Winchester 73

Winchester 73
Filmdaten
Deutscher Titel: Winchester ’73
Originaltitel: Winchester ’73
Produktionsland: USA
Erscheinungsjahr: 1950
Länge: 92 Minuten
Originalsprache: Englisch
Altersfreigabe: FSK 12
Stab
Regie: Anthony Mann
Drehbuch: Borden Chase
Robert L. Richards
Produktion: Aaron Rosenberg für
Universal Pictures
Musik: Walter Scharf
Kamera: William H. Daniels
Schnitt: Edward Curtiss
Besetzung

Winchester ’73 ist ein US-amerikanischer Westernfilm von Anthony Mann aus dem Jahr 1950. Er gilt als Startpunkt der wirtschaftlich und künstlerisch erfolgreichen Epoche des amerikanischen Westernkinos, die bis in die 1960er Jahre andauerte. Darüber hinaus markiert der Film den Anfang einer erfolgreichen längeren Zusammenarbeit des Regisseurs Mann mit dem Schauspieler James Stewart.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

1876 im Südwesten der Vereinigten Staaten: Lin McAdam ist auf der Suche nach seinem Bruder Dutch Henry Brown. Dutch, der Anführer einer Verbrecherbande, hat den gemeinsamen Vater ermordet und Lin sehnt sich nach Rache. Schließlich finden Lin und sein Begleiter High-Spade Dutch in Dodge City. Eine Konfrontation der beiden Brüder wird durch ein Waffenverbot in der Stadt unterbunden. Sie nehmen an einem Schießwettbewerb um ein legendäres Gewehr – die „Winchester ’73“ in einer Spezialanfertigung als „eine unter Tausend“ – teil. Lin besiegt Dutch im Stechen des Wettbewerbs, doch kurz darauf überfällt Dutch Lin, nimmt ihm die gerade gewonnene Winchester ab und flieht mit seiner Bande aus der Stadt.

Winchester ’73 als Sequenzgrafik: Inhalt und Sequenzen werden im Verhältnis zur Filmzeit eingezeichnet.

In der Wüste verliert Dutch die Winchester beim Kartenspiel an einen Waffenhändler, der sie bei einem Geschäft mit den Indianern vom Häuptling Young Bull abgenommen bekommt. Lin folgt Dutchs Spur durch die Wüste und flieht vor Indianern in eine Wagenburg der Kavallerie. Dort trifft er das junge Paar Lola Manners und Steve Miller. Durch die Hilfe von Lin kann ein Indianerangriff am nächsten Morgen abgewehrt werden und Lin folgt der Spur Dutchs weiter nach Tascosa. Steve wird die Winchester des toten Young Bull zum Schutz von Lola übergeben.

Auf ihrer Farm angekommen, werden Lola und Steve von Banditen, die auf der Flucht vor dem Sheriff und seiner Posse sind, gefangen genommen. Waco Johnnie Dean, der Anführer der Banditen, erschießt Steve, um an die Winchester zu gelangen, und flieht mit Lola – seine Banditenbande in den Tod schickend – aus der Belagerung des Sheriffs. Waco trifft sich darauf mit Dutch und seiner Bande in einem Versteck in der Wüste, wo Dutch die Winchester Waco wieder abnimmt. Sie planen einen Banküberfall in Tascosa und reiten getrennt dorthin.

In Tascosa überwältigt Lin zunächst Waco und stellt dann Dutch und seine Bande während des Bankraubes. Bei einer Schießerei kommen die Banditen um, Lola wird verwundet und Dutch kann in die Wüste fliehen. Dort stellt Lin seinen Bruder in einer Felsenlandschaft zum finalen Duell, tötet Dutch und kehrt mit der Winchester nach Tascosa zurück.

Geschichtlicher Hintergrund

Das Ende des Wilden Westens

Der historische Wyatt Earp, circa 1869

Die Handlung von Winchester ’73 beginnt am 4. Juli 1876 – dem hundertsten Jahrestag der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten. Die Besiedlung des Wilden Westens durch europäische Einwanderer ist fast abgeschlossen. Die Städte an der ehemaligen Frontier verfügen bereits über ein politisches System, in dem der Sheriff die Rechte der Bürger verteidigt. Diese Ordnung wird von Banditen bedroht, die in Winchester ’73 durch die Banden von Dutch Henry Brown und Waco Johnnie Dean verkörpert werden. Gleichzeitig stellt der Film aber die Bedrohung der amerikanischen Siedler durch Indianer dar, die im Jahr der Schlacht am Little Bighorn aufgrund der bereits begonnenen Indianerumsiedlungsprogramme gerade akut geworden war.

