Wolfdietrich Schnurre

Wolfdietrich Schnurre

Wolfdietrich Schnurre (* 22. August 1920 in Frankfurt am Main; † 9. Juni 1989 in Kiel) war ein deutscher Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wolfdietrich Schnurre verbrachte die ersten Jahre seines Lebens in Frankfurt am Main. 1928 zog er mit seinem Vater Otto Schnurre, einem Bibliothekar und bekannten Ornithologen aus dem Umfeld von Oskar Heinroth, nach Berlin, wo er eine sozialistische Volksschule und danach ab 1935 ein humanistisches Gymnasium besuchte. Von 1939 bis 1945 nahm er als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil. Nach dem Kriegsende kehrte er aus Westfalen, wohin er im April 1945 geflohen war, nach Berlin zurück. Anfangs lebte er in Ost-Berlin und wurde zunächst Redaktionsvolontär beim Ullstein Verlag, nach dem Verbot des sowjetischen Kulturoffiziers, in westlichen Zeitschriften zu publizieren, wechselt er jedoch 1946 nach West-Berlin. In den folgenden Jahren arbeitete er als Theater- und Filmkritiker für die „Deutsche Rundschau“ und andere Berliner Zeitungen.

Seit 1950 war er freier Schriftsteller. Schnurre war 1947 Mitbegründer der Gruppe 47 und Mitglied des P.E.N.-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland, aus dem er 1962 aus Protest gegen dessen Schweigen zum Bau der Berliner Mauer austrat. 1964 erkrankte Schnurre an einer schweren Polyneuritis. 1965 nahm sich seine erste Ehefrau Eva, geborene Mertz, das Leben. Seit 1966 war er mit der Graphikerin Marina, geborene Kamin, verheiratet. Gemeinsam adoptierten sie einen kleinen Jungen. In den letzten Jahren seines Lebens lebte er in Felde in der Nähe von Kiel. Die Grabstätte befindet sich auf dem Waldfriedhof Zehlendorf, seit November 2010 ist es ein Ehrengrab des Landes Berlin.

Werk

Wolfdietrich Schnurre war ein bedeutender Erzähler und Lyriker der westdeutschen Nachkriegsliteratur. Neben zahlreichen Kurzgeschichten verfasste er auch Romane, Fabeln, Tagebücher, Gedichte, Hörspiele und seit Mitte der 1960er Jahre Kinderbücher, die er teilweise selbst illustrierte. Sehr bekannt wurde seine Zigeunergeschichte Jenö war mein Freund von 1958, die das öffentliche Tabu brach, das bis weit in die 1960er in Westdeutschland in Bezug auf den Porajmos herrschte; auch sie hat er selbst illustriert.[1]

Schnurre, der seit 1959 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt war, erhielt 1958 den Preis Junge Generation zum Fontane-Preis der Stadt Berlin, 1959 den Immermann-Preis, 1962 den Georg-Mackensen-Literaturpreis, 1981 das Bundesverdienstkreuz, 1982 den Literaturpreis der Stadt Köln, 1983 den Georg-Büchner-Preis und 1989 den Kulturpreis der Stadt Kiel.

Seine Kurzgeschichte Das Begräbnis war der erste Text, der beim Gründungstreffen der Gruppe 47 im September 1947 gelesen wurde.

