Wilder Mann (Dresden)

Wilder Mann (Dresden)

Wilder Mann ist ein Stadtviertel im Nordwesten von Dresden. Es liegt direkt am Hang des Dresdner Elbtalkessels im Ortsamtsbereich Pieschen. Korrekt sagt man „am Wilden Mann“, falsch ist „in Wilder Mann“. Dass sich die Bezeichnung bis heute erhielt, ist einem bis 1897 eigenständigen Gutsbezirk sowie einem bis 1945 bekannten Ausflugslokal gleichen Namens zu verdanken.

Stadtplanausschnitt Dresden-Wilder Mann

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Viertel Wilder Mann ist geographisch nicht genau eingrenzbar. Es erstreckt sich über den Westen Trachenberges und den Nordosten Trachaus (die Grenze zwischen beiden Stadtteilen verläuft entlang der Großenhainer und Döbelner Straße). Daher besitzt der Wilde Mann im Gegensatz zum ähnlich entstandenen Stadtteil Weißer Hirsch keine amtlichen Angaben über die Einwohnerzahl und auch keine fest abgegrenzte Fläche. Seine ungefähren Grenzen verlaufen jedoch im Osten an der Bolivarstraße, im Süden etwa an der Platanenstraße, im Westen auf Höhe der Stephanstraße und im Norden an der Kalkreuther Straße. Direkt nördlich des Wilden Mannes befinden sich die Junge Heide und der Heidefriedhof.

Geschichte

Der Sage nach soll ein kleines Areal an der heutigen Döbelner Straße nach Ende des Dreißigjährigen Krieges vom Kurfürsten Johann Georg an einen Einsiedler verschenkt worden sein, nachdem dieser dem Landesherren bei einem Raubüberfall das Leben gerettet hatte. Der Dresdner Bürgermeister Philipp Strobel (1643 - 1702) war der erste nachgewiesene Besitzer und begründete im Jahre 1680 östlich des Steilanstiegs der heutigen Großenhainer Straße ein Weingut, auf dem auch Acker- und Viehwirtschaft betrieben wurden. Es lag inmitten des als „die Trachenberge“ bezeichneten, damals neu angelegten, langgestreckten Weinberges zwischen Geblerstraße und Radeburger Straße. Strobel war Inhaber des Schankrechts und schenkte Wein, Most und seit 1690 auch Bier aus. Strobels Schwiegersohn Lüder Hildebrand, Generaladjutant Augusts des Starken, erweiterte den Besitz beträchtlich um einige Anbauten und Flure, so dass sich das Gut auf die heutigen Grundstücke Döbelner Straße 108 bis 116 erstreckte. Er erhielt zusätzlich zum Ausschank die Konzessionen zum Backen, Schlachten und Branntweinbrennen und wählte, wohl aufgrund der beschriebenen Sage, als Wirtszeichen die Gestalt des Wilden Mannes, die sich seit 1710 am Eingang der alten Gutsschenke befand.

Erinnerungstafel an das ehemalige Weingut Wilder Mann an der Fassade des Wohnhauses Döbelner Straße 110 in Dresden

Nach dem Tode Hildebrands im Jahre 1732 wechselten die Besitzer des 1 Jahr später als Vorwerk Wildermann erwähnten Weinguts in rascher Folge. Unter ihnen waren bemerkenswert viele Frauen, zum Beispiel Henriette von Benckendorff und Frau Obrist-Leutnantin von Leipziger. Im Jahre 1762 erwarb Frau Johanna Rosine Starcke, ab 1764 verheiratete von Zittwitz, das Gut und das Schankrecht. Sie trieb gegen viele Widerstände die Verlegung des Ausschankes in ein weiter westlich gelegenes, kleines hölzernes Weinberghaus (heute Döbelner Straße 130) voran, was schließlich am 19. Juli 1773 durch den sächsischen Kurfürsten Friedrich August III. genehmigt wurde. Sie argumentierte mit einer wahrscheinlichen Steigerung der Pachterträge, wenn der Ausschank von dem etwas abgelegenen Gut an die belebte Straße von Dresden über Moritzburg nach Großenhain umzöge. In den folgenden Jahren ließ sie an Stelle des Holzgebäudes einen steinernen Gasthof errichten. Die im Siebenjährigen Krieg verbrannte Figur des Wilden Mannes mit Vollbart, Blätterschurz und Keule ließ sie 1775 in Sandstein erneuern und verkaufte ein Jahr später das Weingut wieder, woraufhin es abermals zu mehreren Eigentümerwechseln kam. Im Jahre 1791 wird das Gut als Wildemann erwähnt.