Manns Western bezieht sich neben diesen Ereignissen der Geschichte der Vereinigten Staaten auch auf konkrete bekannte Orte und Personen. Die beiden Städte Dodge City und Tascosa, die Startpunkt und Ziel der Handlung des Films darstellen, sind geschichtsträchtige Städte der Besiedlung des amerikanischen Westens. Vor allem Dodge City ist eine oft als Schauplatz von Western benutze Stadt, da sie Aufenthaltsort bekannter Revolverhelden wie Doc Holliday war. So tritt in Winchester ’73 die historische Person Wyatt Earp als Sheriff auf. Tascosa ereilte das Schicksal vieler Städte der Besiedlungszeit: Sie wurde zu einer Geisterstadt.

Das Winchester-Gewehr

Ein Winchester-Gewehr der titelgebenden Baureihe Winchester ’73.

Das Winchester-Gewehr wurde zur Zeit des Sezessionskriegs entwickelt. Berühmt wurde es vor allem durch seine Verbreitung bei der Besiedlung des Westens der Vereinigten Staaten ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Besonders das Modell Winchester ’73 der Repetiergewehre der Winchester Repeating Arms Company, das dem Film seinen Namen gab, wurden dabei als the gun that won the west (deutsch: „das Gewehr, das den Westen erobert hat“) zum Synonym für die Besiedlung des Westens. Im Film wird dies durch die besondere Verehrung und Gier nach dem Besitz der Waffe gezeigt.

Die Modellreihe „Eine unter tausend“, die im Film besonders betont wird, wurde von Winchester ab 1875 auf den Markt gebracht. Von allen nach der Herstellung probegeschossenen Läufen aus einem Fertigungslos von jeweils 1000 Stück wurden die am präzisesten schießenden ausgesucht und in ein Gewehr eingebaut, das oben auf dem Lauf die Gravur „One of One Thousand“ oder „One of 1000“ erhielt. Von dieser Serie wurden 136 Exemplare gefertigt und zu einem Stückpreis von 100 US-Dollar verkauft, was nach heutiger Kaufkraft etwa 15.000 Dollar entsprechen würde. Eine handelsübliche Winchester kostete 40 Dollar. Der durchschnittliche Monatslohn eines Cowboys betrug damals etwa 30 Dollar. Eines der ca. 60 heute noch erhaltenen Exemplare des Modells 1873 „One of One Thousand“ hat derzeit einen Sammlerwert von bis zu 125.000 Dollar. [1]

Produktionsgeschichte

Drehbuch, Beteiligte und Produktion

Fritz Lang wählte für seine gerade neu gegründete Produktionsfirma Diana Production Company als einen der Stoffe Winchester ’73, eine Geschichte von Stuart N. Lake, aus und arbeitete an der Entwicklung des Films. Laut Lang war die Haupthandlung des Filmes zu diesem Zeitpunkt folgende: „Ein Westerner verliert sein Gewehr, eine Winchester ’73, die für ihn der einzige Lebensgrund und das Symbol seiner Stärke war. Er muss diese Waffen finden oder einen neuen Grund zum Leben finden. Er muss seine verlorene Kraft wiederfinden.[2] Unter Hollywood-Produzent Walter Wanger, der u. a. bereits mit Ringo (John Ford, 1939) für Western verantwortlich war und mit Fritz Lang zuvor drei Filme produziert hatte, sollte Winchester ’73 – nach Langs Vorstellung in Technicolor[3] – realisiert werden. Stuart N. Lake verfasste bereits bis April 1946 einen Drehbuch-Rohentwurf für Winchester ’73.[3] Der 200 Seiten umfassende Entwurf wurde verworfen und Howard Dimsdale begann im Oktober desselben Jahres die Arbeit an einem völlig neuen Drehbuch. Währenddessen fiel Fritz Langs Geheimnis hinter der Tür (1948) an den Kinokassen durch, und Langs Zerwürfnis mit seinem Produzenten Walter Wanger und Probleme mit dem Vertrieb durch Universal Pictures und der Zensur führten dazu, dass Langs Verlängerung der Option auf die Idee Winchester ’73 verfiel, da er nicht rechtzeitig bis Juni 1948 ein fertiges Drehbuch vorweisen konnte. Die Rechte gingen zurück an den ursprünglichen Inhaber Universal und die Leitung des Projekts wurde vom Produzent Aaron Rosenberg übernommen, der zunächst James Stewart mit dem Projekt zusammenbrachte.[3]

James Stewart 1944 – 6 Jahre bevor er Lin McAdam in Winchester ’73 spielte.

