Wüstenvater

Wüstenvater
Paolo Uccello, Episoden aus dem eremitischen Leben

Die Wüstenväter lebten in der christlichen Spätantike als Mönche und Einsiedler in der Einsamkeit der Wüste.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge

Der Rückzug in die Wüste begann Ende des 3. Jahrhunderts nach Chr. im Osten des Römischen Reiches mit Menschen, die während der Christenverfolgung unter der Tetrarchie Diokletians und seiner Mitregenten und auch noch später die Dörfer und Städte Ägyptens verließen und sich vor allem in der Sketischen Wüste, der Wüste Nitria und der Kellia, aber auch in den Wüsten Palästinas und Syriens niederließen. Der erste dieser Anachoreten war wahrscheinlich Antonius der Große (vielleicht 251–356), während das gemeinschaftliche Mönchtum, das Koinobitentum, von Pachomios (292–346) in Oberägypten begründet wurde.

Schriftliche Überlieferungen

In der einsamen Askese verfolgten die Wüstenväter (abba) und bald darauf auch die wenigen Mütter (amma) der Wüste den Weg des ora et labora, des Betens und Arbeitens, sowie der hesychia, des inneren Friedens. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass viele derer, die in die Wüste gingen, jämmerlich scheiterten und in Verzweiflung, Wahnsinn und körperlichem Zerfall zugrunde gingen. Die, die den Anforderungen der Wüste gewachsen waren, hatten als Zeugen eines radikalen christlichen Lebens zahlreiche Schüler, die durch ihre Aussprüche oder Apophthegmata Patrum, in denen sich biblische Weisheit mit menschlichem Scharfsinn verbanden, der christlichen Askese teilhaftig wurden. Neben der von Athanasios, dem Bischof von Alexandria, verfassten Lebensbeschreibung des Antonius, der eher legendarisch zu bewertenden Vita des Paulus Eremita von Hieronymus und der Historia Lausiaca von Palladios bleiben die verschiedenen mit dem Gattungsbegriff Apophthegmata Patrum bezeichneten Apophthegmen-Sammlungen die wichtigsten Quellen zum Studium der geistigen Kraft und Spiritualität jener Asketen.

Wirkungsgeschichte

Mit dem Leben der Wüstenväter beschäftigten sich Malerei (u. a. Sassetta, Paolo Uccello, Hieronymus Bosch und Matthias Grünewald), Literatur (u. a. Gustave Flaubert und Anatole France) und Musik (u. a. Paul Hindemith und Ottorino Respighi), wo bei allerdings bisweilen pittoresk und folkloristische Aspekte überwiegen, so in der Darstellung romantischer Wüstenlandschaften sowie von Versuchungen, Monstern und Dämonen.

Im Zuge der Auseinandersetzung mit fernöstlicher Spiritualität kam es in den letzten Jahren zu einer Wiederentdeckung der Wüstenväter als Lehrer christlicher Meditation und spiritueller Psychologie, gefördert unter anderem durch die populären Werke von Anselm Grün. Daniel Hell, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, stellt die Wüstenväter sogar als ausgezeichnete Therapeuten im Sinne moderner Psychotherapie dar.

Weitere Wüstenväter

Wüstenmütter

Es gab niemals Wüstenmütter, sie sind eine Erfindung christlicher Legendenerzähler.

Theologen der Wüste

Literatur

Quellen

Apophthegmata

  • Bonifaz Miller: Weisung der Väter. Apophthegmata Patrum, auch Gerontikon oder Alphabeticum genannt, Trier 1986
  • Jean-Claude Guy: Les Apophtegmes des Pères. Collection systématique. Chapitres I-IX, Paris 1993 (= Sources Chrétiennes 387)
  • Lucien Regnault: Les sentences des pères du désert, 5 Bände, Solesmes, Sablé-sur-Sarthe 1966-1985

Antonius

  • Athanase d’Alexandrie: Vie d’Antoine, hg. vom G.J.M. Bartelink, Paris 1994 (= Sources Chrétiennes 400)
  • Des heiligen Athanasius Leben des Heiligen Antonius, hg. von H. Mertel, Bibliothek der Kirchenväter Bd. 31, München 1917 (auch online bzw. als. rtf).
  • Athanasius, Vita Antonii, hg. von A. Gottfried, Graz 1987
  • Antonios der Grosse. Stern der Wüste, hg. von H. Hanakam, Freiburg i.B. 1989
  • Saint Antoine. Lettres, hg. A. Louf, Bégrolles en Mauges 1976 (= Spiritualité Orientale 19)