Ab August 1835 hatten Weingut und Gasthof dann getrennte Besitzer. Im Jahre 1883 erzwang die Reblaus die Aufgabe der Rebkulturen und, wie in weiten anderen Teilen des Dresdner Elbtals, das Ende des Weinbaus. Auf dem Gut wurde noch bis 1898 Landwirtschaft betrieben. Wegen Baufälligkeit wurden das noch bis zum Schluss als Wohnhaus genutzte Gebäude des Weingutes 1934 abgerissen. An der Fassade des Nachfolgebaus Döbelner Straße 110 erinnert heute eine Gedenktafel an das Gut.

Das 2007 renovierte Gebäude des ehemaligen Ausflugsgasthofs Wilder Mann an der Döbelner Straße 130 in Trachenberge

Die Gastwirtschaft blieb auch nach Einstellung des Gutsbetriebes bestehen. Ab 1893 ließ der Schankwirt Gustav Weber die Gebäude für 97000 Mark umbauen und um einen Saal mit Gartenterrasse erweitern. Die Einweihung erfolgte am 25. Dezember 1894. Im Garten spielten regelmäßig Musikkapellen der Dresdner Garnison. Die Eigentümer machten den Wilden Mann so zu einem beliebten Ausflugsziel am nordwestlichen Stadtrand. Es war durch die seit 1881 bis unmittelbar vor das Gebäude fahrende Straßenbahn für die Dresdner gut erreichbar (bereits seit 1858 bestand ein Pferdeomnibus-Anschluss). Unterbrochen wurde der Gaststättenbetrieb nur im Ersten Weltkrieg, als die Räume zu einer Reserveunterkunft der Königlich-Sächsischen Armee wurden. Das bis heute erhaltene Gasthofgebäude war nach der Nutzung als Reservelazarett der Wehrmacht gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ab 1945 eine Kreisparteischule der SED und beherbergte ab 1969 das Studio Dresden des DDR-Fernsehens, nach der Wende des MDR. Nach 2000 stand es zunächst leer. Zwischen 2007 und Anfang 2008 wurde das Gebäude zu einem Wohn- und Geschäftshaus umfunktioniert. Auf dem Grundstück eröffnete an der Stelle der zuvor abgerissenen fünf Fernsehaufnahmestudios im November 2007 außerdem ein Discounter.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Name der Gaststätte auch auf die nähere Umgebung übergegangen. Die im benachbarten Trachenberge schon seit etwa 1800 verstärkte Siedlungstätigkeit hatte auch vorm Wilden Mann nicht haltgemacht. In dem als Sommerfrische bekannten Ort entstanden vornehmlich Villen, von denen bis heute viele erhalten blieben. Der zu Trachau gehörige, flachere Teil des Viertels ist heute recht dicht bebaut, der zu Trachenberge gehörige Hang eher locker. Auf der Anhöhe des Elbhangs befindet sich ein kleines Plattenbaugebiet.

Das auch zum Wilden Mann zählende Gebiet unmittelbar westlich der Großenhainer Straße ist ebenfalls geschichtsträchtig. Hier befand sich das 1446 als Weinberg am alten Trachenberge erstmals erwähnte Weingut der Augustinermönche aus Altendresden. Am oberen Ende des Steilanstiegs der Großenhainer Straße, des sogenannten Wilder-Mann-Berges, stand seit 1880 die Bergwirtschaft. Dabei handelte es sich um ein im Volksmund als Bergziege bezeichnetes Ausflugslokal, von dessen Terrasse, dem sogenannten Balkon der Neustadt, man eine weite Aussicht über Dresden hatte. Dieses Restaurant wurde bis 1991 betrieben, danach dem Verfall preisgegeben und 2005 abgerissen. Seit 2007 steht an dieser Stelle das neu errichtete Hotel Bergwirtschaft Wilder Mann. Unmittelbar daneben befindet sich die denkmalgeschützte Villa Trinkl.