Mit der Regie wurde nun Anthony Mann beauftragt. Stewart erinnert sich in einem Interview an die Verknüpfung Anthony Manns mit Winchester ’73 auf die Frage, ob Stewart Mann als Regisseur vorgeschlagen hätte: „Niemand von uns hatte je den Namen Anthony Mann gehört. Aber auf den Film, den er gemacht hatte – ein Western – und sie alle hatten die gleiche Reaktion. Sie sagten: ‚Das ist ein wunderschön inszenierter Film. Wenn man einen guten Western hat, dann wäre dies der richtige Mann dafür.‘“[4] Stewart hatte Mann jedoch bereits in den 1930er-Jahren beim Theater kennen gelernt.

Mann arbeitete mit Borden Chase – seinem „bevorzugten Drehbuchautor“[5] – am endgültigen Drehbuch. Die Besetzung wurde aus Vertragsschauspielern der Universal Pictures mit James Stewart in der Hauptrolle zusammengestellt. Nach drei Jahren der Vorproduktion begannen die Dreharbeiten schließlich 1949[6] unter der künstlerischen Gesamtleitung Anthony Manns und als Schwarzweißfilm in Tucson, Arizona.

Da sich die Produktion die 200.000 US-Dollar Gagenforderung des bereits bekannten Star-Schauspielers James Stewart nicht leisten konnte, griff man auf eine damals unübliche Praxis zurück: Stewart wurde prozentual an den Einspielergebnissen des Filmes beteiligt. Der überraschende Erfolg des Filmes brachte Stewart schließlich ein Einkommen von 600.000 US-Dollar für seine Mitarbeit ein.[7] In den folgenden Jahren setzte sich diese Bezahlung für Starschauspieler immer weiter durch und ist bis heute in Hollywood üblich.

Zwei Schauspieler, die später sehr erfolgreiche Hollywoodstars werden sollten, hatten ihre ersten Filmauftritte in kleinen Rollen: Tony Curtis spielt einen jungen Soldaten und Rock Hudson ist mit Schminke und Perücke als Indianer Young Bull zu sehen.

Der Film erhielt 1967 ein gleichnamiges Remake. Der amerikanische Fernsehfilm fügte Szenen hinzu, die die Vergangenheit der Hauptcharaktere erzählen. Dan Duryea, der im Original den Verbrecher Waco Johnnie Dean spielte, tritt hier als Vater der beiden verhassten Brüder auf.

Anthony Mann und James Stewart

Für den Regisseur Mann und seinen Hauptdarsteller Stewart war Winchester ’73 ein entscheidender Wendepunkt in ihren Karrieren. Für Mann war es der Aufstieg zum Regisseur von A-Filmen; für Stewart war es ein wichtiger Schritt zur Veränderung seines Images. Roger Ebert schrieb in einem Artikel zum Tode Stewarts, dass „es Mann war – mehr als jeder andere –, der Mr. Stewart in die Richtung seiner späteren Laufbahn gelenkt hatte“.[8]

Mann kam vom Theater zum Film. In den 1950ern führte er vor allem bei kostengünstigen Genrefilmen Regie, zunächst Filme des Film noir und bis Ende der 1950er vom Film noir beeinflusste Polizeifilme. Mit dem 1950 veröffentlichen Die Farm der Besessenen drehte er seinen ersten Western, der ihm auch die Regiearbeit für Winchester ’73 einbrachte. Der Erfolg dieses Filmes gab ihm die Möglichkeit, acht weitere Western zu drehen und zu einem der wichtigen Regisseure des Genres zu werden. Gleichzeitig feierte er ab den 1950ern mit Filmen verschiedenster Genres kommerzielle Erfolge.

