Zen-Garten

Zen-Garten
Tsukiyama-Garten im Tōfuku-ji
japanischer Garten in Australien

Japanische Gärten sind ein Ausdruck der japanischen Philosophie und Geschichte. Solche Gärten findet man teilweise auf Privatgrundstücken, in Stadtparks, bei buddhistischen Tempeln oder Shintō-Schreinen sowie an historischen Sehenswürdigkeiten wie alten Schlössern. Ihnen wird nachgesagt, eine geheimnisvolle Ruhe und Schönheit zugleich auszustrahlen.

Eine Sonderform, der viele der berühmtesten japanischen Gärten angehören, ist der Zengarten im Kare-san-sui-Stil, bei dem auf Wasser und größere Pflanzen ganz verzichtet wird. Beliebt geworden sind diese Steingärten auch als Miniaturen in Form einer etwa 30 cm breiten Kiste für den Schreibtisch. Beim Tsukiyama-Stil (künstliche Hügel) werden dagegen Berge von Steinen und kleinen Hügeln dargestellt, und ein Teich repräsentiert das Meer, es handelt sich also praktisch um eine Miniaturlandschaft.

Inhaltsverzeichnis

Gartenaufbau

Isui-En in Nara

Derartige Gärten sind meistens bis ins Detail geplant, um sie vollends zu verstehen, ist es nötig, sie richtig „lesen“ zu lernen. Neben dem theoretischen Wissen über die Gestaltung und der Handwerkstechnik muss sich der Errichter des Gartens in den gegebenen Ort einfühlen können, damit der Garten mit der Umgebung harmoniert.

Die Gärten sind so angelegt, dass ihre Besucher zahlreiche Entdeckungen machen. Häufig führt auch ein Blick aus einer anderen Perspektive, einer andere Stelle zu einer neuen Entdeckung und einem ganz anderem Eindruck der gleichen Anlage. Deshalb ist die Anordnung asymmetrisch und nicht zentral. Beliebt sind auch holperige, unebene Wege, um den Betrachter nicht wahrnehmungslos durch den Garten gehen zu lassen. Gerade Wege finden ihre Verwendung nur, um den Blick in eine bestimmte Richtung zu lenken. Je nach Gartentyp oder Einstellung des Betrachters kann man anstatt herumzuschlendern, sich an einer Stelle niederlassen und den Garten einfach auf sich wirken lassen, während man ihn eingehend betrachtet.

Interpretationen

Steinlaternen im japanischen Teil des Monte Palace Tropical Garden auf Madeira

Der Betrachter eines Gartens kann in verschiedenen Elementen eines Gartens viele Interpretationen sehen. Dabei können sowohl Elemente einzeln als auch mehrere in Kombination betrachtet und gedeutet werden. Trotz der genauen Planung gibt es aber keine strenge Vorgabe bei der Deutung. In Zengärten kommen besonders die vier Elemente Stein, Wasser, Moos und Baum vor.

Steine symbolisieren beispielsweise Tiere, die in die Natur eingebunden sind. Aber sie wurden auch vom Himmel herabsteigenden Göttern gewidmet. Das Wasser steht für Seen oder gar Ozeane, die auch über das Meer kommenden Göttern gewidmet sein können. Laut einer chinesischen Legende verwandelt sich ein Fisch, der einen Wasserfall hinauf kommt, in einen Drachen. Dieser Drachentor-Wasserfall wird in Japan ein Sinnbild für Erleuchtung (Satori). Dass kein echtes Wasser verwendet wird, kommt nur in der Sonderform des Kare-san-sui vor. Das Moos hält Feuchtigkeit am Boden und bedeutet zugleich Alter, was in Japan dadurch gleichzeitig Ehre bedeutet. Bäume sind das Symbol für das Leben, sie können auch als Sinnbild für das Menschsein angesehen werden, da sie Teil eines Ganzen und zugleich individuell sind. Je nach gewünschtem Effekt können auch Bonsai eingesetzt werden.

Sand und Kies oder speziell Granitkies, der nicht so schnell verweht, wird verwendet, um Wasser darzustellen, durch geharkte Linien werden Wellen vorgetäuscht. Steine an einem Berg können als liegende Hunde oder Wildschweine oder auch als Kälber, die mit ihrer Mutter spielen, aufgefasst werden. Bambus ist sowohl biegsam als auch standfest, einzelne Abschnitte des Rohrs symbolisieren die Generationen. Pflaumen- und Kirschbäume blühen im Verlauf eines Jahres auf und verblühen wieder, wodurch Vergänglichkeit symbolisiert wird. Auch Formelemente von Hügeln, beschnittenen Hecken oder Seen können eigene Interpretationen ermöglichen.

