Zeche Fürst Leopold

Zeche Fürst Leopold
„Fürst Leopold“. Das linke Fördergerüst wurde im April 2008 abgerissen.

Die Zeche Fürst Leopold ist ein ehemaliges Steinkohlenbergwerk im Dorstener Stadtteil Hervest.

Inhaltsverzeichnis

Name

Der Name des Bergwerks geht auf den Inhaber des Bergregals um 1900 Nikolaus Leopold Fürst zu Salm-Salm zurück.

Geschichte

Vorbereitung und Teufen

Fördergerüst von Schacht Fürst Leopold 2

In circa 600 m Tiefe stößt die Fürst Salm-Salm`sche Generalverwaltung 1902 bei einer Tiefbohrung „Fürst Leopold II“ auf Kohle und legt die Steinkohlemutung ein. Die Grubenfelder I und III werden 1906 an die Gewerkschaften Fürst Leopold I, II und III verliehen. Kurz darauf übernahm die Gelsenkirchener Bergwerks AG Consolidation die Gewerkschaften und die Felder IV–X. 1910 wurden für die Gewerkschaft Fürst Leopold alle 10 Felder zum 21,2 km² großen Grubenfeld „Fürst Leopold I“ zusammengefasst. Im November beginnen zunächst die Teufarbeiten für den Schacht Fürst Leopold 1, ein halbes Jahr später folgen die Arbeiten für Fürst Leopold 2. Im Dezember 1911 teilt die Consolidation aus steuerrechtlichen Gründen das Feld erneut: es entstehen die Felder „Fürst Leopold“ (16,1 km²) und „Fürst Leopold Fortsetzung“ (6,1 km²). Die vorläufige Endteufe von 690 beziehungsweise 748 m erreichen Schacht 1 und 2 fast gleichzeitig im Mai 1912, als sie auf kohleführende Flöze treffen.

Fürst Leopold

Förderung und Ausbau

Im Januar 1913 wird die erste Kohle gefördert – bis zum Jahresende 39.236 t, die Belegschaft wächst auf etwa 450 Arbeiter. 1914 wird westlich der Förderschächte eine Ringofenziegelei errichtet, die vor allem für die entstehende Zechenkolonie produziert. 1915 erreichen die Schächte ihre Endteufe von 895 und 876 m.

Streik

Im November 1918 erwirbt die Hoesch AG die Kuxe der Gewerkschaften für 21,75 Millionen Mark. Von Dezember 1918 bis April 1919 streiken die Bergleute der Dorstener Zechen für höhere Löhne und Sozialleistungen, die Ausschreitungen gipfeln in der Ermordung eines Bürovorstehers. In den Tarifverhandlungen wird ein bezahlter Jahresurlaub von 3 bis 6 Tagen, ein Durchschnittslohn von 14 Mark sowie die Einführung der 7-Stunden-Schicht erreicht.

Fürst Leopold/Baldur

Interessenvertrag und Verbund

1920 kooperiert die Hoesch AG mit dem Köln-Neuessener Bergwerksverein und der Gewerkschaft Trier (Besitzer der benachbarten Zeche Baldur). Mit der Inflation kommt es zu weiteren Streiks und Lohnerhöhung die in der Ruhrbesetzung (Ruhrkampf) endet. „Fürst Leopold“ wurde von Februar 1923 bis Dezember 1924 von belgischen Truppen besetzt. 1926 beginnen die Arbeiten für den untertägigen Verbund von „Fürst Leopold“ (2. Sohle) und „Baldur“ (3. Sohle) bei einer Teufe von etwa 700 m – kurz vor dem Durchschlag kommen die Arbeiten jedoch zum Stillstand. 1927 beginnen die Arbeiten für einen eigenen Zechenhafen am Wesel-Datteln-Kanal. Im März 1930 werden die ersten Kohlen von „Fürst Leopold“ mit der Werksbahn zum Hafen transportiert und dort auf Kähne verladen. Nach anhaltenden Absatzproblemen wird im Juli 1930 zunächst die Gewerkschaft Trier (und damit die Zeche „Baldur“) auf den Köln-Neuessener Bergwerksverein übertragen. Ein halbes später schließen sich die Hoesch AG und der Köln-Neuessener Bergwerksverein zum Großunternehmen Hoesch-Köln-Neuessener AG für Bergbau und Hüttenbetrieb zusammen. Wenige Monate später wird die Zeche „Baldur“ stillgelegt. Um die verbliebenen Schächte zur besseren Bewetterung von „Fürst Leopold“ zu nutzen werden die Verbundarbeiten erneut aufgenommen. Im Juni 1931 erfolgt der Durchschlag, das Gesamtbergwerk nennt sich fortan „Fürst Leopold/Baldur“.

