Zigeunerrastplatz Marzahn

Zigeunerrastplatz Marzahn
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Als Zigeunerrastplatz Marzahn bezeichnete man das nationalsozialistische Zwangslager für Roma und Sinti in Berlin-Marzahn. Die offizielle Bezeichnung lautete Berlin-Marzahn Rastplatz. Das Lager diente der Konzentration und Kontrolle, der Selektion nach rasseideologischen Kriterien, der Ausbeutung durch Zwangsarbeit und der Vorbereitung der Deportation von Sinti und Roma in Konzentrationslagern.

Zur Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin beschlossen die Berliner Polizei und Wohlfahrtsverwaltung in Zusammenarbeit mit der NSDAP-Gauleitung, die in Berlin ansässigen Personen, die man als Zigeuner definierte, aus dem Stadtbild zu entfernen, und am östlichen Stadtrand zu konzentrieren. Als Gelände wurde ein ehemaliges Rieselfeld genutzt. Dies und die Nähe zum Marzahner Friedhof zeigten schon im Vorfeld, dass dieser Platz der Diskriminierung und Verfolgung der Sinti und Roma dienen sollte, da der Standort den Kriterien für Rastplätze nicht entsprach.

Im Mai 1936 begann man mit den Bauarbeiten für einen "Rastplatz", auf dem sich im selben Monat die ersten Personen einfinden mussten. Seit der Mitte der 1930er Jahre entstand auf kommunale Initiative eine größere Zahl derartiger Zwangslager. Das in Marzahn war eins der ersten.[1]

Mit seinem Runderlass zur "Bekämpfung der Zigeunerplage" vom 6. Juni 1936 empfahl der Reichsinnenminster, "von Zeit zu Zeit bezirksweise oder für ganze Landesteile Razzien auf Zigeuner zu veranstalten". Der Polizeipräsident von Berlin erhielt im weiteren Verlauf den Auftrag, am 16. Juli 1936 einen „Landesfahndungstag nach Zigeunern“ durchzuführen. Alle, die von den Behörden als "Zigeuner" betrachtet wurden, gleich, ob in üblichen Wohnungen oder im Wohnwagen lebend, waren festzunehmen und in einem Lager außerhalb der Reichshauptstadt zu internieren. Eine Rechtsgrundlage gab es dafür nicht.[2]

An diesem Tag wurden in Berlin und Umgebung die ansässigen Zigeuner, vor allem Sinti, verhaftet und in das Lager Marzahn gebracht. Obwohl am Anfang das Ziel der Schutz vom nachbarlichen Zusammenleben und die Abwehr ernster sittlicher Gefahren, insbesondere für die Jugend sein sollten, wurden während der Aktion sämtliche, bei der Zigeunerdienststelle der Polizei als Zigeuner und Zigeunermischling registrierte Personen verhaftet und eingesperrt. Die Anzahl wurde in der anschließenden Pressemitteilung mit über 600 angegeben.

Seit Mai wurden auf dem Gelände alte Baracken des Reichsarbeitsdienstes aufgestellt, die den Inhaftierten als Unterkunft dienen sollten. In den folgenden Monaten konnten einige Familien das Lager verlassen. Teilweise emigrierten sie aus Deutschland, andere zogen jedoch nur aus Berlin fort. Die Zahl der Personen sank bis auf 400 am Ende des Jahres 1937.

Mit dem Runderlass Vorbeugende Verbrechensbekämpfung, auch Asozialenerlass genannt, im Dezember 1937 änderte sich die Lage. Ab diesem Zeitpunkt wurden alle Sinti und Roma in Deutschland als asozial betrachtet, und konnten jederzeit verhaftet werden. Bis Ende September 1938 verdoppelte sich daraufhin die Zahl der Inhaftierten auf 852 Personen. Zuvor waren während der Juni-Aktion der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ der Großteil der Männer in das Konzentrationslager Sachsenhausen gesperrt worden. Dadurch wurde der Rastplatz überwiegend von Frauen, Kindern und Alten bewohnt. Da ein großer Teil der seit August 1936 in das Lager Gekommenen "fahrende" Sinti waren, war das Lager im September 1937 mit 150 Wohnwagen überfüllt.

Die hygenischen Zustände im Lager waren katastrophal. Für die Menschen gab es lediglich zwei Toilettenanlagen und drei Wasserstellen. Der Bau von Brunnen war wegen der Nähe der Rieselfelder und der damit verbundenen Verseuchung des Wassers unmöglich. Die vorhandene Schule war völlig überbelegt und mit einem Lehrer nur mangelhaft ausgestattet. Ab dem Kriegsbeginn wurden viele Inhaftierte als Zwangsarbeiter in der Berliner Industrie eingesetzt.

Das Lager Marzahn war nie ein Konzentrationslager. Es unterstand bis zu seiner Auflösung den Berliner Behörden, die mangels Kontrolle und Investitionen einer Verelendung und Gefährdung der Sinti und Roma systematisch Vorschub leisteten.

Als mögliches Datum der Auflösung des Lagers gilt der 1. März 1943. Bis zu diesem Tag wurde der Auschwitz-Erlass Heinrich Himmlers umgesetzt, nachdem alle "Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft" nach bestimmten Richtlinien auszuwählen und in einer Aktion von wenigen Wochen Dauer in ein Konzentrationslager einzuweisen sind", was im Januar 1943 auf das KZ Auschwitz-Birkenau eingeschränkt wurde.

Einzelnachweise

  1. Michael Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische Lösung der "Zigeunerfrage", Hamburg 1996, S. 93-100.
  2. Michael Zimmermann, Rassenutopie und Genozid. Die nationalsozialistische Lösung der „Zigeunerfrage“, Hamburg 1996, S. 85; Wolfgang Benz, Das Lager Marzahn. Zur nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma und ihrer anhaltenden Diskriminierung, in: Helge Grabitz/Klaus Bästlein/Johannes Tuchel (Hrsg.), Die Normalität des Verbrechens. Bilanz und Perspektiven der Forschung zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen (= Festschrift für Wolfgang Scheffler zum 65. Geburtstag), Berlin 1994, S. 260-279, hier: S. 260.

Weblinks

52.55138888888913.5463888888897Koordinaten: 52° 33′ 5″ N, 13° 32′ 47″ O


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