Willibald Jacob

Willibald Jacob

Willibald Arno Georg Jacob (* 26. Januar 1932 in Berlin-Charlottenburg, aufgewachsen in Friedrichshain und Weißensee) deutscher Politiker, evangelischer Theologe, Katechet, Pfarrer, Industriekaufmann, Ingenieur für Straßeninstanthaltung und Dozent für Evangelische Sozialethik in Indien, von 1970 bis 1990 Mitglied der CDU/DDR, verheiratet mit Elfriede Berndt, vier Kinder, sieben Enkel und einen Urenkel.

Leben

Jacob begann nach der Schulzeit eine theologische Ausbildung am Seminar für kirchlichen Dienst in Berlin-Weißensee und Zehlendorf. Während seiner Ausbildung zum Pastor an der Schule Paulinum Berlin wurde er am 17. Juni 1953 bei einer Demonstration verhaftet; anschließend drei Wochen Untersuchungshaft. Von 1955 bis 1959 studierte er an der Kirchlichen Hochschule Zehlendorf und dem Sprachenkonvikt Borsigstraße als Externer. Gleichzeitig arbeitete er im Besuchsdienst des Kirchenkreises Friedrichshain in der Stalinallee.

1954 heiratete er Elfriede Berndt, Kantorkatechetin; ihnen wurden in den Folgejahren vier Kinder geschenkt.

Zwischen 1959 und 1966 war er Gemeindepfarrer in Treuenbrietzen. Dort baute er eine Dienstgruppe von Theologen in Gemeinden und Betrieben in der Tradition der bekennenden Kirche und der französischen Arbeiterpriester auf. 1965 verweigerte er den Wehrdienst.

Von 1966 bis 1968 leitete er die Stadtmission Cottbus (Gossner Mission) und war Kooperationspartner der Dienstgruppen in der Niederlausitz. In dieser Zeit leitete er eine Arbeitsgruppe der Christlichen Friedenskonferenz (CFK) zum Thema Ökumene und Ökonomie.[1] In den Jahren 1968 bis 1982 arbeitet Jacob im Straßenwesen der DDR und qualifizierte sich zum Facharbeiter und Ingenieur in den VEB Bezirksdirektion des Straßenwesens Cottbus und Berlin.[2][3] Von 1974 bis 1976 war er Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) in dem VEB BDS Berlin und wurde 1978 Leiter der Reparaturabteilung Straßenwesen im Stadtbezirk Berlin Weißensee (Straßenmeister), u.a. verantwortlich für die Beseitigung von Barrieren für Behinderte im öffentlichen Verkehrsraum nach UN-Beschlüssen. Diese Funktion übte er bis 1982 aus.[4][5][6]

In den Jahren 1970 bis 1990 war er Mitglied der CDU.

1970 bis 1980 war Jacob ehrenamtlicher Vorsitzender der Gemeindeleitung der Niederländischen Ökumenischen Gemeinde in der DDR.[6] In dieser Funktion wurde er 1976 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) wegen der Tätigkeit eines ökumenischen Mitarbeiters der Gemeinde kontaktiert. Von diesem Vorfall benachrichtigte er den betroffenen Mitarbeiter und die zuständige Pfarrerin der NÖG.

Im Jahre 1982 wurde Jacob von der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (EKiBB) - Region Ost zum Provinzialpfarrer berufen, um sich auf einen Indienaufenthalt vorzubereiten. Gleichzeitig arbeitete er als Gemeindepfarrer in Berlin-Oberschöneweide und studierte Hindi- und Regionalwissenschaften an der Humboldtuniversität.

Seinen ersten Indienaufenthalt absolvierte Jacob zusammen mit seiner Ehefrau Elfriede im Oktober 1983 an der Pracharak Training School in Govindpur (Bihar, District Ranchi). Dort beteiligten sie sich an der Konzipierung eines neuen Curriculums für die Ausbildung von Pracharaks und Pracharikas (Dorfpastoren, Diakonen, Gemeindehelferinnen) im Sinne einer Doppelberuflichkeit: Pastor/Landwirt/Handwerker etc.

Seine Doktorarbeit verteidigte er im Jahre 1984 an der Reformierten Theologische Akademie in Debrecen bei Elemer Kocsis zum Thema „Eigentum und Arbeit als Themen theologische Ethik“.[6][7]

Zwischen 1985 und 1988 war Jacob Dozent für evangelische Sozialethik, Ökonomie und Betriebsorganisation in Govindpur im Auftrag der Gossnermission in Chotanagpur und Assam (GELC) und der EKiBB.[8] Nach seiner Rückkehr aus Indien wurde Jacob 1989 Gemeindepfarrer in der reformierten Kirchengemeinde Hohenbruch bei Oranienburg-Sachsenhausen und gleichzeitig Beauftragter für die Partnerschaft GELC – EKiBB.