Weitere Väter

  • Palladius, Historia Lausiaca. Die frühen Heiligen in der Wüste, hg. und übers. von J. Laager, Zürich 1987
  • Mönche im frühchristlichen Ägypten. (Historia Monachorum in Aegypto), aus dem Griechischen übersetzt, eingeleitet und erklärt von S. Frank, Düsseldorf 1967
  • Evagrios Pontikos. Briefe aus der Wüste, Hg. G. Bunge, Trier 1986 (= Sophia 24)
  • Johannes Cassian Gott suchen. Sich selbst erkennen. Einweisung in das christliche Leben, Hg. G. und Th. Sartory, Freiburg 1993
  • Lettres des Pères du Désert, Hg. B. Outtier, A. Louf, M. van Parys, Cl.-A. Zirnheld, Bégrolles en Mauges 1985 (= Spiritualité Orientale 42)

Sekundärliteratur

  • Emma Brunner-Traut: Die Kopten. Leben und Lehre der frühen Christen in Ägypten, Köln 1982
  • Derwas J. Chitty: The desert a city. An Introducion to the Study of Egyptian and Palestinian Monasticism under the Christian Empire, London 1977
  • Franz Dodel: Das Sitzen der Wüstenväter. Eine Untersuchung anhand der Apophthegmata Patrum, Freiburg-Schweiz 1997 (= "Paradosis" 42)
  • Franz Dodel: Weisung aus der Stille. Sitzen und Schweigen mit den Wüstenvätern, Zürich / Düsseldorf 1999
  • Albert Gerhards und Heinzgerd Brakmann (Hg.): Die koptische Kirche. Einführung in das ägyptische Christentum, Stuttgart 1993
  • Anselm Grün: Der Umgang mit dem Bösen. Der Dämonenkampf im alten Mönchtum, Münsterschwarzbach 1980 (= Münsterschwarzacher Kleinschriften 6)
  • Antoine Guillaumont: Aux origines du monachisme chrétien, Bégrolles en Mauges 1979 (= Spiritualité Orientale 30)
  • William Harmless: Desert Christians. An Introduction to the Literature of Early Monasticism, University Press Oxford 2004.
  • Daniel Hell: Die Sprache der Seele verstehen. Die Wüstenväter als Therapeuten, Freiburg im Breisgau ⁶2005
  • Karl Heussi: Der Ursprung des Mönchtums, Tübingen 1936 [Nachdruck 1981]
  • Heinrich Holze: Erfahrung und Theologie im frühen Mönchtum. Untersuchungen zu einer Theologie des monastischen Lebens bei den ägyptischen Mönchsvätern, Johannes Cassian und Benedikt von Nursia, Göttingen 1992 (= Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 48)
  • Jacques Lacarriere: Les Hommes ivres de Dieu, Paris 1983
  • Fairy von Lilienfeld: Spiritualität des frühen Mönchtums, Erlangen 1988 (= Oikonomia 18)
  • Uta Ranke-Heinemann: Das frühe Mönchtum, Essen 1964
  • Lucien Regnault: La vie quotidienne des pères du désert, [Paris] 1990
  • Lucien Regnault: Les pères du désert à travers leurs apophthegmes, Solesmes 1987
  • Gertrude und Thomas Sartory: Lebenshilfe aus der Wüste. Die alten Mönchsväter als Therapeuten, Freiburg i.Br. 1992
  • Michael Schneider: Aus den Quellen der Wüste, Köln 1989
  • Peter H. Görg: Die Wüstenväter - Antonius und die Anfänge des Mönchtums. Augsburg 2008

Bildbände

  • Alain und Evelyne Chevillat: Moines du désert d’Egypte, Lyon (Terre du Ciel) 1990
  • Déserts Chrétiens d’Egypte. Les Kellia, Nizza (Collection le Portique) 1993
  • Les Kellia. Ermitages coptes en Basse-Egypte, Genf (Musée d’art et d’histoire) 1990 [Ausstellungskatalog]

Weblinks


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