Ökologische Knappheit

Ökologische Knappheit

Ökologische Knappheit beschreibt die Grenzen der ökologischen Umwelt, die unendlichen Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen.

Nach Bruno Streit kann die ökologische Umwelt als ein System beschrieben werden, welches die Umweltmedien Wasser, Luft und Boden, alle Lebewesen und ihre Lebensräume umfasst und aus einer Vielzahl sich im Gleichgewicht befindlicher Ökosysteme besteht. In Anlehnung an diese systemorientierte Definition des Umweltbegriffs können drei Hauptfunktionen der ökologischen Umwelt für den Menschen bestimmt werden: die Versorgungs-, Träger-, und Regelungsfunktion.[1] Die ökologische Knappheit kann man bestimmen, indem man die tatsächliche Nutzung der Umweltfunktionen zur nachhaltig möglichen Nutzung ins Verhältnis setzt.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Bühl spricht von ökologischer Knappheit, „wenn die sigmoid ansteigende Kurve der ökologischen Belastung die Kurve der ökologischen Tragfähigkeit nicht schneidet, wenn also ein stabiles ökologisches Gleichgewicht nicht bedroht ist.“ [2] Die ökologische Knappheit wurde in den letzten Jahrzehnten häufig mit den Themen der Energie- und Rohstoffgewinnung, der Nahrungsmittelerzeugung sowie der Bevölkerungsentwicklung, unter Einschluss aller technologischen und sozialorganisatorischen Komplexe, assoziiert. Mit Hilfe des technologischen Einsatzes sieht Brühl die Möglichkeit, dass sich die kritische Knappheit von der Rohstoff- bzw. Nahrungsmittelknappheit auf die Energieknappheit verschieben kann, wenn unter uneingeschränkten Energieeinsatz ausreichend Rohstoffe und Nahrungsmittel erzeugt werden könnten. Neben den knappen Rohstoffen zählt ebenso die Verschmutzung und Vergiftung zu den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema der ökologischen Knappheit. Sauberes Wasser und saubere Luft wurden und werden heute knapp und verursachen nun gegenüber den als früher scheinbar kostenlos gesehenen Lebensgütern überproportional steigende Kosten. Letztlich werden die technologischen und sozialorganisatorischen Grenzen als ökologische Knappheit gesehen. Bühl veranschaulicht dies am Beispiel der Begrenztheit der Erde und der Leiblichkeit des Menschen. Vor allem die Begrenztheit menschlicher Fähigkeiten komplexe ökologisch-technische Zusammenhänge zu überblicken und daraus Maßnahmen herzuleiten sowie in der Gesellschaft verständlich zu machen. Aus den Erkenntnissen zeigt sich, dass das System der ökologischen Knappheit „mit zunehmender Nutzung der ökologischen Tragfähigkeit und mit dem Überschreiten lokal begrenzter Zusammenhänge zu einem globalen Ökosystem verdichtet“.[3] Eine Segregation des Problems lässt sich dadurch immer weniger auf einzelne Faktoren zurückführen, wodurch die thermodynamische Betrachtung sowie die wirtschaftlichen Zusammenhänge an Gewicht gewinnen.

Ursachen zunehmender ökologischer Knappheit

Im Wesentlichen gibt es drei Faktoren, welche die ökologische Knappheit bisher verursacht haben und weiter vorantreiben:

  1. Bevölkerungswachstum: Im Jahr 1650 lag die Verdopplungszeit der Erdbevölkerung noch bei 240 Jahren. Diese Zahl hat sich bis zum Jahr 1900 auf 100 verringert und 1965 dauerte es bereits nur noch 36 Jahre bis zur Verdopplung der Bevölkerung. Diese Entwicklung führte zu einer steigenden Nahrungsmittel-produktion, zur Erhöhung des Energieeinsatzes und der Zunahme industrieller Produktion.
  2. Güterausstattung: Die wachsende Ausstattung des Einzelnen mit Wirtschaftsgütern resultiert aus der Nichtsättigungsannahme menschlicher Bedürfnisse und dem Streben der Wirtschaftssubjekte nach Gewinnoptimierung. So kommt es in allen Wirtschaftsbereichen zu einem Mehrwachstum: In der Landwirtschaft findet auf den oft begrenzten Ackerflächen eine zunehmende Intensivierung in Form von erhöhtem Düngemittel- und Pestizideinsatz statt. Die Industriebranche weist einen stark gestiegenen Ressourcen- und Energieverbrauch auf und es kommt in Regionen mit großer Bevölkerungskonzentration zu einer stärkeren Beanspruchung der Elemente Wasser, Luft und Boden.
  3. Technischer Fortschritt: Der technische Fortschritt ist vor allem in industrialisierten Ländern die Ursache für ökologische Knappheit. Durch die Herstellung hochspezialisierter Güter werden auch immer mehr Ressourcen verbraucht, wodurch wiederum beim Konsum mehr Kondukte (d.h. unerwünschte Outputs) in Form von Abfall, Abwasser und Abluft entstehen.