Jacob war 1990 Mitbegründer der Entwicklungspolitischen Gesellschaft (EpoG) Berlin. 1992 erfolgte seine vorzeitige Pensionierung wegen einer Tropenkrankheit, jedoch blieb er als Indienreferent weiter für die EpoG tätig. Von 1992 bis 1994 war Jacob Unterstützer der Initiative Ostdeutscher Betriebs- und Personalräte gegen die Deindustrialisierung Ostdeutschlands.[9]

Vermittelt durch Jakob Moneta, dem Vorsitzenden der Kommission Gewerkschaften bei der PDS, wurde Jacob von 1994 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB) als parteiloser auf der offenen Liste der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) auf der Landesliste Mecklenburg-Vorpommern (13. Wahlperiode). [10]

Jacob war Mitglied des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Obmann und Sprecher der PDS) und Stellvertreter von Heinrich von Einsiedel im verteidigungspolitischen Ausschuss und im Unterausschuss für die Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN).[11][12][13]

Jacob arbeitete mehrere Jahre als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit [14].

Jacob wirkte ab 1996 am Aufbau einer Indienarbeit mit Austauschprogrammen für die Berufsausbildung im Rahmen der EpoG mit, sowie ab 2009 bei dem Solidaritätsdienst international Berlin e.V. und der Wassermühle Ziddorf e.V., Landkreis Güstrow.[15][16][17][18]

Einzelnachweise

  1. W. Jacob: Thomas Müntzers Parteinahme für die Unterdrückten als Ausgangspunkt für seine reformatorischen Bestrebungen in: Prophet einer neuen Welt, Thomas Müntzer in seiner Zeit. Berlin 1975. ISBN 3421018693
  2. Johannes Brückmann, W. Jacob (Hrsg.): Arbeiterpfarrer – Vor Ort in Betrieb und Gemeinde in der DDR. Perspektiven des Pfarrberufes angesichts einer „Volkskirche als Auslaufmodell“, Alektor Verlag Berlin 1996, ISBN 3884250639
  3. J. Brückmann, W. Jacob (Hrsg.): Arbeiterpfarrer in der DDR. Gemeindeaufbau und Industriegesellschaft, Erfahrungen in Kirche und Betrieb. Berlin 2004. ISBN 3884250817
  4. W. Jacob: Eigentum und Arbeit – Evangelische Sozialethik zwischen Industriegesellschaft und Sozialismus. Berlin 1977. OCLC: 80627142
  5. W. Jacob: Leistung – Wofür? Überlegungen zum Dienst des Menschen in der Gesellschaft. Berlin 1980, OCLC: 174409144
  6. a b c W.Jacob: Gerechtigkeit im Alltag. Zum Verständnis von Eigentum und Arbeit in der sozialistischen Gesellschaft. Berlin 1984
  7. W. Jacob: Paraklese heute – Von der Integration der Mehrwertlehre in die theologische Ethik, in: Ergebnisse und Möglichkeiten des christlich-marxistischen Dialogs, Hrsg. Doktorkollegium der reformierten Kirche in Ungarn. Debrecen 1985.
  8. W. Jacob: Trittsteine Im Fluss. Aus der indischen Gossner Kirche. Erlangen 1992. ISBN 3872145037
  9. W. Jacob: Ostwind weht wo er will.Kückenshagen 1995. ISBN 3929370344
  10. Willibald Jacob, Jakob Moneta, Franz Segbers (Hrsg.): Die Religion des Kapitalismus – Die Gesellschaftlichen Auswirkungen des totalen Marktes. Luzern 1996. ISBN 3905577046
  11. Willibald Jacob: Die Extremisten der Mitte. Beitrag in: Die Kirche – Evangelische Wochenzeitung Berlin, 3. September 2000
  12. W. Jacob: Neoliberale Lebensweise und christlicher Glaube sind unvereinbar. Ein Wort zu Bischof Dr. Wolfgang Huber in: Utopie-kreativ, Diskussion sozialistischer Alternativen, Hrsg. von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin 2004
  13. W. Jacob: Arbeit - Geld – Kirche. Eine unzeitgemäße Reflexion, dennoch rechtzeitig. Selbstverlag Berlin 2008
  14. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1997/0821/none/0105/index.html
  15. Renate Gudat, Hans-Dieter Winkler, W. Jacob, Andreas Ciesielski (Hrsg.): Zwischen Arkona und Govindpur, Berichte und Kommentare zu einer indisch-deutschen Partnerschaft. Kückenshagen 2000, ISBN 3934301061
  16. W. Jacob, Andreas Schröder (Hrsg.): Zwischen Müritzsee und Assam‘s Teegärten. Berichte und Kommentare zu einer indisch-deutschen Partnerschaft, Selbstverlag EpoG Berlin 2004, ISBN 3000150439
  17. W. Jacob, Peter Leehr, Andreas Schröder, Beatrix Spreng (Hrsg.): Unterwegs in Indien – Erfahrungsaustausch. Selbstverlag Berlin 2009
  18. E. u. W. Jacob: Trittsteine im Fluss. Aus der indischen Gossner Kirche – Von Partnerschaft und gemeinsamen Interessen. Eine Chronik. 2. erw. Aufl. Erlangen und Kückenshagen 2010

Weblinks


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