Ähnlich wie die Gärten als ganzes können Becken aus von Menschenhand bearbeiteten Natursteinen die Einheit von unkontrollierter und kontrollierter Natur widerspiegeln. Ein weiterer möglicher Kontrast sind immergrüne Kiefern neben einem Pflaumenbaum, welcher den Dualismus von Augenblick und Ewigkeit darstellt. Es können sich darüber hinaus auch Steinlaternen oder Teehäuser in die Landschaft einfügen.

Sprache der Pflanzen

Manche Pflanzen ermöglichen sogar weitere Deutungen, wenn man Homonyme ihrer Worte betrachtet. So sind Japanische Rotkiefern langlebig und immergrün, also beständig. Das japanische Wort dafür ist „matsu“ (warten) ähnlich, eine mögliche Interpretation wäre das Warten auf den Geliebten. Das japanische Wort für Blumen lautet "hana", was auch Schönheit heißen kann. „Nadeshiko“ bezeichnet sowohl wilde Nelken als auch junge Mädchen.

Geschichte

Die Ursprünge der Zengärten liegen in den chinesischen Gärten um das Jahr Null herum, die auf den Taoismus und das Prinzip Yin und Yang zurückgehen. Um 612 hat ein Koreaner namens Shikomaro, was soviel wie hässlicher Maro bedeutet, in Japan Berühmtheit erlangt, weil er eindrucksvolle Gärten gestaltet hatte. Während der Nara-Periode 645 bis 794 begann eine freiere Umsetzung der Natur im Garten. In der Heian-Periode ab 794 bis 1185 waren die in dieser Zeit aufkommenden Dichter für die Gärten verantwortlich. Um 1000/1100 entstand auch der berühmte Ryoan-ji Tempel. Dazu kam der Stil der Shoin-Architektur, durch den Gärten immer nur aus bestimmten Blickwinkeln betrachtet werden, nie aber der Blick aufs Ganze stattfindet.

Ab 1615, der Edo-Periode sind die ersten Gärtner bekannt, die ihre Tätigkeit als richtigen Beruf ausüben. Dabei entstand in kurzer Zeit auch eine Spezialisierung für die kleinsten Details. Angeblich wurde Kyoto 1945 wegen der Gärten von Bomben verschont. Heute sind die Gärten wie in Kyoto grüne Inseln inmitten von modernen Großstädten, die ihre Tradition und ihre Ruhe aufrecht erhalten haben.

Nara-Zeit

Nara, die damalige Hauptstadt, war eine getreue Nachbildung der chinesischen Hauptstadt - dementsprechend wurden auch die chinesischen Gartenanlagen getreu rekonstruiert. Rings um den kaiserlichen Palast entstanden eine Reihe Landschaftsgärten.

Heian-Zeit (794–1185)

Während der Heian-Zeit, als die Hauptstadt nach Kyoto verlegt wurde, waren die japanischen Gärten stark von der chinesischen Gartenkunst beeinflusst, dem sogenannten Shinden-Stil. Sie sollten die kosmische Ordnung verdeutlichen, das Werden und Vergehen, den Kreislauf der Jahreszeiten. Vor allem aber dienten sie dem Vergnügen des Adels, der von einer Leidenschaft für alles Chinesische besessen war. Komplette Fischerdörfer wurden an künstlich angelegten Seen errichtet, Kanäle erlaubten Bootsausflüge, man kostümierte sich chinesisch und rezitierte chinesische Lyrik. Die religiöse Bedeutung der Gartenkunst, die sie in China noch hatte, trat in Japan völlig in den Hintergrund, Heian-Gärten waren meist bunt, mit vielen Blumen und blühenden Sträuchern bepflanzt und luden zum Spazieren ein.

Kamakura-Zeit (1185–1333)

Zu Beginn des 10. Jahrhunderts brachen die Beziehungen mit China ab, und als die neue Hauptstadt der Krieger-Regierung in Kamakura errichtet wurde, überwachte Minamoto Yoritomo selbst den Bau des Hauptgartens, der nun zum Kloster, nicht mehr zum Palast gehörte. Die Zeit der dekadenten Höflinge in Kyoto ging allmählich zu Ende, eine neue Religiosität hielt auch in den Gärten Einzug. Die Ästhetik des Zen wurde durch reisende Mönche von China aus verbreitet und übte auf die Kunst und viele Lebensbereiche Japans einen enormen Einfluss aus. Der typisch japanische Shoin-Stil entwickelt sich, seine Kennzeichen sind Asymmetrie, Kleinteiligkeit statt weitläufigen Landschaftskonzepten, Abstraktion.

