Benzodiazepin

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R1 R2 R3 R4 Name
Cl CH3 O H Diazepam
NO2 H O H Nitrazepam
Cl CH3 H2 H Medazepam
NO2 H O Cl Clonazepam
1H-Benzo-1,4-Diazepin
1H-Benzo-1,4-Diazepin
Chlordiaepoxid
Chlordiazepoxid

Benzodiazepine sind bicyclische Verbindungen, bestehend aus einem Benzolring (Benzo-), verknüpft (annelliert) mit einem siebengliedrigen Ring, der zwei Stickstoffatome enthält (-diazepin).

Die 1H-Benzo-1,4-diazepine finden in der Medizin Verwendung als Tranquilizer. Die erste Verbindung aus dieser Gruppe, die zum Einsatz kam, war Chlordiazepoxid. Es wurde von Leo Sternbach für Hoffmann-La Roche entwickelt und 1960 unter dem Handelsnamen Librium® auf den Markt gebracht. Im weiteren Verlauf der Forschung sind vor allem Verbindungen mit Lactamstruktur eingeführt worden.

Inhaltsverzeichnis

Wirkungsmechanismus

Benzodiazepine vermitteln ihre Wirkung dadurch, dass sie modulierend auf die Bindungsstelle des Neurotransmitters GABA (γ-Aminobuttersäure) am GABAA-Rezeptor, einem Chlorid-Ionenkanal, wirken. Dadurch wird die Wirksamkeit des inhibitorisch wirkenden Neurotransmitters GABA verstärkt, was zur Folge hat, dass die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chlorid-Kanals erhöht wird und sich somit der Einstrom der Chlorid-Ionen in die Nervenzelle erhöht, was wiederum zu einer geringeren Erregbarkeit der Neuronenmembran führt (durch Hyperpolarisation und Kurzschluss von EPSPs).

Benzodiazepine unterscheiden sich in ihrer Wirkung von Barbituraten. Dafür sind folgende Mechanismen verantwortlich:

  • Benzodiazepine wirken nur zusammen mit GABA und sind allein nicht in der Lage, den GABAA-Rezeptor zu öffnen. Streng genommen müsste man sie daher eher als Synergisten bezeichnen anstatt als Agonisten.
  • Benzodiazepine wirken an Synapsen, die wenig GABA enthalten, stärker als an solchen, die viel GABA enthalten.
  • Schwache Transmitter-Antworten werden mehr verstärkt als starke Transmitter-Antworten. Man spricht von einer aktivitätsabhängigen Wirkung (engl.: use dependence). Dieser Effekt könnte auch verantwortlich sein für eine relativ spezifische Wirkung der Benzodiazepine (anxiolytisch, antikonvulsiv, zentral muskelrelaxierend, sedativ/hypnotisch, amnestisch s. u.), trotz der ubiquitären Verteilung der GABA-Rezeptoren im Gehirn und Rückenmark.

Auch hohe Dosen von Benzodiazepinen verstärken die Maximalwirkung (die theoretisch auch durch GABA allein erreicht werden könnte) nicht. Sie setzen lediglich die GABA-Dosis herab, die zu einer Maximalwirkung führt. Pharmakologisch ausgedrückt führen sie zu einer Linksverschiebung der Dosis-Wirkungs-Kurve.

Wirkungen, Nebenwirkungen

Benzodiazepine wirken im Allgemeinen

  • anxiolytisch (angstlösend)
  • antikonvulsiv (krampflösend)
  • muskelrelaxierend (muskelentspannend)
  • sedativ (beruhigend und schlaffördernd)
  • amnestisch (Erinnerung für die Zeit der Wirkdauer fehlt)
  • leicht stimmungsaufhellend (jedoch kann eine depressive Grunderkrankung möglicherweise verstärkt werden)

Sie finden in der Psychiatrie Anwendung bei der Behandlung von Angst- und Unruhezuständen, als Notfallmedikation bei epileptischen Krampfanfällen und als Ein- und Durchschlafmittel. Ferner werden sie als Prämedikation vor Operationen verordnet, damit der Patient entspannt und angstfrei ist.

