen und einem Gewicht von 4–5 kg. Der Körperbau ist leicht gedrungen und walzenförmig. Der Weiße Wiener ist, im Gegensatz zum Weißen Neuseeländer kein Albino, sondern ein leuzistisches Tier. Diese Mutation beruht auf einem anderen Gen als die Albinoserie, die Erbformel des Weißen Wieners wird mit A-----x angegeben. Kreuzt man leuzistische Tiere mit Albinos, ergibt sich in der F1 Generation eine gefärbte Nachkommenschaft. Als Herauszüchter des Weißen Wieners gilt der österreichische Eisenbahnbeamte Wilhelm Mucke (in manchen Publikationen auch Mucki) aus Wien. Er glaubte, durch Verdrängungszucht aus blauweißen Holländerkaninchen ein weißes Kaninchen mit blauen Augen entwickelt zu haben, welches er nach 15 jähriger Zuchtarbeit 1907 zum ersten Mal auf einer Ausstellung vorstellte. Heute wissen wir, dass der Weiße Wiener nicht, wie wahrscheinlich das wieder verschwundene Husumer Blauauge des Züchters Hermann Ziemer aus Arnstadt (benannt nach Husum, seinem früheren Wohnsitz) und das fast reinweiße Hotot, auf Verdrängungszucht, sondern einer eigenständigen Mutation beruht. Da die Tiere gemäß ihrer Abstammung von Holländerkaninchen relativ klein waren, kreuzte Mucke Weiße Riesen sowie weiße Widderkaninchen ein, um die angestrebte Mittelrasse analog dem damals schon bekannten Blauen Wiener zu erreichen. In Deutschland machte sich besonders der Züchter Ernst Ordel, der die ersten Tiere 1910 bezog, um die Rasse verdient. Da der Weiße Wiener die damals einzige mittelgroße, rein weiße Kaninchenrasse war, wurde sie in der Zeit des Nationalsozialismus als Wirtschaftsrasse anerkannt und besonders gefördert, was zu ihrer starken Verbreitung beitrug. Erst in den 1960er Jahren kam der – allerdings albinotische – Weiße Neuseeländer als mittelgroße, weiße, sehr stark auf Wirtschaftlichkeit gezüchtete Kaninchenrasse dazu. Heute ist man bestrebt, den etwas leichteren und feingliedrigeren Körperbau des Weißen Wieners vom extrem blockigen Typ des Weißen Neuseeländers abzugrenzen. Der Weiße Wiener ist auch heute noch eine der beliebtesten Kaninchenrassen, im Jahre 2004 wurden im Rahmen der Zuchttierbestandserfassung des Zentralverbandes Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter fast 15000 aufgezogene Jungtiere dieser Rasse gezählt.

Blaue Wiener

Fell eines Blauen Wieners

Der Blaue Wiener ist ein einfarbiges blaues, mittelgroßes Kaninchen von 4,25–5,25 kg. Der Körper soll leicht gestreckt und walzenförmig sein. Der Blaue Wiener ist eine der bekanntesten und beliebtesten Kaninchenrassen.

Die Erbformel der Rasse kann mit:
ABCdg (Deutsche Symbolik) bzw. aBCdE (internationale Symbolik)
angegeben werden.

Blaue oder blauwildfarbige Kaninchen sind bereits seit längerer Zeit bekannt, fanden jedoch bis Ende des 19. Jahrhunderts kaum Beachtung. Um das Jahr 1895 herum setzte sich der Beamte der Wiener Eisenbahngesellschaft Johann Constantin Schultz (* 15. September 1856; † 9. Februar 1909) aus Wien-Hetzendorf die Aufgabe, den „Blauen Wiener Riesen“ zu züchten. Er verwendete für sein Zuchtziel nach eigenen Angaben Belgische Riesen, französische Halbwidder und Lothringische Riesen. Inwieweit blaue Kaninchen aus Mähren bei der Entwicklung der Rasse eine Rolle gespielt haben, ist in der Literatur umstritten. Blaue Kaninchen sollen in Mähren weit verbreitet gewesen sein und auch als Schlachtkaninchen nach Wien geliefert worden sein.Es gibt heute in Tschechien und der Slowakei eine Rasse „Mährische Blaue Kaninchen“ die farblich dem Blauen Wiener entspricht, allerdings im Bau schlanker und etwas schwerer eher den Riesenkaninchen ähnelt. 1895 wurde die neue Rasse erstmals ausgestellt und 1897 vom österreichischen Zuchtverband als „Blaue Riesen“ anerkannt. 1903 erfolgte der Import nach Deutschland. Die ersten Jahre der Rasse waren von einem Richtungsstreit geprägt, der vor allem eine Entscheidung zwischen zwei Zuchtrichtungen verlangte. Während ein Teil der Züchter ein blaues Riesenkaninchen anstrebten und die Frage des Gewichtes höher priorisierten als die der Farbe, stand für einen anderen Teil die Farbgebung der von ihnen als Mittelrasse gewünschten Tiere im Vordergrund. Auch über den genauen Farbton und die Ausprägung der blauen Farbe gab es Diskussionen, anfangs waren die Blauen Wiener zum Teil blaugrau, das heißt blauwildfarbig.