Einwohnerentwicklung des Gutsbezirks

Jahr Einwohner[1]
1834 23
1871 49
1890 177
1910 Teil von Trachenberge, zu Dresden

Administrative Zugehörigkeit

Ab dem 18. Juni 1722 bildete das Weingut zusammen mit dem damals als Jeßnitz bezeichneten äußersten Norden der heutigen Leipziger Vorstadt den gemeinsamen Gutsbezirk Wilder Mann und war damit de facto eigenständig. Dieser unterstand direkt dem Landesherren und besaß die Ober- und Erbgerichtsbarkeit. Der gesamte Gutsbezirk wurde 1897 gemeinsam mit Trachenberge, Pieschen und Hellerberge nach Dresden eingemeindet. Zunächst wurde er vollständig der Gemarkung Trachenberge zugerechnet; seit Mitte der 1950er Jahre gehört der Ostteil des ehemaligen Gutsbezirks, auf dem in der Zwischenzeit die Siedlung Oberer Hecht entstanden war, jedoch zur Leipziger Vorstadt und damit zur Gemarkung Neustadt. Seit 1958 gehörten beide Teile des früheren Gutsbezirks zum Stadtbezirk Dresden-Nord; seit 1991 liegt der Westteil, also das heutige Stadtviertel Wilder Mann, im Ortsamtsbereich Pieschen.

Verkehr

Das Stadtviertel ist trotz seiner spürbaren Randlage gut an das städtische Verkehrsnetz angeschlossen. Die Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 3 der Dresdner Verkehrsbetriebe heißt Wilder Mann und liegt direkt am ehemaligen Gasthof. Ferner halten die Buslinie 80 sowie Überland-Buslinien in dem Stadtviertel. Auch die im Jahre 1941 angelegte Anschlussstelle der A4 unmittelbar nördlich des Viertels trägt den Namen Wilder Mann. Die alte Viehtriebe vom Dorfkern Alttrachau aus heißt heute bis in das Gebiet des Stadtviertels hinein Wilder-Mann-Straße.

Trivia

  • Die in der Dresdner Neustadt ansässige Hausbrauerei Schwingenheuer braut ein nach dem Stadtviertel benanntes siebenprozentiges dunkles Bockbier.
  • Obwohl der Wilde Mann in recht großem Abstand zur Elbe liegt (Entfernung zur Pieschener Flussschleife ca. 2 Kilometer), standen die niedrigen Lagen des Viertels, so auch der Hof des Weingutes, während der Sächsischen Sintflut am 31. März 1845 unter Wasser. Verursacht wurde dies durch Rückstau in einem parallel zum Berghang, entlang der Schützenhofstraße, nach Kaditz führenden alten Elbarm. Eine erneute Überflutung des Geländes beim Jahrhunderthochwasser 2002 konnte durch den Damm der Bahnstrecke Leipzig–Dresden und den unter deren Überbrückung der Leipziger Straße errichteten Sandsackwall verhindert werden.
  • Den Namen „Wilder Mann“ trägt heute eine Gaststätte auf der anderen Seite der Großenhainer Straße. In diesem Gebäude wohnte in den 1930er Jahren auch der erfolgreiche, in Trachau geborene Leichtathlet Rudolf Harbig.

Einzelnachweise

  1. Wilder Mann (Dresden) im Digitalen Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen

Literatur

  • Klaus Brendler/Horst R. Rein: Trachau – Von Menschen, Häusern und Straßen. Heimatkundliche Beiträge, Heft 4, Verlag Horst R. Rein, Dresden 2005.

Weblinks

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