Bei regelmäßiger Einnahme besteht die Gefahr der Gewöhnung und der Abhängigkeit. Die Anwendung von Benzodiazepinen sollte so kurz wie möglich und die Dosis so gering wie möglich sein. Die Behandlungsdauer sollte mit der schrittweisen Absetzphase, die bei einer Anwendungsdauer von über einer Woche angezeigt ist, vier Wochen nicht überschreiten. Bei einer Dauerbehandlung sind die Gefahren von Sucht und Abhängigkeit gegen den therapeutischen Nutzen sorgfältig abzuwägen. Die meisten Benzodiazepine sind grundsätzlich nicht zur Dauerbehandlung zugelassen. Ausnahmen bilden die antiepileptisch wirksamen Benzodiazepine, welche bei entsprechender Indikationsstellung nicht selten lebenslang eingenommen werden müssen. Das Alprazolam-haltige Medikament Tafil® (D) nimmt eine Sonderstellung ein, da es als einziges in Deutschland zugelassenes Benzodiazepin-Präparat - im Unterschied zu allen sonstigen zugelassenen benzodiazepinhaltigen Medikamenten - auch zur Langzeitbehandlung von Panikstörungen (bis zu 12 Wochen) zugelassen ist.

Benzodiazepinpräparate sind dosisabhängig und je nach Substanz unterschiedlich stark atemdepressiv, d. h. sie dämpfen das Atemzentrum. Eine Vergiftung durch Atemstillstand ist allein beim Missbrauch von Benzodiazepinen dennoch selten, jedoch potenziert sich das Risiko bei gleichzeitigem Alkoholkonsum oder bei gleichzeitiger Gabe anderer ZNS-wirksamer Präparate, hier besonders zu erwähnen die Opioide, da diese selbst stark atemdepressiv wirken. Außerdem wird bei gleichzeitiger Einnahmen von Opioiden und Benzodiazepinen deren Wirkung und damit auch Suchtpontinzal gegenseitig verstärkt. Benzodiazepine beeinträchtigen die Reaktionszeit. Zumindest während der ersten Tage einer Einnahme von benzodiazepinhaltigen Arzneimitteln besteht Fahruntüchtigkeit. Im Verlaufe einer fortgesetzten Therapie entscheidet der behandelnde Arzt von Fall zu Fall, ob das Führen eines Kraftfahrzeuges oder das Bedienen gefährlicher Maschinen wieder möglich ist.

Benzodiazepine gelten weltweit als die Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate.

Es gibt klare Hinweise darauf, dass eine Anwendung von Benzodiazepinen während der Schwangerschaft den menschlichen Fetus schädigt. Im Tierversuch gab es zudem Hinweise auf Verhaltensstörungen der Nachkommen von Muttertieren, denen während der Schwangerschaft Benzodiazepine verabreicht wurden.[1]

Kontraindikationen

  • Myasthenia Gravis
  • Ataxie, Engwinkelglaukom
  • Bekannter Alkohol-, Drogen oder Medikamentenmissbrauch - auch in der Vorgeschichte
  • Allergie gegen Benzodiazepine