James Stewart war bereits ein Star, als er in Winchester ’73 spielte. Nach der Arbeit am Theater wurde er in den 1930ern bekannt durch seine Mitarbeit in einer Vielzahl von Screwball-Komödien. Neben diesen prägten auch seine Hauptrollen in den Melodramen von Frank Capra Stewarts prominentes Image des American everyman[8] (deutsch: „amerikanischer Durchschnittsbürger“). Seine beachtete Teilnahme als Pilot in Kampfeinsätzen des Zweiten Weltkriegs unterstützten dieses Image des perfekten Amerikaners weiter. Seine Rollen in den Filmen von Alfred Hitchcock und Anthony Mann in den 1950ern veränderten dieses Image. Der Gewaltausbruch und die Besessenheit seiner Figur in Winchester ’73 schockierten die Zuschauer umso mehr, da er wider sein bisheriges Image spielte.[9] Auch in seinen späteren Western mit Mann waren die Figuren Stewarts ähnliche, von Besessenheit getriebene Westerner. Beinahe parallel ließ Hitchcock in seinen Filmen Stewarts Rollen immer mehr zum gebrochenen Mann werden. Diese Entwicklung der Figuren, die Stewart unter Mann und Hitchcock verkörperte, gipfelte schließlich in Hitchcocks Vertigo – Aus dem Reich der Toten (1958).

Mann drehte in den 1950er Jahren insgesamt fünf Western mit Stewart. Die schon angesprochene Ähnlichkeit der Figuren vollzieht sich hier bis zur fast identischen Inszenierung von Gewaltausbrüchen Stewarts. Über die Western hinaus übernahm Stewart auch in weiteren Filmen Manns die Hauptrolle, etwa in der Filmbiografie Die Glenn Miller Story (1953).

Rezeption

Erstaufführung

Winchester ’73 war bei seiner Erstaufführung am 12. Juli 1950 in den USA ein Box-Office-Erfolg.[3] In der TIME wurde Winchester ’73 als zweiterfolgreichster Film des Monats angegeben;[10] er war in dieser Auflistung der einzige ernste Western.

Die Kritik der TIME eröffnete mit „Winchester ’73 ist ein flotter (crisp) Western“,[11] lobte die Darsteller, vor allem die Kameraarbeit und schloss mit: „Eindrucksvoll in Schwarzweiß gefilmt, ist der Film mit einem Blick für realistische Details, einem Ohr für die oft natürlichen Dialoge des Drehbuchs und der Fertigkeit, Spannung zu erzeugen, inszeniert.“[11]

Der deutsche Filmstart vom 9. Februar 1951 wurde von der deutschen Tagespresse nicht beachtet. Die Filmseiten widmeten sich zum Großteil Retrospektiven des deutschen Films vor und nach der Zeit des Nationalsozialismus und dem damaligen Filmskandal Die Sünderin; Western wurden kaum besprochen. In einer Filmbesprechung der Filmzeitschrift Deutsche Film-Illustrierte wurden wiederum die Darsteller gelobt und der Artikel mit einem positiven Resümee beendet: „Es wird zwar ein wenig viel mit der ‚Winchester ’73’ und anderen Modellen geschossen und getötet, aber nicht so unmotiviert, grausam-dilettantisch und in altbekannter Manier, dass nicht auch ein Wildwest-Verneiner sich diesen Film mit Genuss ansehen könnte.“[12]

Spätere Rezeption, Einordnung und Einfluss

In der Nachbetrachtung wird Winchester ’73 äußerst positiv bewertet. Gelobt wird der Film in zahlreichen Besprechungen vor allem für die Filmstruktur, die Beziehungen zwischen den Charakteren, die Darsteller und die Inszenierung. Das Lexikon des Internationalen Films fasst diese Argumente in zwei Sätzen zusammen: „Ein spannender, psychologisch sehr sorgfältig fundierter Western, der bei allem Aktionsreichtum das Geschehen in ruhigen, kalkulierten Einstellungen vermittelt, die der Landschaft und den sorgsam rekonstruierten Interieurs breiten Raum lassen.“ Für die Bewertung der Schauspieler fügt das Lexikon nur ein einfaches „Ausgezeichnet gespielt“[13] hinzu.