Graue Wiener

Der Graue Wiener ist ebenfalls eine mittelgroße Kaninchenrassen vom Typ des Blauen Wieners, allerdings von wildgrauer Farbe. Der Graue Wiener führt sich zurück auf das so genannte „Deutsche Kaninchen“, das auch vor dem Aufkommen der Rassezucht schon in großer Zahl gehalten und im ersten Standard von 1893 aufgeführt wurde. Es handelte sich um einen eher den kleinen Rassen zuzuordnendem Typ von bis zu 2,5 kg Gewicht. Besondere Anforderungen an die Farbe wurden nicht gestellt, neben wildgrauen kamen auch gescheckte und andersfarbige Tiere vor. Die zunehmende Zahl anderer Rassen verdrängte diesen Typ von Kaninchen und so wurden sie auch nicht mehr in die Standards aufgenommen. Im Zuge der Gleichschaltung im Nationalsozialismus wurden auch die Kaninchenzüchter im Reichsfachausschuß Kaninchen des Reichsverbandes Deutscher Kleintierzüchter zusammengefasst. Zu den Bestrebungen dieser Organisation gehörte die Verringerung der Zahl der Kaninchenrassen und die Konzentration auf wenige, als Wirtschaftsrassen angesehene Typen. Im Zuge dieser Bemühungen sollte mit einem mittelgroßen, grauen Kaninchen auch das Deutsche Einheitskaninchen geschaffen werden. Diese Bemühungen waren aber nur von geringem Erfolg gekrönt. Die Zucht grauer Tiere im Format der Wienerkaninchen erfolgte durch Verpaarung von Großchinchilla mit Blauen Wienern. Nach nochmaligem Namenswechsel wird die Rasse seit 1962 als Grauer Wiener geführt und ist heute mit einiger Regelmäßigkeit auf Ausstellungen zu sehen. Der Graue Wiener ist genetisch ein wildfarbiges Tier, die entsprechende Erbformel lautet:
ABCDG (Deutsche Symbolik) bzw. ABCDE (internationale Symbolik)

Blaugraue Wiener

Der Blaugraue Wiener ist eine blauwildfarbige mittelgroße Kaninchenrasse. In Fellfarbe und Genetik entspricht er dem Perlfeh. Der Blaugraue Wiener ging hervor aus diversen Versuchen, ein größeres Perlfehkaninchen zu schaffen. Als Beispiel sei hier das Honnefer Riesenfeh genannt. Zugunsten des Grauen Wieners war der Blaugraue Wiener 1961 aus dem Standard genommen worden, wurde jedoch 1997 wieder als eigenständige Rasse aufgenommen. Die Erbformel des Blaugrauen Wieners entspricht der des Perlfehkaninchens:
ABCdG bzw. ABCdE Abcdg (Deutsche Symbolik bzw. abCde (Englische Symbolik)

Schwarze Wiener

Das Schwarze Wienerkaninchen, ein rein schwarzes Tier vom Wienertyp, wird seit etwa 1925 gezüchtet. In Form und Gewicht entspricht es voll dem Blauen Wiener. Seine Erbformel ist:
ABCDg (Deutsche Symbolik) bzw. aBCDE (internationale Symbolik)