Die Wirkung dieser 3 Faktoren auf die Umwelt lässt sich mit Hilfe des Environmental Impact Index von Commoner ausdrücken [4]


I   = Impact (Wirkung)
P        = Population (Bevölkerung)
A        = Affluence (Ausstattung des Einzelnen mit Wirtschaftsgütern)
T        = Technology (technologisch bedingte Schädigung durch die Wirtschaftsgüter)

Handlungsanforderungen und Maßnahmen zur Bekämpfung der ökologischen Knappheit

Zur Verringerung der Gefahr der ökologischen Knappheit und der Vermeidung einer ökologischen Krise oder der ökologischen Katastrophe sind für die ökonomischen Handlungen des Menschen nicht die Maximierung des Konsums, des Wachstums oder der Produktivität wichtig, sondern die ökologisch-technologische Ersetzung nichterneuerungsfähiger Rohstoffe durch erneuerungsfähige im Produktionsprozess sowie die Reduzierung des Verbrauchs an nichterneuerungsfähigen Rohstoffen und Energie durch Recycling dieser. Des Weiteren zählen die Entschädigungen der Umweltbelastungen scheinbar kostenloser Güter, die Verwendung von Niedrigenergietechnologien und die für jeden Menschen verständliche Vermittlung wissenschaftlicher Kenntnisse komplexer Zusammenhänge der ökologischen Knappheit zu den wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft.

Arten

Ratenknappheit

Die Ratenknappheit stellt eine kritische Rate da, die den tatsächlichen Verbrauch von nachwachsenden Rohstoffen (Versorgungsfunktion der Umwelt) und der Emission von Schadstoffen (Aufnahmefunktion der Umwelt) Verhältnis zur kritischen Verbrauchsrate setzt. Die kritische Verbrauchsrate gibt dabei die Grenze der ökologisch nicht mehr akzeptablen Belastung des ökologischen Kreislaufes an. Im Bezug zu Zeit ist es somit der natürlichen Umwelt nicht mehr möglich sich durch ihre Selbstreinigungskraft zum Beispiel Luft und Wasser zu regenerieren (Regelungsfunktion der Umwelt). Die Überschreitung der Verbrauchs- und Emissionsrate an erneuerbaren Umweltgütern hat eine sofortige Wirkung auf die Umwelt (kritische Knappheit) und kann zum Beispiel zum umkippen von Gewässern führen.

Kumulativknappheit

Die Kumulativknappheit ist geprägt durch eine endliche Zahl an Ressourcen und einer endlichen Aufnahmefähigkeit der Emission von Schadstoffen durch die natürliche Umwelt und einer somit fehlenden Regelungsfunktion. Es besteht somit eine kumulative Langzeitwirkung, da die nicht erneuerbaren bzw. nicht regenerierbaren Umweltgüter nach einer endlichen Zahl von Jahren erschöpft sind (absolute Knappheit). Der Verbrauch ist somit nur bis zu einem bestimmten Wert möglich (kritischer Wert), als Beispiel sind hier vor allem fossile Energieträger zu nennen (Erdöl).

Abgrenzung der Knappheitsarten von den Umweltfunktionen [5]
Ökologische Knappheit
Funktion der Umwelt
Ratenknappheit Kumulativknappheit
Versorgungsfunktion
Die Quelle versiegt
kritische Rate der Entnahme (z.B. nachwachsende Rohstoffe Erschöpfung der Ressourcen nach endlicher Zahl Nutzungen (z.B. Erdölvorkommen)
Trägerfunktion
Die Senke ist bereits gut gefüllt.
kritische Rate der Aufnahme (z.B. Luftbelastung) Erschöpfung des Aufnahmemediums nach endlicher Zahl Nutzungen (z.B. Deponie)
Regelfunktion
Der Kanal ist verstopft
kritische Rate der Regenerierung (z.B. Gewässerbelastung)

Maß der ökologischen Knappheit [6]

Unternehmen nutzen die Methode der ökologischen Knappheit im Rahmen von Ökobilanzen, um den Grad der Umwelteinwirkungen von Produkten, Prozessen oder sogar ganzen Unternehmen zu bestimmen. Die Grundlagen für diese Bewertungsmethode wurde von A. Braunschweig und R. Müller-Wenk erarbeitet und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Der Grad der Umweltbelastung ergibt sich indem die Menge jedes Stoffes mit einem Gewichtungsfaktor (Äquivalenzkoeffizient) multipliziert wird. Die Ermittlung des Äquivalenzkoeffizienten stellt bei diesem Verfahren den Schlüssel zur Bewertung dar, denn der Äquivalenzkoeffizient AeK misst die ökologische Knappheit für eine einzelne Einwirkungsart, bzw. das von ihm betroffene Umweltgut. Der AeK ist eine Funktion des gegenwärtigen Ausmaßes der Summe aller Einwirkungen dieser Art innerhalb eines relevanten räumlichen Bereiches sowie der „kritischen“ Ausmaß dieser Einwirkungen, welcher zum Übergang des entsprechenden Umweltgutes von einem Akzeptablen in einen inakzeptablen Zustand führt. Der AeK hat die Dimension der Rechnungseinheit pro physikalische Verbrauchs- bzw. Emissionsgröße.