Werke

  • Das Begräbnis, 1946
  • An die Harfner, 1948
  • Reusenheben, 1949
  • Rettung des deutschen Films, Stuttgart 1950
  • Die Rohrdommel ruft jeden Tag, Witten 1950
  • Das Manöver, 1952
  • Sternstaub und Sänfte, Berlin-Grunewald 1953
  • Die Blumen des Herrn Albin, Frankfurt 1955
  • Kassiber, Frankfurt 1956
    • darin: Kulisse
  • Abendländler, München 1957
  • Ein folgenschwerer Unglücksfall, 1957
  • Protest im Parterre, München 1957
  • Als Vaters Bart noch rot war, Zürich 1958
    • darin: Jenö war mein Freund.
  • Barfussgeschöpfe. Steinklopfer, Fürstenfeldbruck 1958
  • Eine Rechnung, die nicht aufgeht, Olten 1958
  • Anaximanders Ende, Berlin 1958
  • Der Verrat,1958
  • Steppenkopp, Stierstadt 1958
  • Die Zwerge, 1958
  • Das Los unserer Stadt, Walter, Olten 1959
  • Man sollte dagegen sein, Olten 1960
  • Die Aufzeichnungen des Pudels Ali, 1962
  • Berlin - eine Stadt wird geteilt, Olten 1962
  • Die Mauer des 13. August, Berlin 1962
  • Funke im Reisig, Olten 1963
  • Die Gläsernen, Paderborn 1963
  • Ohne Einsatz kein Spiel, Olten 1964
  • Schreibtisch unter freiem Himmel, Olten 1964
  • Die Tat, Lübeck 1964
  • Kalünz ist keine Insel, Zürich 1965
  • Die Erzählungen, Olten 1966
  • Das Schwein, das zurückkam, Zürich 1967
  • Spreezimmer möbliert, München 1967
  • Was ich für mein Leben gern tue, Neuwied 1967
  • Die Zwengel, Baden-Baden 1967
  • Rapport des Verschonten, Zürich 1968
  • Ein Schneemann für den großen Bruder, München 1969 (mit Marina Schnurre)
  • Gocko, München 1970 (mit Marina Schnurre)
  • Richard kehrt zurück, Zürich 1970
  • Die Sache mit den Meerschweinchen, Recklinghausen 1970 (mit Marina Schnurre)
  • Schnurre heiter, Olten 1970
  • Die Wandlung des Hippipotamos, Reutlingen 1970
  • Immer mehr Meerschweinchen, Recklinghausen 1971 (mit Marina Schnurre)
  • Der Spatz in der Hand, München 1971
  • Wie der Koala-Bär wieder lachen lernte, Zürich 1971 (mit Marina Schnurre)
  • Der Meerschweinchendieb, Recklinghausen 1972
  • Ich frag ja bloß, München 1973
  • Schnurren und Murren, Recklinghausen 1974
  • Der wahre Noah, Zürich 1974
  • Eine schwierige Reparatur, Düsseldorf 1976
  • Ich brauch dich, München 1976
  • Klopfzeichen, Gütersloh 1978
  • Der Schattenfotograf, München 1978
  • Erfülltes Dasein, Düsseldorf 1979
  • Kassiber und neue Gedichte, München 1979
  • Ein Unglücksfall, München 1981
  • Gelernt ist gelernt, Frankfurt 1984
  • Emil und die Direktiven, Frankfurt 1985
  • Mein Leben als Zeitgenosse, Stuttgart 1987
  • Zigeunerballade, Berlin 1988
  • Weihnachts-Schnurren, Leipzig 1988
  • Verkehrszeichen, Bamberg 1991 (mit Werner Kohn)
  • Als Vater sich den Bart abnahm, Berlin 1995
  • Die Prinzessin kommt um vier, Berlin 2000 (mit Rotraut Susanne Berner)
  • Kasimir hat einen Vogel, Berlin 2000 (mit Manfred Bofinger)
  • Doddlmoddl, Berlin 2003 (mit Egbert Herfurth)
  • Dreimal zur Welt gekommen. Ausgewählte Erzählungen, Neumünster 2008, Paranus Verlag (Vorwort Günter Kunert) ISBN 978-3-940636-01-0
  • Die besten Geschenke der Welt. Eine Weihnachtsgeschichte, Bloomsbury, Berlin 2010 ISBN 978-3-8270-5420-3

Literatur

  • Mathias Adelhoefer: Wolfdietrich Schnurre: ein deutscher Nachkriegsautor. Centaurus, Pfaffenweiler 1990, ISBN 3-89085-441-9.
  • Iris Bauer: „Ein schuldloses Leben gibt es nicht“ – das Thema „Schuld“ im Werk von Wolfdietrich Schnurre. Igel, Paderborn 1996, ISBN 3-89621-041-6.
  • Katharina Blencke: Wolfdietrich Schnurre: eine Werkgeschichte. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2003, ISBN 3-631-51259-7.
  • Katharina Blencke: Wolfdietrich Schnurres Nachlaß: Katalogisierung, Systematisierung und Darstellung der Werkgeschichte. Igel, Paderborn 1993, ISBN 3-927104-51-5.
  • Peter Dörp: Wolfdietrich Schnurre: Ein Fall für Herrn Schmidt. Kurzgeschichte. Hörspiel. Fernsehspiel mit Materialien. Klett, Stuttgart 1986, ISBN 3-12-261350-6.
  • Rainer Lambrecht: Wolfdietrich Schnurres „Kassiber“. Bouvier, Bonn 1980, ISBN 3-416-01458-8.
  • Hilke Möller: Thränen-Samen und Steckdosenschnauze. Universität, Zürich 1975 (Dissertation).
  • Ian Roberts: Eine Rechnung, die nicht aufgeht. Lang, Frankfurt am Main u. a. 1997, ISBN 3-631-31120-6 (englisch).
  • Daniela Schwardt: „Fabelnd denken“ – zur Schreib- und Wirkungsabsicht von Wolfdietrich Schnurre. Igel, Oldenburg 1999, ISBN 3-89621-094-7.
  • Ilse-Rose Warg: „Doch ich krümm mich um alles, was lebt“ – Wolfdietrich Schnurres lyrisches Schaffen. Lang, New York u. a. 1993, ISBN 0-8204-1973-7.
  • Ilse-Rose Warg (Hrsg.): Er bleibt dabei: Schnurre zum 75.; Erinnerungen und Studien. Igel, Paderborn 1995, ISBN 3-89621-002-5.

Weblinks

Notizen

  1. wieder in: Jenö war mein Freund. Geschichten. Mit 3 Zeichnungen. Hirschgraben, Frankfurt 1960; häufige Neuausgabe in Schul-Anthologien; auch in Adalbert Keil Hg.: Die Prophezeiung. Zigeunergeschichten. Reihe: Goldmanns Gelbe TB #1622. München 1965. S. 9 - 12 (Anthologie, zuerst Kurt Desch, ebd. 1964). Schnurre selbst teilt und verbreitet darin Vorurteile, wie Mona Körte zeigt: Online

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