Wortgruppenlexem

Wortgruppenlexem
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Lexem (von griech. lexis „Wort“) ist ein Fachausdruck der Semantik, der eine Gruppe syntaktischer Wörter bezeichnet, die sich wesentliche Merkmale wie Grundbedeutung und Wortart teilen. So gehören z. B. die verschiedenen Flexionsformen eines Substantivs oder Verbs zum selben Lexem (singen, singt, singst = ein Lexem; singen, Sänger = zwei Lexeme).

Ein Lexem ist des Weiteren eine unabhängige Einheit des Wortschatzes im Lexikon (Wortschatzelement oder lexikalische Einheit). Daher bekommen Wörter wie singen, singt, singst einen gemeinsamen Eintrag im Wörterbuch, singen und Sänger jedoch jeweils einen eigenen.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Lexeme bilden die Bausteine des Wortschatzes, des Lexikons einer Sprache, sind lexikalische Einheiten, genauer „alle Elemente der Lexik, die als Bezeichnungs- und Bedeutungseinheiten in festen strukturellen Beziehungen stehen“[1]. Lexeme haben eine semantische Bedeutung, die sie „auf bestimmte Gegenstände oder Erscheinungen der außersprachlichen Wirklichkeit bezogen“[2] sein und als „Träger der begrifflichen Bedeutung“[3] erscheinen lässt.

Diese semantische Perspektive und ihre lexikographische Anwendung lässt zwischen der Bedeutung des Lexems im Sinne einer Einheit der Wortform (Wortgruppe, Wortbestandteil) in Verbindung mit nur einer Bedeutung und Lesart oder in Verbindung mit mehreren Lesarten unterscheiden. Mit anderen Worten: man kann nur im Fall der Eindeutigkeit oder auch im Fall einer Mehrdeutigkeit von einem Lexem sprechen[4].

Von einer lexikalischen Einheit lässt sich nur bei einer relativen Konstanz der Bedeutung sprechen. Dies wird je nach semantischer Theorie im Einzelnen mit der Notwendigkeit der Kontextunabhängigket der Bedeutung[5], einer „relativ geschlossene(n) Bedeutung“[6] und des Bestehens fester struktureller Beziehungen[7], „im semantischen System einer Sprache“[8] und der Zugehörigkeit zur „Langue-Ebene“[9] umschrieben. Dabei ist jedoch der dynamische Charakter auch lexikalischer Bedeutung zu beachten.

Unter dem historischen Einfluss des Strukturalismus werden (je nach linguistischer Schulzugehörigkeit) trotz der semantischen Einbettung des Terminus Lexem spezifisch semantische Fragen vielfach ausgeblendet und der Blick auf die Abstraktheit des Lexems von den konkreten Wortformen gelenkt. Lexeme erscheinen so als mehr morphologische Kategorie (siehe auch die englische wikipedia-Seite). Eine morphologische Reduktion dürfte jedoch die Antwort darauf schuldig bleiben, woher die Berechtigung zu einer abstrakten Einheitsbildung, zur Bildung eines Paradigmas kommt. In terminologischer Harmonisierung kann man einerseits von einem (auch) semantischen und andererseits von einem (nur oder überwiegend) morphologischen Lexembegriff sprechen.

Unabhängig von diesen grundsätzlichen und Richtungsfragen ist die Abstraktheit des Lexems von den konkreten Wortformen wesentlich. Dabei ist unter Abstraktheit gemeint, dass das Lexem sich in unterschiedlichen Wortformen konkretisiert und diese repräsentiert.

In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Abstraktheit von den grammatischen Wörtern, Dabei sind grammatische Wörter Wortformen, die die gleiche Bedeutung aufweisen, aber sich in den morphosyntaktischen Eigenschaften unterscheiden, also Wortformen aus einem Flexionsparadigma. So sind Traum (Nominativ/Dativ/Akkusativ Singular), Traums (Genitiv Singular), Träume (Nominativ/Genitiv/Akkusativ Plural) und Träumen (Dativ Plural) grammatische Wörter zum selben Lexem TRAUM.

Unabhängig von der Theorie grammatischer Wörter werden als Beispiele für Lexeme und ihrer Abstraktion von konkreten Wortformen unter anderem genannt:

(1) Lexem = SCHREIB- in: „schreiben“, „schriebst“, „schrieben“[10]

(2) Lexem = FLIEG- in: „fliegen“, „Fliege“, „Flieger“[11]

(3) Lexem = SINGEN in: „singe, singst, singt, singen, sang, sänge, gesungen ...“ aber auch in „Gesang, sangbar, vorsingen“[12].

(4) Lexem = GEBEN in: „gebe, gibst, gibt, gebt, geben, gab, gabst, gaben, gäbe, gäbest, gäbet, gäben, gegeben, gib“

Abgrenzungen

Wort

Als Synonym für Lexem wird vielfach Wort angegeben[13] und es heißt, statt vom Wort spreche die Semantik von Lexem[14].