Großer Aek: ausgeprägte ökologische Knappheit
Aek = 0: Grenzfall der Unknappheit

Aek müssen allgemein verbindlich von dritter Seite (Staat, internationale Organisation) festgelegt werden und stellen dynamische Größen dar, die von Zeit zu Zeit auf ihre Aktualität überprüft werden muss.

Maß der Ratenknappheit durch Äquivalenzkoeffizient (AeK)

Aek_{rel} = \frac{1}{F_{k} - F} \cdot \frac{F}{F_{k}} \cdot c \; \; \text{zum Beispiel} \; \; \left[ \frac{RE}{kg} \right]
Aekrel = Äquivalenzkoeffizient für Ratenknappheit (relative Knappheit)
F = jährliche Verbrauchs- bzw. Immissionsrate (gegenwärtiger Fluss)
Fk = kritische Verbrauchs- bzw. Immissionsrate (kritischer Fluss)
c = 1012 (dimensionslose Korrekturkonstante)
RE = Rechnungseinheiten (pro kg, m3, l, bzw. MW/h)
Grenzen: 0 _ F _ 0,9Fk

Maß der Kumulativknappheit durch Äquivalenzkoeffizient (AeK)

Besitzt die Hilfsfunktion diejenige Verbrauchsrate als kritisch zu erklären, welche zu einer Erschöpfung der Ressource nach einer bestimmten Anzahl (n) von Jahren führt.

Aek_{abs} = \frac{1}{R -nF} \cdot \frac{nF}{R} \cdot c \; \; \; \text{zum Beispiel} \; \; \left\lfloor {\frac{RE}{kg}} \right\rfloor
Aekabs = Äquivalenzkoeffizient für Kumulativknappheit (absolute Knappheit)
F = jährliche Ressourceninanspruchnahme (gegenwärtiger Fluss)
R = derzeit bekannte Reserven
n = 30 Jahre (Zahl der Jahre, für die der Vorrat reichen soll)
c = 1012 (dimensionslose Korrekturkonstante)
RE = Rechnungseinheiten (pro kg, m3, l, bzw. MW/h)
Grenzen: 0 _ nF _ 0,9R

Literatur

  • B. Streit: Ökologie. Ein Kurzlehrbuch. G. Thieme, Flexible Taschenbücher. 1980, ISBN 3-13-583501-4
  • In Anlehnung an Prof. Dr. Edeltraud Günther, Vortrag Die Entdeckung der Langsamkeit - Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit, Folie 9
  • E. Günther: Ökologieorientiertes Management. Um-(weltorientiert) Denken in der BWL. Lucius & Lucius, 2008, ISBN 978-3-8282-0415-7
  • R. Müller-Wenk: Die oekologische Buchhaltung. Ein Informations- und Steuerungsinstrument für umweltkonforme Unternehmenspolitik. Campus-Verlag, 1978, ISBN 3-593-32250-1
  • Walter L. Bühl: Ökologische Knappheit – Gesellschaftliche und technologische Bedingungen ihrer Bewältigung. Vandenhoeck und Ruprecht Verlag, Göttingen 1981, ISBN 3-525-01104-0
  • B. Commoner: The Environmental Cost of Economic Growth. In: R. G. Ridker (Hrsg.): Population, Resources and the Environment. Washington, DC 1972
  • H. Meffert und M. Kirchgeorg: Marktorientiertes Umweltmanagement. Schäffer-Poeschel, 1993, ISBN 3-7910-0675-4
  • Edeltraud Günther: Vortrag Die Entdeckung der Langsamkeit-Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit

Quellen

  1. H. Meffert und M. Kirchgeorg, 1993, S. 8f
  2. Bühl, 1981, S. 44
  3. Bühl, 1981, S. 45
  4. Commoner, 1972, S. 339–363
  5. In Anlehnung an Prof. Dr. Edeltraud Günther, Vortrag „Die Entdeckung der Langsamkeit -Entschleunigung von Unternehmen auf dem Weg zur Nachhaltigkeit“, Folie 9
  6. Vgl. Müller-Wenk, 1978, S. 35ff

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