Literatur

  • Langer Streit um das Blau der Wiener. In: Der Kleintierzüchter – Kaninchen 12/1996. ISSN 0941-0848
  • Schneeweißer Glanz auf leicht gestreckter Walze – Weiße Wiener. In: Der Kleintierzüchter – Kaninchen 23/2006, Seite 4–5. ISSN 1613-6357
  • Friedrich Karl Dorn, Günther März: Rassekaninchenzucht. Ein Handbuch für Kaninchenhalter und -züchter, 7. Auflage, Augsburg 1989, ISBN 3-89440-569-4
  • A. Franke: Weiße Wiener. In: Der Kleintierzüchter – Kaninchen 7/1999. ISSN 0941-0848
  • A. Franke: Blaue Wiener. In: Der Kleintierzüchter – Kaninchen 1/2000. ISSN 0941-0848
  • J. Fingerland: Mährische Blaue Kaninchen. In: Der Kleintierzüchter – Kaninchen 9/1999. ISSN 0941-0848
  • Friedrich Joppich: Das Kaninchen. VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1967
  • R. Opfermann: Geliebte graue Wienerkaninchen. In: Der Kleintierzüchter – Kaninchen 2/1999 ISSN 0941-0848
  • John C. Sandford: The domestic rabbit. 5th edition, Blackwell Science, Oxford 1996, ISBN 0-632-03894-2
  • Wolfgang Schlolaut: Das große Buch vom Kaninchen, 2. Auflage, DLG-Verlag, Frankfurt 1998, ISBN 3-7690-0554-6

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wiener — Als Wiener bezeichnet man: einen Bewohner von Wien eine dünne Brühwurst (Wiener Würstchen) oder eine Schnittwurst ein gebackenes Schnitzel, siehe Wiener Schnitzel ein österreichisches Monatsmagazin, siehe Wiener (Zeitschrift) eine Gruppe von… …   Deutsch Wikipedia

  • Kaninchen — Karnickel * * * Ka|nin|chen [ka ni:nçən], das; s, : dem Hasen ähnliches, wild lebendes oder als Haustier gehaltenes Säugetier: Kaninchen beobachten; Kaninchen halten; ein Kaninchen schlachten. Syn.: ↑ Karnickel (ugs.). * * * Ka|nin|chen 〈n. 14;… …   Universal-Lexikon

  • Steen-Kaninchen — Das Steen Kaninchen (Niederländisch Steenkonijn, auch Steinkaninchen) ist eine kleine belgische Kaninchenrasse. Steen Kaninchen ähneln in Farbe und Gestalt dem Wildkaninchen, sind mit einem geforderten Gewicht 2 3 kg aber etwa ein Kilogramm… …   Deutsch Wikipedia

  • Blaue Wiener — Blaue Wiener,   eine Hauskaninchenrasse, Kaninchen …   Universal-Lexikon

  • Kaninchenzucht in Deutschland — Helle Großsilber Das Hauskaninchen ist die domestizierte Form des europäischen Wildkaninchens. Hauskaninchen werden sowohl als Nutztiere zur Fleisch und Pelzproduktion als auch als Heimtiere gehalten, wofür sich vor allem die Zwergrassen eignen.… …   Deutsch Wikipedia

  • Nutzkaninchen — Helle Großsilber Das Hauskaninchen ist die domestizierte Form des europäischen Wildkaninchens. Hauskaninchen werden sowohl als Nutztiere zur Fleisch und Pelzproduktion als auch als Heimtiere gehalten, wofür sich vor allem die Zwergrassen eignen.… …   Deutsch Wikipedia

  • Steinkaninchen — Das Steen Kaninchen (Niederländisch Steen Konijn, auch Steinkaninchen) ist eine kleine belgische Kaninchenrasse. Steen Kaninchen ähneln in Farbe und Gestalt dem Wildkaninchen, sind mit einem geforderten Gewicht 2 3 kg aber etwa ein Kilogramm… …   Deutsch Wikipedia

  • Gouwenaar — …   Deutsch Wikipedia

  • Blauer von St. Niklaas — Blaue von St. Niklaas (niederländisch: Blauw van Sint Niklaas) sind eine mittelgroße, belgische Hauskaninchenrasse. Das Gewicht der Tiere beträgt 4,5   6 kg, mit einem Ideal von 5,5 kg. Der Körperbau ist gedrungen und walzenförmig, von oben… …   Deutsch Wikipedia

  • Fellarten — Als Pelz bezeichnet man das Fell von Säugetieren mit dicht stehenden Haaren sowie das daraus gearbeitete Kleidungsstück. Rauchwaren, österreichisch auch Rauwaren, sind zugerichtete, das heißt zu Pelzen veredelte Tierfelle. Pelztiere sind… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”