Durch den Terminus Lexem emanzipiert sich die Semantik allerdings von dem vagen und semantisch betrachtet äußerlichen Wortbegiff.

Der Begriff des Lexems kann den Begriff des Wortes sowohl „nach oben“ als auch „nach unten“ durchbrechen.

Wohl mehr aus lexikographischen Gründen steht dabei die Möglichkeit im Vordergrund, dass auch ganze Wortgruppen (Phrasen) ein einziges Lexem bilden können. Dies unter der Voraussetzung, dass „sie eine nicht auflösbare semantische Einheit bilden“[15]. (Beispiel: ins Gras beißen; jemandem auf den Schlips treten (in idiomatischer Bedeutung)[16].

Aber auch Wortbestandteile kommen als Lexeme in Betracht, „wenn sie eine eigenständige Bedeutung oder Funktion im Aufbau von Wortformen haben“[17]. (Beispiel: „un, be, geh, bar“ im Adjektiv „unbegehbar“)[18].

Morphem

Bezeichnet man eine kleinste bedeutungstragende sprachliche Einheit als Morphem, so ist ein Lexem ein lexikalisches Morphem im Gegensatz zu einem (nur) grammatikalischem Morphem.

Monem

In der speziellen Terminologie von André Martinet und seiner Schüler ist das Lexem eine „lexikalische(.) Einheit(..), die durch ein einziges Monem gebildet“ wird[19], ein lexikalisches Monem im Gegensatz zum Morphem (dann im engeren Sinn) als grammatikalisches Monem.

Lemma (Zitierform)

Das Lemma ist der Eintrag, das einzelne Stichwort in einem Wörterbuch oder Lexikon. Es ist die lexikographische Zitierform (Name) eines Lexems, die üblicherweise nach bestimmten Konventionen gebildet wird (z. B. im Deutschen und bei wikipedia für Nomen die Verwendung des Nominativ Singular).

Sem und Semem

Sem nennt man (mitunter) in der semantischen Komponentenanalyse die kleinste Bedeutungseinheit. Ein Lexem besteht nach dieser Terminologie also aus einem oder mehreren Semen.

Die Abgrenzung vom Begriff Semem hängt davon ab, was man unter einem Semem versteht (siehe Semem).

Arten

Simplex (Grundwort)

Ein einfaches Lexem heißt Simplex (auch: Grundwort; Einzelwortlexem[20]). Das Simplex ist weder abgeleitet noch zusammengesetzt und kann als Ausgangspunkt weiterer Wortbildungen dienen.

Beispiel: „gehen“ ist Simplex von eingehen, abgehen, Ausgang und Vergehen

Paralexem

Ein Paralexem (griech. para 'bei', lexis 'Wort') (auch: Mehrwortlexem)[21]) bildet in der Sprachwissenschaft den Gegensatz zu einem einfachen Lexem, welches auch zur Unterscheidung als Simplex bezeichnet wird. Im Unterschied zum Simplex ist ein Paralexem das Ergebnis einer Zusammenrückung bzw. einer Zusammensetzung (Kompositum) mehrerer Wörter (siehe auch: Wortbildung).

Beispiele: dt. der Gott-sei-bei-uns, frz. arc-en-ciel 'Regenbogen'

Wortgruppenlexem

Das Wortgruppenlexem wiederum ist ein Paralexem, welches sich ebenfalls aus mindestens zwei lexikalischen Einheiten zusammensetzt, welche jedoch zusammen einen Eintrag im Lexikon bilden. (Siehe auch : Phraseologismus) Wortgruppenlexeme sind „semantisch unauflösbare, lexikalisierte Wortgruppen“[22].

Beispiele: in Anspruch nehmen, instand setzen, gang und gäbe.

Archilexem

Mit terminologischer Beliebigkeit und in Abhängigkeit von terminologischen Schulen wird statt klassisch vom Oberbegriff auch vom Hyperonym (Lyons) oder von Archilexem (Coseriu, Pottier) gesprochen.

Archilexem ist eine Wortschöpfung, die ein Lexem bezeichnet, „dessen Inhalt mit dem eines ganzen Wortfeldes identisch ist“ (Coeseriu[23]) und somit Bestandteil des Inhalts aller zum Wortfeld gehörigen Lexeme ist[24].

Ein Archilexem ist „die lexikalische Realisierung eines Archisemems“[25], das aus einem oder mehreren Semen bestehen kann.