Einzelstoffe

Wirkstoff Wirkungstyp chemische Bezeichnung Halbwertszeit
(Metaboliten-HWZ)
Jahr der Markteinführung
Alprazolam Tranquilizer, Anxiolytikum 8-Chlor-1-methyl-6-phenyl- 4H-[1,2,4]-triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 12-15 h 1984
Bromazepam Tranquilizer, Anxiolytikum 7-Brom-2,3-dihydro-5-(2-pyridyl)- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 15-28 h 1977
Brotizolam Hypnotikum, Sedativum 2-Brom-4-(2-chlorphenyl)-9-methyl- 6H-thieno[3,2-f][1,2,4]triazolo[4,3-a][1,4]diazepin 3-6h (4-19h)
Chlordiazepoxid Tranquilizer 7-Chlor-2-methylamino-5-phenyl- 3H-1,4-benzodiazepin-4-oxid 5-30 h (48-96 h) 1960
Clobazam Tranquilizer, Anxiolytikum, Antiepileptikum 7-Chlor-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,5-benzodiazepin-2,4(3H,5H)-dion 18 h (36-80–120 h)
Clonazepam Antiepileptikum 5-(2-Chlorphenyl)-2,3-dihydro-7-nitro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 30-40 h
Diazepam Tranquilizer, Antiepileptikum 7-Chlor-2,3-dihydro-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 24-48 h (50-80 h) 1963
Clorazepat Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-2,2-dihydroxy-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-3-carbonsäure (25-82 h)
Flunitrazepam Hypnotikum 5-(2-Fluorphenyl)-2,3-dihydro-1-methyl-7-nitro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 16-35h 1975
Flurazepam Hypnotikum 7-Chlor-1-(2-diethylaminoethyl)-5-(2-fluorphenyl)-2,3-dihydro- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 1,5 h
(1 h oder 50-100 h)
Loprazolam Tranquilizer 6-(2-Chlorphenyl)-2,4-dihydro-2-[(4-methyl-1-piperazinyl)methylen]-8-nitro- 1H-imidazo[1,2-a][1,4]benzodiazepin-1-on 8-9 h
Lorazepam Tranquilizer, Antiepileptikum (RS)-7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-2,3-dihydro-3-hydroxy- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 12,9–16,2 h 1963
Lormetazepam Hypnotikum (RS)-7-Chlor-5-(2-chlorphenyl)-2,3-dihydro-3-hydroxy-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 10-14 h
Medazepam Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin 2-5 h (50-80 h)
Midazolam Kurzhypnotikum 8-Chlor-6-(2-fluorphenyl)-1-methyl- 4H-imidazo[1,5a][1,4]benzodiazepin 1,5-2,5 h 1976
Nitrazepam Hypnotikum 2,3-Dihydro-7-nitro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 18-30 h
Nordazepam Tranquilizer 7-Chlor-2,3-dihydro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 50-90 h (8 h)
Oxazepam Tranquilizer (RS)-7-Chlor-2,3-dihydro-3-hydroxy-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on 5-15 h 1965
Prazepam Tranquilizer 7-Chlor-1-(cyclopropylmethyl)-2,3-dihydro-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2-on (50-90 h)
Temazepam Hypnotikum (RS)-7-Chlor-3-hydroxy-1-methyl-5-phenyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2(3H)-on 5-13h
Tetrazepam Myotonolytikum (Muskelrelaxans) 7-Chlor-5-(1-cyclohexenyl)-1-methyl- 1H-1,4-benzodiazepin-2(3H)-on 18 h
Triazolam Hypnotikum 8-Chlor-6-(2-chlorphenyl)-1-methyl- 4H-1,2,4-triazolo[4,3-a][1,4]benzodiazepin 1,4-4,6 h

Gegenmittel

Flumazenil, ein reversibler kompetitiver Antagonist, hebt nach einer intravenösen Gabe die Wirkung von Benzodiazepinpräparaten zumindest kurzfristig wieder auf (HWZ etwa 45 min).

Rechtslage in Deutschland

Alle Vertreter aus der Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine unterliegen in der Bundesrepublik Deutschland der Gesetzgebung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG).

Hier sind sie in die Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen worden. Der Gesetzgeber hat jedoch Höchstmengen pro abgeteilter Form (Tablette, Suppositorium, Ampulle, Volumeneinheit bei Tropfen) zugelassen, bis zu denen die Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung nicht gilt („ausgenommene Zubereitungen“). Diese Höchstmengen sind für jeden einzelnen Wirkstoff individuell festgelegt (z.B. 10 mg für Diazepam) und werden bei Bedarf angepasst. Ein Beispiel hierfür ist die Herabsetzung der Höchstmenge von Flunitrazepam von 2 mg pro abgeteilter Form auf nur noch 1 mg. Das hatte zur Folge, dass die Tabletten zu 1 mg weiterhin lediglich verschreibungspflichtig sind, die Ampullen zu 2 mg jedoch den Einschränkungen des BtMG unterworfen sind. Im Falle der Substitutionstherapie von Drogenabhängigen sind Benzodiazepine (meist Diazepam oder Flunitrazepam) jedoch generell auf einem Betäubungsmittelrezept zu verordnen.

Aufgrund der Höchstmengenfestsetzung in Anlage III BtMG sind die meisten Benzodiazepine enthaltenden Medikamente in der Bundesrepublik Deutschland verschreibungspflichtig und damit auch apothekenpflichtig. Ausnahmen sind z.B. die bereits erwähnte Zubereitung von Flunitrazepam (2 mg/Ampulle), Zubereitung von Temazepam (20 mg/Kapsel) und eine in der Intensivmedizin angewendete Zubereitung von Midazolam, die 50 mg pro Ampulle enthält (Dormicum® Roche 50/10).

Einzelnachweise

  1. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Dormicum® Ampullen; Stand der Informationen: November 2005
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