Muromachi-Zeit (1333–1573)

Vor allem die Tusche-Malereien der chin. Song-Zeit (960-1279) gaben neue Impulse für die Gartenkunst: Monochrom wie diese Landschaften sollten auch die Gärten sein. Die Perspektive wurde auf einen bestimmten Betrachtungspunkt hin konzipiert, durch „künstliche Tiefe“, Verkürzungen oder farbliche Tricks (hell vor dunkel) wurde ein Raumeindruck hergestellt, der die Gärten oft größer erscheinen ließ, als sie tatsächlich waren. Die sie umgebende Mauer wurde meist dicht bepflanzt und dadurch unsichtbar.

Berühmte Beispiele sind die Gärten von Saiho-ji (um 1339), Tenryu-ji (als Übergang vom Shinden- zum Zen-Stil, um 1343), der Garten des Goldenen Pavillons (oder Kinkaku-ji, 1397) und der Garten des Silberpavillons (oder Ginkaku-ji, 1484).

Steingärten

Nach dem Onin-Krieg lag Kyoto in Trümmern, Geld zur Errichtung neuer Gärten war nicht vorhanden. In den Tempeln, die nun ohne üppige Finanzierung durch Aristokratie und reiche Familien auskommen mussten, entwickelte sich um 1513 ein neuer, sehr reduzierter Stil: Kare-san-sui, der Trockengarten aus Steinen und Sand. Diese berühmten Zen-Gärten dienen ausschließlich der Meditation.

Berühmt sind Daisen-in mit seinem trockenen Wasserlauf und den Sandkegeln und besonders Ryoan-ji mit seinen sorgfältig komponierten Steininseln auf geharktem Sanduntergrund. Ein Garten, der von Offenheit, Weite und Asymmetrie bestimmt ist, obwohl er nicht viel größer ist als ein gewöhnlicher Tennisplatz. Durch den radikalen Verzicht auf Pflanzen (nur ein wenig Moos um die Steine herum wird zugelassen) bekommt die Anlage etwas Zeitloses, Abstraktes.

Teegärten

Im Zusammenhang mit der Teezeremonie entwickeln sich nun auch Teegärten, die ganz eigene rituelle Aufgaben übernehmen. Rund um das Teehaus gilt es, eine Atmosphäre von Abgeschiedenheit von der Welt zu erzeugen, so dass die Teegäste zur Ruhe kommen können. Eine Wartebank und ein Wasserstein zum Reinigen der Hände gehört ebenso dazu wie das Tor, durch das man in den Teegarten eintritt und damit alles Weltliche hinter sich zurücklässt. Die Bepflanzung mit dichtem Bambus oder Sträuchern erzeugt den beabsichtigten Eindruck von Wildheit und Ursprünglichkeit.

Japanische Gärten in Deutschland

(Aufgeführt sind nur die öffentlich zugänglichen)

Japanische Gärten in Österreich

(Aufgeführt sind nur die öffentlich zugänglichen)

Japanische Gärten in der Schweiz

(Aufgeführt sind nur die öffentlich zugänglichen)

Sonstige bedeutende Japanische Gärten

  • Hasselt (belgische Provinz Limburg): größter Japangarten Europas
  • Singapur: Seiwaen, der größte japanische Garten außerhalb Japans (auf einer Insel im See Jurong, westlich von der Innenstadt Singapurs)
  • Madeira Monte Palace Tropical Garden mit japanischen Garten- und Bauelementen und vielen Steinlaternen

Literatur

  • Irmtraud Schaarschmidt-Richter: Gartenkunst in Japan. Hirmer, München 1999, ISBN 3-7774-8250-1
  • Marie Luise Gothein: Geschichte der Gartenkunst. 4. Aufl. (Nachdr.) Diederichs, München 1997, ISBN 3-424-00935-0
  • Thomas Hoover: Die Kultur des Zen. 5. Aufl. Diederichs, München 1991, ISBN 3-424-00744-7
  • Sunniva Harte: Zen im Garten. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3109-9
  • Jiro Takei, Marc P. Keane: Sakuteiki oder die Kunst des japanischen Gartens. Die Regeln zur Anlage und Gestaltung aus den historischen Schriftrollen der Heian-Zeit. Ulmer, Stuttgart 2004, ISBN 3-8001-4496-4
  • Günther Nitschke: Japanische Gärten. Taschen, Köln 2003, ISBN 3-8228-2032-6
  • Irmtraud Schaarschmidt-Richter: "Gärten der Stille" Augustus Verlag, München 2001 ISBN 3-8043-7184-1

Siehe auch

Weblinks


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