Winchester ’73 wird in späteren Rezensionen oft als Wendepunkt des Western und Startpunkt des Edelwestern genannt. Dabei wird der Erfolg von Winchester ’73 an den Kinokassen auch immer als Beginn für die Produktion von teureren Westernfilmen genannt, der den großen Erfolg und die Wiederbelebung des amerikanischen Westerns in den 1950ern einläutete.[14] So schreiben Ulrich Gregor und Enno Patalas in ihrer ausführlichen Filmgeschichte: „[Anthony Mann] ist wie keinem anderen die Regeneration des Western zu verdanken.“[15]

Der Western hatte in den 1940er Jahren zunehmend an Bedeutung verloren und fand vor allem in einfachen „Cowboy-und-Indianer-B-Movies“ seinen Weg auf die Leinwand. Der große finanzielle Erfolg von Winchester ’73 brachte die Studios dazu, vermehrt Gelder in die Produktion von Western zu stecken und wird oft als Startpunkt der an den Kinokassen und bei Filmkritikern äußerst erfolgreichen Phase des amerikanischen Westernfilms bis in die 1960er Jahre gesehen.

Darüber hinaus sind die komplexeren Figuren und die darin mitschwingende kritischere Sicht auf die Besiedlung Amerikas und den Westernfilm an sich ein neuer Ansatz, den sich Winchester ’73 mit anderen Western dieser Zeit teilt. Die folgenden Filme – in der amerikanischen Filmgeschichte auch „adultwestern“ genannt – übernehmen zum Großteil diese Sichtweise. Der Western wurde vom einfachen Abenteuerfilm zur „Spielwiese für Fragen der Macht, Moral und Politik“[16] erhoben. Neben Manns Filmen sind es u. a. die Western von John Ford, der mit Ringo und Faustrecht der Prärie schon vor 1950 ähnliche Ansätze zeigt, die den amerikanischen Edelwestern der 1950er prägten und die Motive des Spätwestern schon vorwegnahmen.

Davon unabhängig wird Winchester ’73 auch in eine Untergruppe der Western dieser Zeit eingeordnet, die vor allem die Waffen und das Schießen thematisieren. Andere Filme dieser Gruppe wie Vera Cruz (Robert Aldrich, 1956) oder Der Scharfschütze (Henry King, 1950) enthalten ebenfalls Duelle und die Verehrung von Waffen oder zeigen das Leben besonders bekannter Schützen.

Inszenierung

Filmstruktur und Spannungslenkung

Mit „[eine] Kombination von gerader Linie und Kreis zeigt sich in der Konstruktion der Handlung von Winchester ’73“[14] beschreibt Oplustil die Haupterzählstruktur des Filmes, die sich in Lins geradlinige Verfolgung von Dutch und den Verlauf der titelgebenden Waffe aufteilt. Diese Unterscheidung von zwei Handlungsebenen nehmen die meisten Rezensenten des Films vor.

Dabei teilen sich beide Handlungsstränge auf eine große Anzahl für das Western-Genre typische Szenen und Settings auf: Saloon, Wettschießen, (Kutschen-)Verfolgungsjagd, Lagerfeuer, Wagenburg, Kavallerie, Indianerüberfall, Indianerbelagerung, Sheriff gegen Banditenbande, Pokerspiel, Banküberfall und schließlich der finale Shoot-Out Mann gegen Mann. Trotz dieser Anthologie[17] des Westernfilms und der zwei Handlungsstränge wird Winchester ’73 von Kritikern häufig große Spannung zugesprochen. Die Formalspannung (eine inhaltsunabhängige Untersuchung des Schnitte-pro-Minute-Verhältnisses eines Films; siehe Grafik unten) weist durch einige hervorstechende Höhepunkte vor allem auf die Sequenzen der Indianerangriffe und des Banküberfalls und finalen Shoot-Outs als spannend inszeniert hin. Diese Sequenzen werden auch in Besprechungen als Spannungshöhepunkte beschrieben; vor allem der finale Shoot-Out der beiden Brüder wird meist hervorgehoben. Mann wählte eine Felsformation mitten in der Wüste als Hintergrund für dieses Duell und zeigt sich erfreut, als er diesen Drehort entdeckt hatte, da die „beiden Männer […] nicht auf einem flachen Terrain miteinander [hätten] kämpfen dürfen. Beide sind zu gute Schützen, das Duell hätte nur 15 Sekunden gedauert.“[14]

Die Anzahl der Schnitte pro Minute als Schnittfrequenzgrafik. Hervorstechende Sequenzen sind markiert und inhaltlich beschrieben.