Wegen allgemein schlechter Wirtschaftslage sinkt der Absatz des Bergwerks um 1933 so stark, dass Feierschichten eingelegt und Kündigungen ausgesprochen werden müssen. Im Sommer 1934 werden Hervest und Holsterhausen wegen der hohen Arbeitslosigkeit und Armut zu Notstandsgebieten erklärt.

Zweiter Weltkrieg

Ab 1936 geht es, auch aufgrund der höheren Nachfrage der Rüstungsindustrie, auch für „Fürst Leopold/Baldur“ wieder bergauf. Durch den technischen Fortschritt und den Ausbau über wie auch unter Tage wird 1939 eine Jahresleistung von über einer Million Tonnen Steinkohle überschritten. 1944 werden etwa 660 Kriegsgefangene zur unter Tage-Arbeit verpflichtet. Im März 1945 werden die Gebäude über Tage bei schweren Luftangriffen stark beschädigt, während die Luftschutzstollen unter Tage und in Bergehalden etwa 700 Bürger vor den Tieffliegern schützen.

Wiederaufbau

Nach dem Ende des Krieges beginnen die Wiederaufbau- und Reparaturarbeiten, so dass im Oktober 1945 die reguläre Förderung wieder aufgenommen wird. Durch die von den Alliierten geforderte Umgestaltung der deutschen Montanindustrie fällt „Fürst Leopold/Baldur“ an die Hoesch Bergwerks AG der Hoeschwerke AG um den Bedarf an Steinkohle der Westfalenhütte zu decken.

Unter Tage wurde der Holzausbau der Streben durch Stahlausbau ersetzt und die Arbeit durch Schrämmaschinen und Kohlenhobeln erleichtert. Weiterer Ausbau der Fördermaschinen und Aufbereitung führen zu höherer Leistungsfähigkeit auch für die über Tage-Anlagen.

Hochdruckkraftwerk

Um das veralterte Kesselhaus zu ersetzen und den Eigenbedarf an Dampf, Druckluft und Strom wirtschaftlicher zu decken wird Anfang der 50er ein Hochdruckkraftwerk errichtet. 1955 muss die hauseigene Ziegelei der Erweiterung um eine Druckvergasungsanlage zur Erzeugung von Starkgas weichen, die vor allem von der Essener Ruhrgas AG benötigt wird. 1959 wird das Dorstener Bergwerk in die wiedergegründete Hoesch AG eingegliedert.

Absatzkrise

Nach den Rekordjahren 1956/57 (knapp 1,5 Millionen Tonnen Jahresförderung bei 4250 Beschäftigten) muss die Förderung wegen einer anhaltenden Absatzkrise auf 1,2 Millionen Tonnen gedrosselt werden. Grund für diese Kohlekrise ist die Verdrängung der deutschen Steinkohle durch Erdöl und billigere Import-Kohle vor allem aus den USA. So wird bis etwa 1967 die Belegschaft wie auch die Jahresförderung kontinuierlich bis auf 879.000 t bei 1699 Mitarbeitern gesenkt, gleichzeitig kann jedoch die t/MS-Leistung (Tonne pro Stunde pro Mann) von 1,95 auf 3,84 t/MS gesteigert werden.

Fürst Leopold/Wulfen

Eingliederung in die Ruhrkohle AG

Um den deutschen Bergbau weiter zukunftsfähig zu betreiben wurde 1968 die Ruhrkohle AG gegründet in der 80 % der fördernden Bergwerke zusammengefasst wurden. Auch die Hoesch AG überträgt ihre Bergwerke samt „Fürst Leopold/Baldur“ an die RAG. Zusammen mit den Zechen „Brassert“ und „Wulfen“ wird „Fürst Leopold/Baldur“ in den Unternehmensbereich Bergbau AG Herne/Recklinghausen eingegliedert.

Da ein Verbund von „Wulfen“ weder mit „Brassert“ noch mit „Auguste Victoria“ realistisch erscheint, entschließt sich die Unternehmensleitung im Juni 1970 die Schachtanlagen „Fürst Leopold/Baldur“ und „Wulfen“ zum Bergwerk „Fürst Leopold/Wulfen“ zusammenzulegen.