„Das Archilexem vertritt in Texten oft die ihm untergeordneten Lexeme und fungiert in aller Regel bei der Definition bzw. (lexikographisch) Bedeutungserklärung als Genus proximum (Hyperonym)“[26]. Der Inhalt eines Gliedes des Wortfeldes ergibt sich aus Archilexem plus differentieller Bedeutung[27]

Das Archilexem als Oberbegriff der Feldglieder eines Wortfeldes steht zu diesen in hyponomischen Verhältnis, d.h. sie sind Hyponyme von ihm[28] oder mit anderen Worten: „Archilexem und Lexem stehen zueinander im Verhältnis der Inklusion.“[29]

Nicht immer ist ein Archilexem lexikalisch realisiert.

Relationen

Lexeme treten semasiologisch untereinander in Wechselbeziehungen: Multisemie, Homonymie, Bisemie und Polysemie

Siehe auch oben: Archilexem.

Lexeme in der Informatik

Im Bereich des Compilerbaus sind Lexeme Folgen von lexikalischen Atomen. Lexeme sind also syntaktische Atome oder Symbole.

Literatur

  • Laurie Bauer: Introducing Linguistic Morphology. Edinburgh University Press, Edinburgh 2003, ISBN 0-87840-343-4
  • Helmut Glück (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache, 3. Aufl. (2005), Metzler, Stuttgart. ISBN 3-476-02056-8
  • Joachim Mugdan: Morphological Units. In: Ronald E. Asher (Hrsg.): The Encyclopedia of Language and Linguistics. Pergamon Press, Oxford 1994, ISBN 0-08-035943-4
  • Clemens-Peter Herbermann: Wort, Basis, Lexem und die Grenze zwischen Lexikon und Grammatik. Fink, München 1981, ISBN 3-7705-1862-4
  • Clemens-Peter Herbermann: Das Wort als lexikalische Einheit. In: D. Alan Cruse et al. (eds.): Lexikologie. de Gruyter, Berlin/New York 2002 (HSK 21.1.), ISBN 3-11-011308-2
  • Brandt/Dietrich/Schön, Sprachwissenschaft, 2. Aufl. (2006), S. 136
  • Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002)/Lexem
  • Crystal, David, Die Cambridge-Enzyklopädie der Sprache (1993), S., 104
  • de Sivers, Wort, in: Martinet, (Hrsg.), Linguistik (1973), S. 185
  • Kühn, Lexikologie (1994), 21
  • Puppier, Paul, Lexikon, in: Martinet, André (Hrsg.), Linguistik (1973), S.136
  • Schwarze/Wunderlich, Einleitung, in: Schwarze/Wunderlich, Handbuch der Lexikologie (1985), S. 7 (9)
  • Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Lexem

Siehe auch

Quellen

  1. Kühn, Lexikologie (1994), 1
  2. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Lexem
  3. dtv-Brockhaus (1992)/Lemma
  4. Vgl. Haderlein, in: Langer/Schnorbusch, Semantik (2005), S. 21
  5. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Lexem
  6. Kühn, Lexikologie (1994), 1
  7. Kühn, Lexikologie (1994), 1
  8. Dürr/Schlobinski, Deskriptive Linguistik (2006), S. 298
  9. Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002)/Lexem
  10. Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. Aufl. (2002)/Lexem
  11. Brandt/Dietrich/Schön, Sprachwissenschaft, 2. Aufl. (2006), S. 136
  12. Glück, Lexem, in: Metzler-Lexikon Sprache, 3. Aufl. (2005))
  13. So etwa Glück, Lexem, in: Metzler-Lexikon Sprache, 3. Aufl. (2005)
  14. Crystal, David, Die Cambridge-Enzyklopädie der Sprache (1993), S. 104
  15. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Lexem
  16. Schwarze/Wunderlich, Einleitung, in: Schwarze/Wunderlich, Handbuch der Lexikologie (1985), S. 7 (9))
  17. Schwarze/Wunderlich, Einleitung, in: Schwarze/Wunderlich, Handbuch der Lexikologie (1985), S. 7 (9)
  18. Schwarze/Wunderlich, Einleitung, in: Schwarze/Wunderlich, Handbuch der Lexikologie (1985), S. 7 (9)
  19. Puppier, Paul, Lexikon, in: Martinet, André (Hrsg.), Linguistik (1973), S. 36
  20. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Lexem
  21. Haderlein, Semantik (2005), S. 17
  22. Ulrich, Linguistische Grundbegriffe, 5. Aufl. (2002)/Lexem
  23. zitiert nach Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch, 4. Aufl. (1984)/Archilexem
  24. Rehbock, Archilexem, in: Metzler-Lexikon Sprache, 3. Aufl. (2005)
  25. Pelz, Linguistik (1996), S. 195
  26. Prechtl, Abstraktion, in: Metzler-Lexikon Sprache, 3. Aufl. (2005)
  27. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch, 4. Aufl. (1984)/Archilexem
  28. Pelz, Linguistik (1996), S. 196
  29. Lewandowski, Linguistisches Wörterbuch, 4. Aufl. (1984)/Archilexem

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