Der filmübergreifende Spannungsbogen ergibt sich bei Winchester ’73 aus der Suche von Lin nach seinem Bruder. Diese Beziehung setzt Beginn und Ende und ist „zentraler Focus“[18] des Films. Die große Anzahl von Sequenzen in der Mitte des Films, die sich nur um die Geschichte der Winchester drehen, werden immer wieder von kurzen Reiseszenen Lins unterbrochen (siehe Grafik), denn „auch wenn die Erzählung ein wenig fragmentiert ist, […] [Lin] hat die Aufgabe den Film zusammenzuhalten“.[19]

Winchester ’73 als Zeitleiste, in der zur Orientierung Filmminuten und Sequenzen angegeben sind. Die blau markierten Bereiche stellen Szenen- und Szenenfolgen dar, in denen die Hauptfigur Lin auftritt. Zusätzlich sind Stellen, die neue Informationen über die Beziehung von Lin und seinem Bruder preisgeben, und Filmschnitte, die durch eine Ab- und Aufblende über schwarzes Bild den Film aufteilen, markiert.

Zusätzlich wird Spannung dadurch erzielt, dass sich die genaue Beziehung (Lin und Dutch sind Brüder) und die Motivation von Lin (Dutch hat den gemeinsamen Vater umgebracht) erst im Laufe des Films stückweise dem Zuschauer erklärt. So erfährt der Zuschauer, nachdem er zu Beginn des Filmes keine Erklärung für die Jagd auf Dutch geboten bekommen hat, unter anderem zunächst nur, dass Lin und Dutch den gleichen Lehrer für den Umgang mit Waffen hatten; später wird dieser durch eine Fotografie als wahrscheinlicher gemeinsamer Vater enthüllt und erst kurz vor Schluss wird der Vatermord als Begründung für Lins Rachelust offenbart. Anthony Mann hat sich laut Stewart zu dieser Filmkonstruktion in Winchester ’73 mit „don’t spill the beans“[4] (deutsch: „nicht gleich alles ausplaudern“) geäußert; eine Filmkonstruktion, die Mann auch in weiteren Filmen einsetzte (z. B. in Der Mann aus Laramie, 1955, und Der Stern des Gesetzes, 1957).

Der Weg der Waffe als weiterer Handlungsstrang wird schon durch eine Texttafel am Anfang des Films deutlich. Sie verheißt, dass der folgende Film „die Geschichte der Winchester Büchse, Modell 1873“ sei. Weiter heißt es: „Dem Cowboy und dem Soldaten, dem Polizisten und dem Verfolgten war die Winchester 73 ein teurer Besitz. Und jeder Indianer hätte für dieses Gewehr seine Seele verkauft“ Dieser Fokus auf die Winchester wird auch in der Montage deutlich, so beginnt jedes der fünf durch eine Auf- und Abblende gekennzeichnete Kapitel des Filmes mit einer Nahaufnahme der Winchester. Erst mit einer Kamerafahrt wird der jeweilige Besitzer der Waffe in den Focus der Erzählung gerückt. Der Anfang des Films wird dabei jedoch durch eine Überblendung von der beschriebenen Texttafel auf die in einem Schaukasten ruhende Winchester realisiert.

Motive: Rache und Gier

Mann nutzt in seinem Film zwei Hauptmotive: Rache und Gier.[17][18] Diese für den Western typischen Motive treiben die jeweiligen Haupterzählstränge des Filmes voran. Dabei ist vor allem die Rache als Motivation der Hauptfigur in den amerikanischen Western der 1950er und 1960er (u. a. Der schwarze Falke) und stärker noch im Italowestern ab 1963 als Hauptmotiv zu finden.

Die Waffe zeigt die Gier der Charaktere und veranlasst sie zu verbrecherischen Taten wie einem kaltblütigen Mord, um sie in den eigenen Besitz zu bringen. In Movies and Methods. Vol. I wird die Winchester in Winchester ’73 als ähnlich einem „göttlichen Objekt“ beschrieben, das in einer sich verändernden Welt für etwas „Beständiges, Perfektes und Schönes“ steht und in der Art der „Waffen in der mittelalterliche Romantik“ alleine durch die Präsenz das wahre menschliche Verhalten zeigt.[20] Die Besonderheit der Sonderausgabe der Winchester, die im Film vorkommt, wird durch eine hohe Anzahl von Szenen hervorgehoben: Die Dorfbewohner bestaunen die Winchester im Schaukasten, der Sheriff stellt sie beim Duell als Hauptpreis ausgiebig vor und auch die folgenden Banditen, Indianer und Soldaten nehmen sich Zeit, die Winchester zu betrachten und zu preisen. Dabei wird die Waffe in vielen Rezensionen als eine Art MacGuffin beschrieben, der lediglich Aktionen der Personen veranlassen soll.