Verbund

Im Rahmen eines Explorationsprogramms zur Erkundung neuer Lagerstätten stößt man bei Tiefbohrungen im Baufeld „Wulfen“ 1974 auf weitere Steinkohleflöze. So kann die für 1975 geplante Stilllegung der Schachtanlagen „Wulfen“ abgewendet werden und die Pläne für den untertägigen Verbund nehmen Gestalt an. Im Januar 1975 beginnen die Verbundarbeiten zwischen „Fürst Leopold“ (3. Sohle -838 m ü. NN) und „Wulfen“ (2. Sohle -990 m NN). Die etwa 7,5 km Strecke werden innerhalb sechseinhalb Jahren aufgefahren. Im Juli 1981 zündet der ehemalige Mitarbeiter und Dorstener Bürgermeister Hans Lampen den letzten Abschlag. Durch den Verbund ergibt sich für das Bergwerk „Fürst Leopold/Wulfen“ ein Baufeld von 96,0 km².

Ausbau

Abteufkübel am Westtor

Während der Verbundarbeiten werden vor allem die Anlagen über Tage modernisiert: Schacht 1 wird 1975/76 von Gestell- auf Skipförderung umgebaut, es werden neue Siebmaschinen und Großsiecher installiert und die Förderwege vereinfacht. Unter Tage ist die bedeutendste Umstellung der selbstschreitende Schildausbau.

1983 wurde zudem eine „Rohkohlen-Stapel- und Vergleichmäßigungsanlage“ in Betrieb genommen um die geförderte Rohkohle zu einem gleichmäßigerem Produkt zu vermischen. Um den Schacht 1 auf Baldur besser als Wetterschacht nutzen zu können, wird er bis auf -1328,4 m NN tiefer geteuft. 1997 erzielt „Fürst Leopold/Wulfen“ mit 2.400.350 t bei etwa 3000 Beschäftigten die höchste Jahresförderung der Betriebsgeschichte.

Bergwerk Lippe

Verbund und Schließung

Gedenktafel zur Mahnwache von Tisa von der Schulenburg

Trotz Demonstrationen und Mahnwachen der Bergleute erfolgt 1998 der Verbund mit der Gelsenkirchener Zeche „Westerholt“ zum Bergwerk „Lippe“. 2001 wird die Förderung auf „Fürst Leopold“ schließlich eingestellt. Die Schächte Wulfen 1 und 2 und der Schacht Baldur 1 wurden anschließend verfüllt. Am Standort Fürst Leopold bleiben beide Schächte zum Zwecke der Bewetterung und Wasserhebung bis auf weiteres offen.

Heutige Nutzung

Schacht 1 diente zunächst weiterhin als Wetter- und Materialschacht für das Bergwerk „Lippe“. Das Fördergerüst wurde am 6. April 2008 abgerissen.[1] Die weiteren übertägigen Anlagen wie Kohlenwäsche und -aufbereitung werden ebenfalls nicht mehr genutzt.

Um Konzepte für neue Nutzungsmöglichkeiten zu entwickeln, wurde 2001 die Projektgesellschaft Fürst Leopold gegründet.

Derzeit wird das Gelände in unregelmäßigen Abständen für kulturelle Veranstaltungen wie die Extraschicht genutzt. Bei der Dorstener stadtinfo können außerdem Führungen gebucht werden. Seit Sommer 2004 wird auf dem Zechengelände der monatliche Motorradtreff Auf Leopold mit bis zu 3500 Bikern veranstaltet.

Für den Bereich des ehemaligen Zechenhafen, welcher sich am Wesel-Datteln-Kanal befindet, wurde im Jahr 2003 an der Universität Duisburg-Essen von Christian Pott eine Diplomarbeit verfasst. Im Studiengang Landschaftsarchitektur wurde eine Folgenutzung der ehemaligen Montanflächen unter städtebaulichen- sowie freizeit- und erholungsplanerischen Gesichtspunkten erstellt. [2]

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Recklinghäuser Zeitung vom 14. April 2008
  2. http://www.uni-duisburg-essen.de/home/fb/presse/presseschau/2004/presseschau_2004-04-16.shtml

Literatur

  • H.-J. Krüger, H. Coen und H.-J. Wilkin: Bergwerk Fürst Leopold/Wulfen 1913–1993 – 80 Jahre Steinkohlenbergbau in Dorsten (1988) – herausgegeben vom Bergwerk Fürst Leopold/Wulfen

Weblinks

51.6708333333336.98361111111117Koordinaten: 51° 40′ 15″ N, 6° 59′ 1″ O


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