Yerkes-Sternwarte

Yerkes-Sternwarte
Yerkes-Observatorium (2006)

Das Yerkes-Observatorium ist eine bekannte historische Forschungsstätte für Astronomie in den USA. Sie liegt in der Nähe Chicagos am Lake Geneva im Bundesstaat Wisconsin. Finanziert wurde sie von Charles Tyson Yerkes, einem US-amerikanischen Industriellen.

Inhaltsverzeichnis

Idee, Finanzierung und Bau

Im Jahre 1891 bot William Rainey Harper, damaliger Leiter der Universität Chicago, dem Astronomen George Ellery Hale eine Professur an. Hale willigte unter der Bedingung ein, dass die Universität ein komplett neues Observatorium errichten ließ.

Hale hatte erfahren, dass zwei optische Glaslinsen mit einem Durchmesser von 40 Zoll (102 cm) in Bearbeitung waren. Ihm schwebte vor, ein Teleskop mit einem derart riesigen Linsensystem zu errichten.

1892 suchten Harper und Hale den Industriellen Charles Tyson Yerkes auf. Yerkes musste dringend sein Image aufpolieren und erhoffte sich durch Sponsorentätigkeiten eine Aufbesserung seines angekratzten Rufes.

Harper und Hale appellierten an Yerkes beträchtliches Ego – das vorgesehene Teleskop würde schließlich das größte der Welt sein. Dabei verschwiegen sie allerdings geflissentlich die exorbitante Gesamtsumme des Projekts. Yerkes willigte ein, das Teleskop zu finanzieren. Harper und Hale gingen stillschweigend davon aus, dass er auch den Bau des gesamten Gebäudes bezahlen würde. Als Yerkes schließlich davon erfuhr, wollte er sich zunächst zurückziehen – vom Bau eines kompletten Observatoriums sei nie die Rede gewesen. Dagegen startete Hale eine Pressekampagne, in der er Yerkes als großzügigen Sponsor und Wohltäter feiern ließ. Dieser wollte nun in der Öffentlichkeit keinen Rückzieher mehr machen und sicherte die Finanzierung zu.

Yerkes hatte weiterhin den Verdacht, finanziell übervorteilt zu werden, zumal Hale zusätzlich drei spezielle Spektroskope anschaffen ließ, ohne ihn vorher zu informieren. 1894 waren die Fundamente und die Montierung des Teleskops fertig gestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt weigerte sich Yerkes, weitere finanzielle Mittel in das Projekt zu stecken. In der Folgezeit blieb das Verhältnis gespannt. Dennoch gelang es Hale 1897, während der Endphase, Yerkes weitere Gelder zu entlocken. Die Fertigstellung verzögerte sich, da die Hauptkuppel aufgrund eines Konstruktionsfehlers zusammenbrach. Yerkes sah darin (wenn auch unberechtigt) das Werk seiner politischen Gegner.

Am 21. Oktober 1897 wurde das Yerkes-Observatorium offiziell eingeweiht. Ein sichtlich nervöser Yerkes, der unter den zahlreichen akademischen Robenträgern deplaziert wirkte, hielt eine Rede, in der er darauf hinwies, dass die Astronomie keine kommerziellen Ziele verfolge. Die Belohnung ihrer Anhänger liege ausschließlich in ihrem Werk und den erzielten Ergebnissen. Die Rede brachte ihm donnernden Beifall ein.

Yerkes Großzügigkeit beeinflusste die öffentliche Meinung allerdings nur vorübergehend. Tatsächlich blieb ihm in den USA die gesellschaftliche Anerkennung bis zu seinem Tode versagt.

Der große Refraktor

Der 40-Zoll-Refraktor von Yerkes

Der Bau des Refraktors mit seinen 40 Zoll (102 cm) Apertur (Öffnung) und 19,7 m Brennweite erfolgte unter der Anleitung des genialen Teleskopbauers George Willis Ritchey. Ritchey nahm nach der Fertigstellung zahlreiche Verbesserungen vor und optimierte die Astrofotografie.

Der Yerkes-Refraktor ist bis heute das größte Linsenteleskop der Welt. Mit dem Gerät stieß man allerdings an die Grenzen des technisch Machbaren: Derartig große Linsen erfahren aufgrund des hohen Eigengewichts eine Durchbiegung. Mit zunehmender Dicke absorbieren Glaslinsen mehr Licht. Die Herstellung großer fehlerfreier Linsen ist extrem schwierig. Die Baulänge des Teleskops erfordert eine entsprechend stabile mechanische Konstruktion. Aufgrund dieser Probleme ging man in der Folgezeit beim Bau von Großinstrumenten auf Reflektoren (Spiegelteleskope) über.

Die Optik

Das Objektiv besteht aus zwei Gläsern, einem Kron- und einem Flintglas (Dublett), die einen Abstand von 8 3/8 Inch (1 inch = 2,54cm) zueinander haben. Das Kronglas wiegt 200 pounds und hat im Zentrum eine Dicke von 2,5 Inch und am Rand 3/4 Inch. Das Flintglas hat eine Dicke von 1,5 Inch im Zentrum beziehungsweise 2 Inch am Rand und wiegt über 300 pounds.[1] Hartmann publizierte im Astrophysical Journal 12, 46, 1900 ein Verfahren zur Beurteilung der Qualität eines Objektives. Kurz darauf bot er in einem Brief Hale an, die Qualität des Yerkes-Objektives zu beurteilen. Am 1. Februar 1902 fertigte Barnard hierzu die entsprechenden fotografischen Platten an. Im April des gleichen Jahres berichtete Hartmann seine Ergebnisse an Hale. Ichinohe führte 1906 ebenfalls Messungen durch, die zu einem ähnlichen Ergebnis wie die von Hartmann führten. Hartmann befand nach der Diskussion der Messergebnisse: „So viel man aus diesen wenigen Punkten erkennen kann, ist das Objectiv ganz vorzüglich.“ Allerdings schränkte er das Ergebnis insofern ein, als nicht alle erforderlichen Messbereiche abgedeckt waren. Hartmann schlug daraufhin eine intensivere Prüfung vor.[2]

Sonstige Forschung

Neben dem großen Refraktor befinden sich in Yerkes ein Reflektor mit 61 cm Hauptspiegel sowie mehrere kleinere Teleskope für Ausbildungszwecke.

Derzeit forscht man auf dem Gebiet der interstellaren Materie, dem Aufbau von Kugelsternhaufen und erdnaher Asteroiden (NEA), die zu den erdnahen Objekten (NEO) zählen. Darüber hinaus betreibt man ein Forschungszentrum zur Herstellung und Verbesserung wissenschaftlicher Instrumente.

Die Zukunft von Yerkes ist ungewiss. Im März 2005 teilte die Universität von Chicago mit, dass man beabsichtigt, das Observatorium und das umliegende Land zu verkaufen.

Einzelnachweise

  1. G. E. Hale in: Astrophysical Journal vol. 6, 1897, S. 43.
  2. Philip Fox in: Astrophysical Journal vol. 27, Mai 1908, S. 4 f.

Weblinks

42.570277777778-88.556257Koordinaten: 42° 34′ 13″ N, 88° 33′ 23″ W


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