Die Rache als Motiv des Protagonisten Lin treibt die andere Handlungsebene voran. Diese Rache wird durch die Konstellation zweier Brüder noch verstärkt. Es ist ein Motiv, das Mann auch in seinen folgenden Western einsetzen wird. Manns rachegetriebene Protagonisten, die in den Folgefilmen mehr noch als Lin in Winchester ’73 außerhalb der Gesellschaft leben, zeigen dabei oft gleiche Charakteristika. Lin hat ein Leben in der Gesellschaft aufgegeben, um seine Rache auszuüben. Die Dauer der Suche nach Dutch wird dem Zuschauer nicht genau offenbart. Spätere Stewart/Mann-Protagonisten leben noch stärker in ihrer Vereinsamung und kämpfen nicht mehr wie Lin neben der Rache für die „gerechte Sache“. Dabei werden die negativen Aspekte der Protagonisten bei Mann durch den Vollzug oder das Ablassen von Rache am Ende des Filmes wieder zu rechtschaffenen Bürgern, denn die Kain und Abel-Motive von Manns Western (Winchester ’73, Meuterei am Schlangenfluß) […] scheinen eine Lösung deshalb zu finden, weil der Held positiv auf die geänderten Situationen reagiert“.[21]

Gewaltausbrüche

Besonders in der späteren Rezeption des Filmes wird auf den Gewaltausbruch Lins in der letzten Sequenz des Filmes eingegangen. Lin überwältigt Waco Johnny Dean dabei und „greift Deans Arm, verdreht ihn boshaft hinter dessen Rücken, und schlägt dessen Gesicht auf den Tresen, während Dean um Gnade bettelt“.[9] Der Wutausbruch, der sich darüber hinaus im Gesicht des Schauspielers Stewart deutlich zeigt, wird dabei aus einer Untersicht gefilmt und ohne Vorwarnung inszeniert. Das Verhalten des Helden, das völlig entgegen den damaligen Westernkonventionen steht, wurde also als Schockeffekt inszeniert und zeigt deutlich die negative Seite des Protagonisten, der somit Züge eines Anti-Helden annimmt. Der Gewaltausbruch wird auch in späteren Mann/Stewart-Western – oft mit einer fast identischen Inszenierung – und weiteren Mann-Filmen genutzt, um den Zwiespalt des Charakters des Hauptdarstellers offenzulegen.

Medien

Winchester ’73 wurde auf 35 mm-Schwarzweiß-Film gedreht und – mit einem Bildformat von 1,37:1 – auch 1950 in die Kinos gebracht.[22] Für die deutsche Kinoauswertung 1951 erfuhr der Film eine Synchronisation in deutscher Sprache. Siegmar Schneider spricht hier wie in über 30 weiteren deutschen Synchronisationen Stewart.

Ab den 1970er Jahren wurde der Film in Deutschland häufig von verschiedenen Fernsehsendern (unter anderem ZDF, Bayerisches Fernsehen und kabel eins) ausgestrahlt. Eine Auswertung auf VHS und DVD folgte. Für die Laserdisc-Veröffentlichung des Heimvertriebs von Universal wurde ein Audiokommentar in Form eines Interviews mit James Stewart produziert. Dieser einzige Audiokommentar Stewarts wurde ebenfalls auf nachfolgenden DVD-Veröffentlichungen integriert.

Auszeichnungen

Die Writers Guild of America nominierte in ihrer dritten Auszeichnungs-Gala 1951 das Drehbuch von Robert L. Richards und Borden Chase in der Kategorie des besten Drehbuchs für einen Westernfilm. Winchester ’73 verlor jedoch gegen Der gebrochene Pfeil (Delmer Daves, 1950) nach einem Drehbuch von Albert Maltz, der ebenfalls James Stewart in der Hauptrolle hatte.[23] Das American Film Institute hat in seiner Liste zur Nominierung der „besten amerikanischen Filme aller Zeiten“ Winchester ’73 auf Rang 578 platziert.[24]

Einzelnachweise

  1. a b Boorman, Dean K.:Die Waffen von Winchester. Motorbuch-Verlag. Erste Auflage 2003, Seite 38, ISBN 3-7276-7141-6
  2. a b Grant, Barry Keith (Hrg.): Fritz Lang: Interviews. University Press of Mississippi, Jackson 2003, Seite 57 ISBN 1-57806-577-1
  3. a b c d e Bernstein, Matthew: Walter Wanger. Hollywood independent. University of Minnesota Press, Minneapolis 2000, S. 207ff, ISBN 0-8166-3548-X
  4. a b c Lindenschmidt, Paul: Interview with James Stewart. In: Winchester ’73. Universal DVD. 1989
  5. a b George Seeßlen, Claudius Weil: Grundlagen des populären Films 1: Western-Kino. Geschichte und Mythologie des Western-Films. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg. 1979
  6. a b Weniger, Kay (Hrg): Das große Personenlexikon des Films. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001. Lemma: Anthony Mann, ISBN 978-3-89602-340-7
  7. a b O’Hanlon-Lincoln, Ceane: County Chronicles, Volume II: A Vivid Collection of Pennsylvania Histories. Mechling Bookbindery: Chicora 2006, Seite 9, ISBN 0-9760563-4-8
  8. a b c Ebert, Roger: Screen icon James Stewart dies. In: Chicago Sun-Times 3.7.1997. (online)
  9. a b c Yoggy, Gary A.: Back in the Saddle: Essays on Western Film and Television Actors. McFarland & Company, 1999. Seite 103, ISBN 0-7864-0566-X
  10. a b Time. 21.08.1950
  11. a b c Time. August 19.07.1950
  12. a b Bl., Th.: Winchester ’73. In: Deutsche Film-Illustrierte. Heft 25 1951
  13. a b Brühne, Klaus (Hrg): Lexikon des internationalen Films. rororo, Reinbek 2002. Lemma: Winchester 73
  14. a b c d Oplustil, Karlheinz: Winchester ’73. In: Bernd Kiefer / Norbert Grob (Hrg.): Filmgenres. Western. Ditzingen: Reclam 2003
  15. a b Gregor, Ulrich/Patalas, Enno: Geschichte des Films 2. 1940-1960. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1976
  16. a b Koebner, Thomas (Hrg.): Filmgenres. Western. Reclam, Stuttgart 2003, Seite 36, ISBN 3-15-018402-9
  17. a b c Nettelbeck, Uwe: Winchester ’73. In: Filmkritik. Heft 4. 1965 (9. Jg.)
  18. a b c Loy, R. Philip: Westerns in a Changing America. 1955-2000. 2004, S. 39
  19. a b Frazer, Bryant: WINCHESTER ’73 [A-] (Mann, 1950). Auf: Deep-Focus. Abgerufen am 7.12.2003 (online)
  20. a b Nichols, Bill (Hrg.): Movies and Methods. Vol. I. University of California Press: Berkley und Los Angeles, 1976, S. 159
  21. a b Nichols, Bill (Hrg.): Movies and Methods. Vol. II. 1985, S. 176
  22. a b o.A.: Technical Specifications for Winchester ’73. Auf: imdb.com. Abgerufen am 20.10.2006 (online)
  23. a b o.A.: Writers Guild Awards. Past Winners. Auf: wga.org. Abgerufen am 1.11.2006 (online)
  24. a b o.A.: AFI 100 Greatest American Movies of All Time Nominees. Auf: films101.com. Abgerufen am 1.11.2006 (online)

Literatur

  • Jim Kitses: Horizons West - Directing the Western from John Ford to Clint Eastwood. London: British Film Institute 2004. Seite 139-171, ISBN 1-84457-050-9 (Analyse der Figuren, Themen und Inszenierungsstrategien in Anthony Manns Western)
  • Karlheinz Oplustil: Winchester ’73. In: Bernd Kiefer / Norbert Grob (Hrg.): Filmgenres. Western. Reclam, Ditzingen 2003, ISBN 3-15-018402-9 (Kurzanalyse von Winchester ’73)

Weblinks


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